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Umsatzsteuerbarkeit von Sachspenden: Vorstoß des deutschen Bundesfinanzministeriums

Bearbeiter: Annika Streicher

öUStG: § 3 Abs 2

dUStG: § 3 Abs 1b

Abstract

Spendet ein Unternehmen Waren an gemeinnützige Einrichtungen, ist dieser Vorgang steuerbar. In der Folge hat das Unternehmen Umsatzsteuer zu entrichten, was Sachspenden steuerlich unattraktiv macht und häufig zur ersatzweisen Vernichtung oder Entsorgung der Ware führt. Konsequenz ist eine unerwünschte Ressourcenverschwendung. Das deutsche Bundesfinanzministerium wagt einen Vorstoß.

dBMF Schreiben vom 18. 3. 2021 - III C 2 – S 7109/19/10002 :001, DOK 2021/0251308

Sachverhalt

Die Corona-Pandemie verändert unser Einkaufsverhalten: bedingt durch Lockdowns boomt das Onlineshopping. Viele Onlineshops liefern kostenfrei, wodurch das Bestellaufkommen zusätzlich steigt. Die Kunden behalten viele Waren jedoch nicht, sondern schicken sie – ebenso kostenfrei – an den Händler zurück. Für diesen lohnt es häufig nicht, die Ware wiederaufzubereiten (etwa Kleidung zu reinigen und zu bügeln) – sie wird entsorgt. Das führt zu einer gesellschafts- und umweltpolitisch unerwünschten Ressourcenverschwendung. Sinnvoller wäre es, die Waren an gemeinnützige Organisationen zu spenden, die diese für einen guten Zweck verwenden. Unternehmer werden von derartigen Sachspenden jedoch durch den Umstand abgeschreckt, dass diese als Entnahmeeigenverbrauch umsatzsteuerbar sind. Bemessungsgrundlage der Eigenverbrauchbesteuerung ist der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt der Entnahme. Das deutsche Bundesfinanzministerium ändert den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) und verringert in gewissen derartigen Fällen die Bemessungsgrundlage der Steuer.

Neuregelung im UStAE

Ab sofort ist bei Sachspenden zu unterscheiden zwischen der Spende von (a) Gegenständen mit fehlender oder eingeschränkter Verkehrsfähigkeit und (b) Gegenständen mit bestehender Verkehrsfähigkeit. Nicht verkehrsfähig sind verderbliche Lebensmittel, die kurz vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder aufgrund anderer Mängel nicht mehr verkaufsfähig sind. Auch Non-Food-Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum (zB Kosmetik) gelten als nicht mehr verkehrsfähig. Eingeschränkt verkehrsfähig sind Gegenstände, die aufgrund von erheblichen Material- oder Verpackungsfehlern (zB Falschetikettierung) oder fehlender Marktgängigkeit (zB saisonale Ware) nicht mehr oder nur schwer verkäuflich sind. Bei Waren mit eingeschränkter oder fehlender Verkehrsfähigkeit kann eine reduzierte Bemessungsgrundlage angesetzt werden, die bis zu EUR 0 betragen kann – das jedoch nur bei komplett wertloser Ware (Lebensmittel und Non-Food-Artikel mit erreichtem MHD, nicht verkaufsfähige Frischwaren).

Bei Gegenständen mit bestehender Verkehrsfähigkeit hingegen bleibt Maßstab für die Bemessungsgrundlage der fiktive Einkaufspreis. Ein Gegenstand ist nicht allein deshalb eingeschränkt verkehrsfähig, weil Neuware ohne jegliche Beeinträchtigung aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen aus dem Warenverkehr ausgesondert wird. Auch die Tatsache, dass Waren sonst vernichtet würden, zB wegen beschädigter Verpackung oder Verschmutzung, führt für sich genommen nicht zu eingeschränkter Verkehrsfähigkeit. Im Ergebnis profitieren Unternehmen, die Waren der Kategorie a spenden, von dieser Änderung. Für Unternehmen, die Waren der Kategorie b spenden, ändert sich nichts. Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Conclusio

Auch in Österreich gelten Sachspenden aus dem Unternehmensvermögen als Entnahme und sind gem § 4 Abs 8 lit a öUStG mit dem fiktiven Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Entnahme zu versteuern. Lediglich bei der Spende von Lebensmitteln kann eine Bemessungsgrundlage von Null angesetzt werden. Folglich sind Sachspenden aus dem Unternehmensvermögen in Österreich steuerlich unattraktiver als in Deutschland. Die Steuerweiterleitung gem § 12 Abs 15 öUStG ist eine Möglichkeit, die umsatzsteuerliche Last beim spendenden Unternehmen zu verringern, jedoch wirkt diese nicht in allen Fällen (s dazu ausführlich Mittendorfer/Pollak/Siller/Streicher, Umsatzsteuer bei Sachspenden im Versandhandel, RdW 2020, 626 ff). Gesellschafts- und umweltpolitisch ist eine Entwicklung wie in Deutschland sicherlich auch für Österreich wünschenswert.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30943 vom 27.05.2021