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Sturmversicherung: „Behördliche Auflagen“ in Versicherungsbedingungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: §§ 914 ff

Bei der vorliegenden Klausel BB 9539 handelt es sich nach ihrem klaren Wortlaut um eine Erweiterung des Deckungsumfangs – über die schon nach Art 8.1.1.2 AStB 1998 zum Neuwert zu ersetzenden Kosten der Wiederherstellung von Gebäuden bzw Betriebseinrichtungen in den ursprünglichen Zustand hinaus – und nicht um einen Risikoausschluss.

Deckung ist nach dem Wortlaut der Klausel dann gegeben, wenn es sich um zusätzliche (die Kosten der Wiederherstellung übersteigende) Kosten aufgrund behördlicher Auflagen nach einem ersatzpflichtigen Schaden handelt.

In Verwaltungsrechtslehre und -praxis ist der Begriff „Auflagen“ fest umrissen: Sie werden (wie Bedingungen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte) als Nebenbestimmungen betrachtet, die zum Hauptinhalt des Bescheids gehören. Eine Auflage besteht in der Normierung einer Verpflichtung des Adressaten neben der im Hauptinhalt des Bescheids erteilten Genehmigung (Erlaubnis) für den Fall, dass von dieser Gebrauch gemacht wird. Das Wesen von Auflagen besteht darin, dass die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechts für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Weg der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird .

Bei der Beurteilung des in einem Bescheid von der Verwaltungsbehörde verwendeten Begriffs „Auflage“ ist vom dargelegten einhelligen Verständnis auszugehen.

Daraus folgt für die hier zu beurteilende Klausel BB 9539, dass der Begriff „behördliche Auflage“ iS seines nach herrschender Ansicht unstrittigen Inhalts dahin zu verstehen ist, dass er durch einen individuellen Verwaltungsakt auferlegte Lasten meint. Es ist auch für einen durchschnittlichen, nicht juristisch gebildeten Versicherungsnehmer verständlich, dass allgemeine gesetzliche Verpflichtungen und ihm konkret „auferlegte“ Lasten nicht gleichgesetzt werden können, und dass der Versicherer nur Letztere nach einem ersatzpflichtigen Schaden – zusätzlich zu den nach Art 8.1.1.2 AStB 1998 gedeckten Kosten der Wiederherstellung von Gebäuden bzw Betriebseinrichtungen in den ursprünglichen Zustand – in Deckung genommen hat.

Da feststeht, dass der Kl nach dem Schadenfall nicht behördlich individuell auferlegt wurde, eine Absturzsicherung anzubringen, ist ihr insoweit der Nachweis des Versicherungsfalls nicht gelungen. Auf die Frage der Qualifikation des Gebäudes als einheitliche Sache kommt es damit nicht an.

OGH 22. 1. 2020, 7 Ob 153/19d

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28920 vom 20.04.2020