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Unfallversicherung - Risikoausschluss für Luftfahrzeugführer

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: §§ 914 f

AUVB 2006: Abschnitt K Z 1.1.

Nach den vorliegenden Versicherungsbedingungen einer Unfallversicherung besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle der versicherten Person ua als Luftfahrzeugführer (auch Luftsportgeräteführer), soweit sie nach Österreichischem Recht dafür eine Erlaubnis benötigt (Abschnitt K Z 1.1. der AUVB 2006).

Bei Verwendung eines Gleitschirms ist der Versicherungsnehmer als Luftfahrzeugführer (Luftsportgeräteführer) iSd Abschnitts K Z 1.1. der AUVB 2006 zu beurteilen und von diesem Risikoausschluss umfasst.

Luftfahrzeugführer ist man vom Start bis zur folgenden Landung. Demnach gehört auch der Vorgang des Verlassens des Luftfahrzeugs noch zu dessen Verwendung, können doch auch damit ganz spezifische Gefahren verbunden sein. Der Flug und damit die Funktion eines Luftfahrzeugführers kann erst dann als beendet angesehen werden, wenn das Luftfahrzeug so verlassen worden ist, dass auch die unmittelbar mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren beendet sind. Daher führt hier bei der Verwendung eines Gleitschirms nicht schon eine Notlandung oder das Zusammenlegen des Gleitschirms, sondern erst das „Erreichen festen Bodens“ zur Beendigung der flugtypischen Gefahren und damit zum zeitlichen Ende des Risikoausschlusses nach Abschnitt K Z 1.1.

OGH 31. 8. 2016, 7 Ob 120/16x

Sachverhalt

Der Kl verlor bei einem Gleitschirmflug aufgrund von Turbulenzen an Höhe und entschloss sich deshalb zu einer (Not-)Landung. Mangels anderer Alternativen (zB freies Feld) steuerte er den Wipfel einer ca 40 m hohen Tanne an und landete auf ihr unverletzt. Der Kl befürchtete, dass der von ihm informierte Rettungsdienst mit dem Hubschrauber kommen werde und durch den Luftwirbel den Gleitschirm aus der Tanne herausreißen und beschädigen könnte. Aus diesem Grunde fasste der Kl den Entschluss, die Tanne nach unten zu klettern. Nachdem er noch auf dem Wipfel der Tanne den Gleitschirm im Rucksack versorgt hatte, nahm er diesen auf seinen Rücken und begann den Baum hinunterzuklettern. Zu diesem Zeitpunkt war der Kl noch unverletzt. Vom Wipfel aus konnte der Kl nicht erkennen, dass die Tanne in ihrem untersten Bereich keine Äste aufwies. Er rutschte daher die letzten fünf bis sechs Meter den Stamm entlang hinunter, nachdem er zuvor den Rucksack (Gewicht mit Gleitschirm 15 bis 16 kg) zur Seite geworfen hatte. Beim Aufkommen auf dem Boden verletzte er sich am rechten Fuß. Der Kl erlitt bei diesem Vorfall einen Bruch des rechten Sprungbeins, des rechten Fersenbeins sowie des ersten und zweiten Lendenwirbels. Im Fall der Deckungspflicht der Bekl stünde dem Kl aus dem Titel der dauernden Invalidität (Dauerinvalidität von 24 % nach der Gliedertaxe bei einer Versicherungssumme von 101.169,09 €) eine Zahlung von 24.280,58 € zu.

Der Kl begehrt die Invaliditätsentschädigung von 24.280,58 € sA. Er sei, als er sich zum Hinunterrutschen am Baumstamm entschlossen habe, nicht mehr „Luftfahrzeugführer“ iSd Versicherungsbedingungen gewesen. Diese Funktion habe mit der verletzungsfreien Notlandung auf dem Baumwipfel, spätestens mit dem Einpacken des Gleitschirms geendet. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei er „Baumkletterer“ gewesen und der Vorfall hätte sich ebenso ereignet, wenn er zuvor die Tanne hinaufgeklettert wäre.

