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(Teilweise) Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen auf das Gericht

Bearbeiter: Birgit Bleyer

Die Umsetzung dieser teilweisen Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen vom Gerichtshof auf das Gericht schließt sich an die Reform des Gerichtssystems der Europäischen Union und wird Vorabentscheidungsfragen betreffen, die ab dem 1. 10. 2024 vorgelegt werden

PRESSEMITTEILUNG Nr 125/24 des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. 8. 2024

Aus Gründen der Rechtssicherheit betrifft die Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen vom Gerichtshof auf das Gericht, das mit zwei Richtern pro Mitgliedstaat besetzt ist, nur sechs klar abgegrenzte Sachgebiete. Dem Gericht wird so die Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen übertragen, die ausschließlich in eines oder mehrere der folgenden sechs besonderen Sachgebiete fallen:

1.gemeinsames Mehrwertsteuersystem;
2.Verbrauchsteuern;
3.Zollkodex;
4.zolltarifliche Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur;
5.Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug- und Fahrgäste im Fall der Nichtbeförderung, bei Verspätung oder bei Annullierung von Transportleistungen;
6.System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.

Diese Sachgebiete werfen selten Grundsatzfragen auf, die die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts berühren könnten. Es gibt zu ihnen bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs, was es dem Gericht ermöglichen sollte, sich auf früher ergangene Urteile zu stützen. Diese Bereiche machen etwa 20 % der dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen aus, was eine ausreichend große Zahl von Rechtssachen darstellt, um eine tatsächliche Verringerung der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs zu bewirken. Der Gerichtshof wird damit in die Lage versetzt, sich stärker auf seine Aufgaben als Verfassungs- und Höchstgericht der Union zu konzentrieren.

Der Gerichtshof wird weiterhin zuständig sein für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen, die sich zwar den vorgenannten besonderen Sachgebieten zuordnen lassen, aber auch andere Bereiche betreffen. Er wird außerdem weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen zuständig sein, die zwar zu einem oder mehreren der besonderen Sachgebiete gehören, aber eigenständige Fragen der Auslegung (1) des Primärrechts einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, (2) des Völkerrechts oder (3) der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts aufwerfen. Darüber hinaus wird das Gericht auch Rechtssachen, die zwar in seine Zuständigkeit fallen, aber eine Grundsatzentscheidung erfordern, die die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts berühren könnte, zur Entscheidung an den Gerichtshof verweisen können.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Beschleunigung sind sämtliche Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof einzureichen, damit dieser nach den in seiner Verfahrensordnung festgelegten Modalitäten prüft, ob das Ersuchen ausschließlich in eines oder mehrere der festgelegten besonderen Sachgebiete fällt und ob es folglich dem Gericht zuzuweisen ist. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Transparenz werden der Gerichtshof bzw das Gericht in der Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen kurz begründen, weshalb er bzw es für die Entscheidung über eine Vorabentscheidungsfrage zuständig ist

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Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35833 vom 06.09.2024