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Staatliche Förderung einer internationalen Schule – kein Lauterkeitsverstoß

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UWG: § 1

Wie andere Tatbestände des UWG setzt auch § 1 Abs 1 Z 1 UWG ein „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ voraus. Dabei muss es sich nicht um die eigene Erwerbstätigkeit handeln; Ansprüche nach dem UWG können auch auf die Förderung fremden Wettbewerbs gestützt werden. Wegen des generellen Wegfalls der Wettbewerbsabsicht als Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG durch die UWG-Novelle 2007 kommt es nach der stRsp nicht mehr auf die Absicht an, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern auf die Eignung. Eine derartige tatbestandsrelevante Förderung fremden Wettbewerbs kommt nicht in Betracht, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt. In solchen Fällen scheitert ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch am fehlenden Handeln im geschäftlichen Verkehr auch dann, wenn einzelne Unternehmer aus solchen Maßnahmen mittelbar (bzw faktisch) als Reflexwirkung einen Vorteil ziehen.

Die Förderung einer internationalen Schule durch die Republik Österreich (jährlicher Baurechtszins iHv 1 €) aufgrund eines Staatsvertrags ist lauterkeitsrechtlich unbedenklich, weil kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt. Der hier behauptete „Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht“ der Republik Österreich liegt schon deshalb nicht vor, weil die bekl Republik Österreich durch die Überlassung der Liegenschaft ihre völkerrechtliche Verpflichtung gegenüber den Internationalen Organisationen aus dem Staatsvertrag erfüllt hat. Dass die Bekl durch die Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen damit allenfalls auch faktisch den Wettbewerb des (von der UNO ausgewählten) Vereins (Bildungseinrichtung) förderte, ist ein bloßer Reflex dieser Tätigkeit, die eindeutig einem anderen Zweck dient.

Wegen des fehlenden Handelns im geschäftlichen Verkehr (mangels Förderung fremden Wettbewerbs) kann der Unterlassungsanspruch auch nicht auf (allfällige) Verstöße gegen das unionsrechtliche Beihilfenrecht gestützt werden.

OGH 22. 4. 2022, 4 Ob 47/22y

Sachverhalt

Die Kl und der Nebenintervenient (im Folgenden: Verein) betreiben in Wien internationale Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht.

2016 schloss die Bekl mit mehreren Internationalen Organisationen mit Sitz in Wien (UNO, IAEO, UNIDO, CTBTO) ein völkerrechtliches Abkommen, das zu BGBl III 2016/151 als Staatsvertrag veröffentlicht wurde. Im Staatsvertrag verpflichtete sich die Bekl zur Sicherung des Standorts der Internationalen Organisationen in Wien und zur (Mit-)Finanzierung angemessener Schulbildung für die Kinder von Angestellten. Nach Art 3 des Staatsvertrags stellt die Bekl zumindest bis Juli 2024 eine Liegenschaft einschließlich Gebäuden und Ausstattung für die ausschließliche Nutzung für Bildungsaktivitäten einer Bildungseinrichtung zur Verfügung, die von den internationalen Organisationen ausgewählt wird.

In weiterer Folge schlossen die Bekl und der (von der UNO ausgewählte) Verein über die klagsgegenständliche Liegenschaft einen Baurechtsvertrag bis 2044 zu einem jährlichen Baurechtszins von 1.282.368 €. Auf der Liegenschaft befindet sich seit 1984 die V* School, die vom Verein seit 1978 betrieben wird. In einem Zusatzvertrag verzichtete die Bekl bis zum Jahr 2024 auf den 1 € übersteigenden Baurechtszins.

Nach Ansicht der Kl verstößt die Bekl durch Überlassung der Liegenschaft zu einem Baurechtszins unter dem Marktwert gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG, weil sie fremden Wettbewerb in marktverzerrender Weise fördere. Dem Verein werde die Liegenschaft in unentgeltlicher Weise zur Verfügung gestellt, damit würde dieser unbegründet bevorzugt. Daneben verstoße die Bekl gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot (Art 107, 108 AEUV); eine Förderung fremden Wettbewerbs durch Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art 108 Abs 3 AEUV sei nach österreichischem Recht eine sonstige unlautere Handlung iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch), auf die Vertretbarkeit komme es dabei nicht an.

Entscheidung

Die Kl argumentieren damit, dass staatliches Handeln iSd Rsp dann nicht mehr lauterkeitsrechtlich immun ist („Gegenausnahme“), wenn der Gleichheitsgrundsatz durch unsachliche Bevorzugung verletzt wird (idS 4 Ob 59/19h, RdW 2019/596).

Eine solche Ausnahme liegt hier aber nicht vor. Zu einem Antrag der Kl auf Normenkontrolle hat der VfGH ua die Verfassungswidrigkeit von Art 3 des Staatsvertrags verneint (VfGH 29. 9. 2021, SV 4/2020 ua, G 250/2020); es liege keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Ausübung der Erwerbsfreiheit vor. Die Einräumung eines Baurechts an einer Liegenschaft mit einem jährlichen Baurechtszins idHv 1 € für schulische Zwecke diene der – sachlich gerechtfertigten – Unterstützung Internationaler Organisationen und nicht der Förderung eines bestimmten Schulträgers. Damit verneinte der VfGH bindend (§ 528b Abs 3 ZPO) eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die (faktisch kostenfreie) Zurverfügungstellung der Liegenschaft durch die Bekl.

Insoweit die Kl den Unterlassungsanspruch auf Verstöße gegen Beihilfenrecht stützen, machen sie einen Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG geltend, der ebenfalls ein Handeln im geschäftlichen Verkehr der bekl P voraussetzt (in diesem Sinn für behauptete Kartellrechtsverstöße: 4 Ob 77/20g Pkt 4.4, RdW 2021/33). Wegen des fehlenden Handelns im geschäftlichen Verkehr (mangels Förderung fremden Wettbewerbs) konnte der Unterlassungsanspruch damit auch nicht auf (allfällige) Verstöße gegen das unionsrechtliche Beihilfenrecht gestützt werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32590 vom 31.05.2022