Die Bekl beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Es sei der Risikoausschluss nach Abschnitt K Z 1.1. der AUVB 2006 verwirklicht.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.

Entscheidung

(Zivil-)Luftfahrzeug

Nach § 11 Abs 1 LuftfahrtG sind Luftfahrzeuge Fahrzeuge, die sich zur Fortbewegung von Personen oder Sachen in der Luft ohne mechanische Verbindung mit der Erde eignen, gleichgültig, ob sie schwerer als Luft (zum Beispiel Flugzeuge, Segelflugzeuge, Hänge- oder Paragleiter, Schwingenflugzeuge, Hubschrauber, Tragschrauber und Fallschirme) oder leichter als Luft (zum Beispiel Luftschiffe und Freiballone) sind. Ein Gleitschirm ist ein (Zivil-)Luftfahrzeug iSd § 11 Abs 1 LuftfahrtG, das im Fluge nur verwendet werden darf, wenn von der Austro Control GmbH oder von einer aufgrund einer Übertragung gem § 140b LuftfahrtG zuständigen Behörde durch eine öffentliche Urkunde die Voraussetzungen nach § 12 Abs 1 Z 2 und 3 LuftfahrtG bestätigt worden sind, wie der OGH ausführte. Der Kl war daher bei der Verwendung seines Gleitschirms Luftfahrzeugführer (Luftsportgeräteführer) iSd Abschnitts K Z 1.1. der AUVB 2006.

Risikoausschluss

Der Zweck des (sekundären) Risikoausschlusses nach Abschnitt K Z 1.1. besteht - so der OGH - für jeden durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer darin, den Versicherungsschutz für Personen dann auszuschließen, wenn diese über die für einen bloßen Fluggast bestehenden allgemeinen Risiken des Luftverkehrs hinaus noch berufsbedingt oder freiwillig iZm dem Luftsport zusätzlichen Gefahren ausgesetzt sind (vgl Bruck/Möller, VVG9, AUB 2008 Z 5.1.4 Rn 2).

Luftfahrzeugführer ist man vom Start bis zur folgenden Landung (BGH IVa ZR 32/82, VersR 1984, 155; Bruck/Möller, VVG9, AUB 2008 Z 5.1.4 Rn 5). Demnach gehört auch der Vorgang des Verlassens des Luftfahrzeugs noch zu dessen Verwendung (vgl Bruck/Möller, VVG9, AUB 2008 Z 5.1.4 Rn 14), können doch auch damit - wie der zu beurteilende Unfall anschaulich zeigt - ganz spezifische Gefahren verbunden sein.

Der Flug und damit die Funktion eines Luftfahrzeugführers kann - wie der OGH weiters ausführte - erst dann als beendet angesehen werden, wenn das Luftfahrzeug so verlassen worden ist, dass auch die unmittelbar mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren beendet sind (vgl jüngst 7 Ob 37/16s, RdW 2016/339 zum Verlassen eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Lenkerversicherung). Daher führt hier bei der Verwendung eines Gleitschirms nicht schon eine Notlandung oder das Zusammenlegen des Gleitschirms, sondern erst das „Erreichen festen Bodens“ zur Beendigung der flugtypischen Gefahren und damit zum zeitlichen Ende des Risikoausschlusses nach Abschnitt K Z 1.1.

Die Ansicht des Kl, es habe sich nicht eine unmittelbar mit dem Flug verbundene, sondern nur die nicht flugtypische Gefahr des „normalen“ Baumkletterers verwirklicht, erachtete der OGH als unzutreffend. Bei verständiger Betrachtung ergebe sich vielmehr, dass der Kl ohne die flugbedingte Notlandung weder den Baumwipfel erreicht hätte noch in die Verlegenheit gekommen wäre, einen ca 5 m langen Abstieg (ein Abrutschen) über einen dort astlosen Baumstamm zu wagen.

Keine Deckungspflicht

Die Vorinstanzen hatten somit nach Auffassung des OGH zu Recht den Risikoausschluss nach Abschnitt K Z 1.1. bejaht und folglich die Deckungspflicht der Bekl verneint.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22433 vom 11.10.2016