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Tagesgelder von Forstarbeitern aus dem EU-Ausland

Bearbeiter: Franz Wallig

EStG 1988: § 3 Abs 1 Z 16b, § 26 Z 4, § 68 Abs 5 Z 1–6

Kollektivvertrag Forstwirtschaft: § 5 Abs 5

AEUV: § 45

Abstract

Der VwGH beschäftigt sich im vorliegenden Fall mit den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von kollektivvertraglich geregelten Tagesgeldern für ausländische Forstarbeiter. Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit stehen diese Tagesgelder den Forstarbeitern auch dann zu, wenn der Kollektivvertrag einen inländischen Familienwohnsitz verlangt. Darüber hinaus hat der VwGH seine bisherige Rsp zu den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Tagesgelder weiter präzisiert.

VwGH 16. 11. 2023, Ra 2022/15/0078

Sachverhalt

Die mitbeteiligte GmbH ist ein Forstunternehmen, das Holzschlägerungen in Österreich (Ö) durchführt. Die Holzschlägerungen werden nicht am Hauptsitz der Gesellschaft, sondern in diversen in Ö gelegenen Waldgebieten durchgeführt. Dafür beschäftigt die GmbH ausschließlich Forstarbeiter aus dem EU-Ausland, deren Familienwohnsitz jeweils zu mehr als 120 km von ihrem Arbeitsort entfernt liegt. Die Arbeiter arbeiten für einen Zeitraum von drei bis fünf Wochen in einem Waldgebiet und können dann einen längeren Heimaturlaub antreten. Arbeitsmaterial und ein Kfz werden ihnen für die Dauer des Einsatzes vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, um Unterkunft und Verpflegung müssen sich die Arbeiter selbst kümmern. Die GmbH führt genaue Arbeitsaufzeichnungen zu den Tätigkeiten der Arbeiter. Während des Einsatzzeitraumes gewährte die mitbeteiligte GmbH den Arbeitern für jeden Wochentag ein Tagesgeld in Höhe von zwei Dritteln des in § 26 Z 4 EStG genannten Betrages von € 26,40. Der Kollektivvertrag für gewerbliche Forstunternehmen sieht in § 5 Abs 5 vor, dass „den Arbeitnehmern, die an Arbeitsstätten beschäftigt werden, die so weit von ihrem ständigen inländischen Familienwohnsitz entfernt sind, dass ihnen eine tägliche Rückkehr zu ihrem Familienwohnsitz nicht mehr zugemutet werden kann (60 km einfache Fahrtstrecke), erhalten je Nacht ein Trennungsgeld in der Höhe von 1,33 Stunden des Zeitlohnes eines Waldarbeiters mit Forstfacharbeiterprüfung“. Das FA erkannte die Steuerbefreiung für die Tagesgelder nicht an, weil die Arbeiter keinen inländischen Familienwohnsitz aufwiesen, die Tagesgelder pauschal mit von § 5 Abs 5 des Kollektivvertrages abweichenden (höheren) Beträgen ausbezahlt wurden und eine Dienstreise dann nicht vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses bewusst außerhalb der üblichen Entfernung von seinem Familienwohnsitz wählt.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH beschäftigt sich zu Beginn mit der Steuerbefreiung gem § 26 Z 4 EStG, welcher Tages- und Nächtigungsgelder für eine Dienstreise von den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ausnimmt, sofern eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz nicht zumutbar ist und die Gelder den Betrag von € 26,40 nicht übersteigen. Dieser Paragraf wird durch die Steuerbefreiung in § 3 Abs 1 Z 16b EStG ergänzt, welcher für gewisse Tätigkeiten auch dann eine Befreiung von Tages- und Nächtigungsgeldern vorsieht, wenn diese nicht aufgrund einer Dienstreise iSd § 26 Z 4 EStG gewährt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gem § 68 Abs 5 Z 16 EStG (zB einem Kollektivvertrag) zur Zahlung verpflichtet ist. Diese Unterscheidung ist wichtig, da eine Dienstreise iSd § 26 Z 4 EStG nach der stRsp des VwGH nur dann vorliegt, wenn nicht ein neuer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird. Durch die Tätigkeit in einem Forstgebiet über mehrere Wochen wird ein solcher Mittelpunkt der Tätigkeit im vorliegenden Fall begründet, wodurch eine Steuerfreiheit nur nach § 3 Abs 1 Z 16b EStG gegeben sein könnte.

