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„Spätrücktritt“ bei Lebensversicherung – Verjährung der Zinsen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1480

VersVG idF BGBl I 2004/62: § 165a

1. Der Kl wurde über seine Rücktrittsmöglichkeit insofern fehlerhaft und irreführend belehrt, als ihm zwei unterschiedliche Fristen für den Rücktritt genannt wurden. Dies war geeignet, ihn zwischen dem 15. und dem 30. Tag nach Vertragsabschluss zur irrigen Auffassung zu verleiten, dass die Rücktrittsfrist bereits abgelaufen sei, und ihn damit vom eigentlich noch zulässigen Rücktritt abzuhalten. Damit wurde dem Kl die Möglichkeit genommen, sein Rücktrittsrecht unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei Mitteilung zutreffender Informationen. Die Rücktrittsfrist nach § 165a Abs 1 VersVG (idF BGBl I 2004/62) hat im vorliegenden Fall daher mangels korrekter Belehrung nicht mit dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, zu dem der Kl davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Vertrag geschlossen wurde. Die irreführende Belehrung führt hier somit zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht des Kl.

2. Nach der Rsp des EuGH dienst das Rücktrittsrecht nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer eine höhere Rendite erhalten oder gar auf die Differenz zwischen der effektiven Rendite des Vertrags und dem Satz der Vergütungszinsen spekulieren kann. Das Ausmaß der Nutzungsentschädigung stellt daher keine relevante Bezugsgröße dar, die auf die Frage der Verjährung der Vergütungszinsen Einfluss haben könnte, weil damit nämlich der vom EuGH verpönte Vorteil aus dem Spätrücktritt gezogen würde (Spekulation mit den gesetzlich gesicherten Vergütungszinsen).

Der Ausnahmefall, für den der EuGH eine längere als die dreijährige Verjährungsfrist zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers für notwendig erachtet, liegt hier nicht vor: Nach den Feststellungen hat der Kl nach dem vorgeschlagenen Finanzierungskonzept der Bank eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der Bekl abgeschlossen, diese Lebensversicherung für den beabsichtigten Zweck (Besicherung des Kredits) verwendet und den Rücktritt deshalb erklärt, weil sich die Leistung der Lebensversicherung nicht so entwickelte, wie das vom Kl erwartet worden war.

OGH 27. 5. 2020, 7 Ob 20/20x

Hinweis:

Vgl dazu ebenso OGH 27. 5. 2020, 7 Ob 40/20p, worin der OGH ua auch festgehalten hat, dass aus einem bereits erhaltenen Betrag nach dem Zeitpunkt des Erhalts keinesfalls Vergütungszinsen gebühren.

In jenem Fall meinte die Kl weiters, dass die Unterlassung der gesetzmäßigen Rücktrittsbelehrung kausal für den entstandenen Schaden (verjährte Vergütungszinsen) sei: Die Möglichkeit zum Rücktritt bei rechtzeitiger Belehrung sei abstrakt zu prüfen, innerhalb von drei Jahren ab Prämienzahlung hätte er keinen Zinsenverlust durch Verjährung erlitten und Schadenersatzansprüche würden erst drei Jahre ab Kenntnis des Schadens verjähren. Dam hält der OGH va entgegen, dass bei einem Rücktritt aufgrund rechtzeitiget Belehrung gar keine Vergütungszinsen entstanden wären und sich außerdem die Beurteilung allein der Verjährung der ausschließlich geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Vergütungszinsen nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen verbietet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29567 vom 24.08.2020