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Squeeze Out: Handel mit Nachbesserungsrechten

Bearbeiter: Barbara Tuma

GesAusG: § 6

AktG: § 225c

Ansprüche auf eine potenzielle Nachbesserung der Barabfindung nach einem Gesellschafterausschluss müssen nicht verbrieft werden. Die Ausgabe eines diesbezüglichen Wertpapiers mit einer internationalen Wertpapierkennnummer (ISIN) geschieht bei börsenotierten Gesellschaften aber regelmäßig, weil die Ansprüche auf potenzielle Nachbesserung andernfalls nur schwer administrierbar wären. Das verbriefte Nachbesserungsrecht ist ein reines Forderungspapier. Es verbrieft nicht alle Ansprüche eines ausgeschlossenen Aktionärs aufgrund des Ausschlusses (insb gegenüber dem Hauptgesellschafter), sondern lediglich den Anspruch auf eine eventuelle Nachzahlung der Barabfindung auf Basis des Ergebnisses des Überprüfungsverfahrens oder eines dort gerichtlich genehmigten Vergleichs. Die verbrieften Nachbesserungsrechte umfassen somit den Anspruch auf eine potenzielle Nachzahlung, dessen Bestand und Höhe im Barabfindungsverfahren ermittelt werden. Eine mögliche Nachzahlung ist erst nach rk Beendigung des Überprüfungsverfahrens auszuzahlen.

Die hier kl Erwerbin von Nachbesserungszertifikaten hat mit deren Kauf somit keine Schadenersatzansprüche ausgeschlossener Aktionäre gegenüber der bekl Hauptaktionärin erworben (hier: behauptete Verletzung der Gleichbehandlungspflicht durch die Hauptaktionärin im Rahmen eines Vergleichs, den sie mit nur jenen Aktionären geschlossen hatte, die den Hauptversammlungsbeschluss über den Gesellschafterausschluss angefochten hatten).

OGH 18. 4. 2023, 6 Ob 71/22t

Sachverhalt

Die Kl ist eine (ua) auf Nachbesserungsrechte spezialisierte Beteiligungsgesellschaft. Die Bekl war Hauptaktionärin einer AG, deren Hauptversammlung 2007 beschloss, die Streubesitzaktionäre über ein Squeeze-Out-Verfahren durch Zahlung einer Barabfindung aus der Gesellschaft auszuschließen. Dieser Beschluss wurde von einigen ausgeschlossenen „Großaktionären“ angefochten, das Beschlussanfechtungsverfahrens dann jedoch aufgrund eines Vergleichs zwischen der Bekl und diesen Aktionären beendet. Die Barabfindung wurde 2008 ausgezahlt.

Beim HG Wien ist nun ein Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung anhängig, das noch nicht abgeschlossen ist und auch die Relevanz jenes Vergleichs und eine behauptete Verletzung der Gleichbehandlungspflicht durch die Bekl zum Gegenstand hat.

Im Hinblick auf dieses Überprüfungsverfahrens wurde jedem Aktionär ein Wertpapier mit ISIN (= Nachbesserungsrecht) eingebucht. Eine Investmentbank erwarb solche Nachbesserungsrechte und verkaufte sie 2018 an die Kl; nach diesem Kaufvertrags sollen das Eigentum an den verkauften Nachbesserungsrechten sowie alle damit verbundenen Rechte und Pflichten auf den Käufer übergehen, so wie diese an die Investmentbank übertragen wurden.

Die Kl begehrt nun die gleiche Aufzahlung, wie sie den Kl des Beschlussanfechtungserfahrens nach dem Vergleich geleistet wurde. Sie habe aus den aktienrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Gleichbehandlung, dessen Verletzung die Hauptaktionärin schadenersatzpflichtig mache. Der Erwerb der Nachbesserungsrechte umfasse auch den Erwerb der Schadenersatz- und sonstigen Ansprüche der ursprünglichen Aktieninhaber.

Das ErstG wies das Klagebegehren ab; das BerufungsG bestätigte dieses Urteil. Die Revision war aus den Gründen des Zulassungsausspruchs zulässig (fehlende Rsp zur Frage, ob sich eine Vergleichszahlung zwecks Rücknahme der Beschlussanfechungsklage auf die Abfindung gem § 2 GesAusG, auf das Überprüfungsverfahren nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff AktG oder auf sonstige Weise zugunsten der anderen ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter auswirke), aber nicht berechtigt.

Entscheidung

Auf eine gesonderte rechtsgeschäftliche (allenfalls konkludente) Abtretung von Schadenersatzansprüche kommt die Revision nicht mehr zurück. Eine solche läge aber auch nicht auf der Hand:

Ehemalige Gesellschafter, die bereits die Barabfindung erhalten haben und das Ergebnis des Überprüfungsverfahrens (betr eine etwaige Zuzahlung) nicht abwarten wollen, können ihren Anspruch auf die mögliche Nachbesserung monetarisieren. Dem Verkauf und der Übertragung solcher Nachbesserungsrechte wohnt stets ein gewisses spekulatives Element inne: Wenn ein Erwerber bereit ist, einen bestimmten Betrag pro Nachbesserungsrecht zu bezahlen, gibt er damit seine Erwartung zu erkennen, dass das Gericht am Ende des Verfahrens einen höheren Betrag gewähren wird; er nimmt aber auch das Risiko in Kauf, dass das Gericht die Angemessenheit der Barabfindung feststellt und damit keinerlei Nachzahlung erfolgt oder das Gericht eine geringere Zuzahlung ermittelt. Der Veräußerer hingegen akzeptiert diesen Betrag mit dem Wissen, dass das Gericht am Ende des Verfahrens möglicherweise eine höhere, eine geringere oder gar keine Nachzahlung feststellen wird; dem Veräußerer ist es im Regelfall wichtig, dass er seinen potenziellen Anspruch rechtzeitig versilbern kann und er den von ihm gewünschten Betrag mit Sicherheit erhält, dh Zug um Zug gegen Umbuchung der Nachbesserungsrechte. Beim Handel mit Nachbesserungsrechten liegt daher eine Wette auf den Ausgang des laufenden Preisüberprüfungsverfahrens vor.

Selbst bei der erstmaligen Übertragung eines verbrieften Nachbesserungsrechts gehen die Vertragsparteien somit im Regelfall nicht davon aus, dass mit der Übertragung des Wertpapiers schlüssig auch andere Ansprüche des ehemaligen Aktionärs als jene auf eine eventuelle Nachzahlung aufgrund des Überprüfungsverfahrens auf den Erwerber übergehen sollen.

Auch aus der Wendung im vorliegenden Vertrag über den Erwerb der Nachbesserungszertifikate, wonach diese Zertifikate einschließlich sämtlicher damit verbundener Rechte Vertragsgegenstand sein sollten, wäre im vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges abzuleiten, weil mit den Nachbesserungszertifikaten zwar das Recht auf Auszahlung der Zuzahlung verbunden war, die sich aus dem Überprüfungsverfahren ergibt, nicht aber Schadenersatzansprüche gegen den Hauptaktionär, etwa wegen allfälliger Verletzung des Gleichbehandlungsgebots.

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen erkannt, dass es der Kl an der Aktivlegitimation für die Geltendmachung der behaupteten Schadenersatzansprüche fehlt. Schon deshalb ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34034 vom 16.05.2023