In der Folge widmete sich der VwGH der Frage, ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV dem § 5 Abs 5 des Kollektivvertrages für gewerbliche Forstunternehmen entgegensteht, weil dieser einen ständigen inländischen Familienwohnsitz zur Gewährung von Tagesgeldern voraussetzt. Eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit liegt nicht nur bei direkten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer vor, sondern auch bei allen mittelbaren Diskriminierungen, die zum gleichen Ergebnis führen (vgl EuGH 10. 10. 2019, C-703/17, Krah, Rn 23). Eine solche mittelbare Diskriminierung kann dann vorliegen, wenn die große Mehrheit der grenzüberschreitenden Fälle von einer ungünstigen Regelung betroffen ist, während die große Mehrheit der Inlandsfälle nicht unter diese Begrenzung fällt (vgl EuGH 18. 6. 2019, C-591/17, Österreich/Deutschland, Rn 51). Der VwGH erachtete die Einschränkung der Tagesgelder auf das Vorliegen eines inländischen Familienwohnsitzes als eine solche mittelbare Diskriminierung, weshalb von einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auszugehen ist. Ein Rechtfertigungsgrund für diese Beschränkung war nicht ersichtlich und wurde auch vom FA nicht vorgebracht. Der VwGH bestätigte damit die Ansicht des BFG, wonach die im EU-Ausland gelegenen Familienwohnsitze der Forstarbeiter einem inländischen Familienwohnsitz gleichzustellen sind. Die Tagesgelder stehen daher auch ausländischen Forstarbeitern zu, die keinen inländischen Familienwohnsitz aufweisen.

Darüber hinaus widmet sich der VwGH jedoch auch noch anderen Fragen zu den Tagesgeldern der Forstarbeiter. So können kollektivvertragliche Tagesgelder nur dann (bis höchstens auf € 26,40) aufgestockt werden, wenn eine Dienstreise iSd § 26 Z 4 EStG vorliegt. Ist hingegen § 3 Abs 1 Z 16b EStG die anwendbare Steuerbefreiung, sind die steuerfreien Tagesgelder (zusätzlich) mit dem Anspruch laut Kollektivvertrag gedeckelt. Eine Dienstreise liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer „über Auftrag des Arbeitgebers“ an einem Ort arbeitet, der keine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz erlaubt. Arbeitet der Arbeitnehmer hingegen freiwillig außerhalb der üblichen Entfernung von seinem Familienwohnsitz, kann eine Dienstreise höchstens im Falle der Entsendung vom Firmensitz in das jeweilige Forstgebiet vorliegen (vgl auch VwGH 19. 2. 1992, 91/14/0212).

Zudem sind die Steuerbefreiungen gem § 3 Abs 1 Z 16b und § 26 Z 4 EStG davon abhängig, dass die betreffende Leistung des Arbeitgebers Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Reisetätigkeit ist (vgl VwGH 11. 1. 2021, Ra 2019/15/0163). Die Tagesgelder müssen sich daher immer auf konkrete Reisebewegungen beziehen, eine pauschale Abgeltung von Reisekosten ist nicht möglich. Im Gegensatz zur Meinung des FA führt die im vorliegenden Fall in pauschaler Höhe vorgenommene Abrechnung aus Sicht des VwGH jedoch nicht sofort zur Steuerpflicht aller Tagesgelder. Soweit aus den Aufzeichnungen des Arbeitgebers die genauen Reisezeiten, -zwecke und -ziele der Arbeiter hervorgehen, kann eine Ermittlung des tatsächlichen Anspruches auf Tagesgelder erfolgen. Dementsprechend sind die steuerbefreiten Tagesgelder lediglich um die nicht kollektivvertraglich vorgesehene Überzahlung zu kürzen.

Conclusio

Der VwGH stellt in seinem Erkenntnis klar, dass auch keine mittelbare Diskriminierung von ausländischen Forstarbeitern aufgrund eines Kollektivvertrages möglich ist. Das nationale Recht ist nur in jenem Ausmaß zu verdrängen, das gerade noch hinreicht, um einen unionskonformen Zustand herbeizuführen (vgl VwGH 19. 3. 2013, 2010/15/0065; 17. 4. 2008, 2008/15/0064). Im vorliegenden Fall war der geringste Eingriff, den Familienwohnsitz im EU-Ausland mit dem Familienwohnsitz im Inland gleichzustellen. Daher ist für die Anwendung von § 5 Abs 5 des Kollektivvertrages für gewerbliche Forstunternehmen lediglich eine Entfernung von 60 km zum Familienwohnsitz der Arbeiter im EU-Ausland notwendig.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35126 vom 29.02.2024