Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der RdW erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
1. § 76 Abs 1 ElWOG geht – schon seinem klaren Wortlaut nach – von der Zulässigkeit einer Vertragskündigung („ordentliche Kündigung“) durch den Lieferanten aus, von dem er bei Verträgen mit Verbrauchern iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und mit Kleinunternehmen die Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen verlangt.
§ 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG betreffen dagegen – wiederum schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang mit Art 10 Abs 4 RL (EU) 2019/944 (ElektrizitätsbinnenmarktRL – einseitige „Änderungen der (…) vertraglich vereinbarten Entgelte“ im aufrechten Vertragsverhältnis, nach welchen der Kunde berechtigt ist, die „Kündigung des Vertrags (...) kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären“. § 76 ElWOG betrifft einen anderen Regelungsinhalt und wurde folgerichtig von der Novelle BGBl I 2022/7, mit der § 80 Abs 2a ElWOG eingeführt wurde, unberührt gelassen. Auch die Grundsätze lex posterior derogat legi priori und lex specialis derogat legi generali spielen hier daher keine Rolle, regeln doch § 76 ElWOG und § 80 ElWOG unterschiedliche Tatbestände (Kündigung einerseits und Vertragsanpassung andererseits).
§ 80 Abs 2a ElWOG ist somit auf eine unbedingte ordentliche Kündigung nicht anzuwenden. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Lieferant mit der ordentlichen Kündigung den – von einem Tätigwerden des Konsumenten abhängigen – Abschluss eines neuen Vertrags anbietet. Auch in diesem Fall besteht nämlich grundsätzlich kein Bedarf nach der (ausschließlichen oder ergänzenden) Anwendung von Vorschriften, die sich allein auf die einseitige Änderung von Vertragspflichten bei aufrecht bleibendem Vertragsverhältnis beziehen, unterliegt doch der Neuabschluss eines Vertrags ohnehin der dafür – namentlich zum Schutz des Verbrauchers – vorgesehenen Geltungs- und Inhaltskontrolle.
2. Für die hier vorliegende Konstellation der Stromversorgung steht es dem Verbraucher infolge Liberalisierung des Strommarktes frei, aus verschiedenen Stromanbietern zu wählen. Der einfache Umstieg zwischen verschiedenen Stromanbietern (Wechselmöglichkeiten) werden durch §§ 76 ff ElWOG sichergestellt. Demnach liegt in diesem Bereich keine Fremdbestimmtheit des Kl vor. Es besteht aber auch keine marktbeherrschende Stellung der Bekl für die Stromlieferung, hat doch das ErstG ohnehin zahlreiche Angebote anderer Lieferanten festgestellt, die für das Wohnhaus des Kl konkret zur Verfügung stehen und aus denen sich keine Hinweise ergeben, dass der Tarif der Bekl nicht marktkonform wäre. Es liegt demnach kein Fall einer Marktbeherrschung vor (und damit kein Kontrahierungszwang), der die Kündigung der Bekl als unwirksam erweisen und diese zur Weiterbelieferung nach den seinerzeitigen Konditionen verpflichten könnte.
Entscheidung
Entgegen den untauglichen gegenteiligen Auslegungsversuchen des Kl hat die Bekl mit ihrem Schreiben vom 27. 7. 2022 keine Änderungen des vertraglich vereinbarten Entgelts bei weiter bestehendem Vertragsverhältnis und keine bloß bedingte, sondern die unbedingte ordentliche Kündigung des Stromliefervertrags vorgenommen.
Daraus folgt als Zwischenergebnis, dass aus § 80 Abs 2a ElWOG nicht die Unwirksamkeit dieser Kündigung und das unveränderte Fortbestehen des seinerzeitigen Vertragsverhältnisses abgeleitet werden kann.
Da der Kl das Anbot der Bekl auf Abschluss eines neuen Vertrags mit einem höheren Strompreis nicht angenommen hat und dies auch mit seinem Klagebegehren nicht anstrebt, bedarf es keiner Überprüfung, ob dieses Anbot den dafür maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen oder den vom Kl dazu verlangten Informationen entsprochen hat.
Zuletzt behauptet der Kl, erst nach ergänzenden Feststellungen zu den Strompreiserhöhungen durch die Bekl im Zeitraum vom seinerzeitigen Vertragsabschluss bis 2. 5. 2022 und der Möglichkeit der Bekl einer Strompreiserhöhung zum 1. 10. 2022 könnte die Frage beantwortet werden, ob es zwischen den Streitteilen zu einem konkludenten Kündigungsverzicht zur Erreichung einer Strompreiserhöhung gekommen sei. Dem ist mit dem BerufungsG zu entgegnen, dass ein – redlicher – Erklärungsempfänger selbst wiederholte Preiserhöhungen nicht als einen (schlüssigen) Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verstehen könnte.
Hinweis:
So auch OGH 3 Ob 10/24b, 3 Ob 238/23f, 3 Ob 243/23s, 5 Ob 34/24x, 5 Ob 45/24i; in diesem Sinn ua auch OGH 6 Ob 6/24m, 9 Ob 2/24w und 9 Ob 3/24t.
Ua in der E OGH 16. 5. 2024, 9 Ob 59/23a hält der OGH fest, dass auch eine „Änderungskündigung“ keine einseitige Änderung der vertraglichen Entgelte darstellt (und daher nicht § 80 Abs 2a ElWOG zu unterstellen ist), sondern zur Wirksamkeit der Preisänderung ein aktives Tätigwerden des Kunden verlangt, ansonsten der Vertrag endet. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet und zugleich ein neuer Vertragsabschluss angeboten wird oder im Fall einer Zustimmung des Kunden die Fortsetzung des Vertrags zu neuen Bedingungen erfolgt.