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Unlauterer Wettbewerb - Besitzstörung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UWG: § 1, § 1a, § 14

Ein Eingriff in Ausschließlichkeitsrechte, der keine amtswegige Ahndung nach sich zieht und keine schützenswerten Belange der Allgemeinheit betrifft, kann grundsätzlich nicht als unlautere Geschäftspraktik (in der „Fallgruppe des unlauteren Rechtsbruchs“) geltend gemacht werden. Eine Verletzung des Eigentumsrechts Dritter ist kein amtswegig zu verfolgender Rechtsbruch und es kann daraus keine Unlauterkeit iSd § 1 UWG abgeleitet werden. Nichts anderes kann für die Störung eines bloßen Rechtsbesitzes gelten, weil auch diese nicht amtswegig verfolgt wird, sondern von dem in seinem Besitz Gestörten mit Besitzstörungsklage geltend gemacht werden müsste. Entsprechendes gilt für eine unerlaubte Selbsthilfe, weil diese ihrerseits verbotene Eigenmacht und damit Besitzstörung bedeutet (hier: Vertrag mit Konsumenten über Lieferung von Flüssiggas und Vermietung der dazugehörigen Tanks - Anbringung von Schlössern an den Tanks, wenn der Mieter die Tanks vertragswidrig mit Flüssiggas eines Mitbewerbers befüllt hat).

An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, dass - wie hier - keine Mitbewerberin, sondern eine Amtspartei nach § 14 Abs 1 Satz 2 UWG einschreitet (hier: Arbeiterkammer). Diese Klagebefugnis verschafft der Amtspartei nur die Möglichkeit, in den Fällen der §§ 1, 1a, 2, 2a und 9c UWG die entsprechenden Ansprüche geltend zu machen. Ihr Einschreiten hat aber nicht zur Folge, dass diese Bestimmungen deshalb inhaltlich anders zu beurteilen wären als bei der Klage eines Mitbewerbers.

OGH 20. 4. 2016, 4 Ob 75/16g

Sachverhalt

Die bekl P vertreibt Flüssiggas an Privat-, Gewerbe- und Industriekunden in Österreich und vermietet dazu auch die Tanks an ihre über 10.000 (Privat-)Kunden. Um zu verhindern, dass die Kunden die Tanks mit Flüssiggas dritter Anbieter füllen, brachte die Bekl am jeweiligen Tank ein Füllschloss an, wenn er von dritter Seite befüllt worden war. Ua erfolgte dies Anbringung auch ohne Zustimmung des Kunden. Verweigerte ein Kunde den Zutritt, stellte die Bekl in einem Schreiben (vom 3. 12. 2014) an den Kunden die ordentliche Kündigung des Liefervertrags in Aussicht.

Die klagende AK brachte in ihrer Klage vor, die bekl P habe durch das konsenslose Anbringen von Schlössern (bzw den entsprechenden Versuch) die Privatkunden in deren ruhigen Besitz gestört (bzw habe dies versucht); dieses Verhalten der bekl P sei auch als aggressive Geschäftspraktik nach § 1a UWG zu qualifizieren. Auch die Androhung, den Vertrag zu kündigen und die Herausgabe des Tanks zu verlangen, wenn die Konsumentin nicht spätestens im darauf folgenden Frühjahr Flüssiggas bei der bekl P beziehe, sei eine aggressive Geschäftspraktik iSd § 1a Abs 1 UWG. Es bestehe kein Handelsbrauch, wonach vermietete, stationäre Flüssiggastanks aus Sicherheitsgründen nur vom Tankeigentümer befüllt werden dürften; es bestehe lediglich ein Handelsbrauch, wonach die in Österreich tätigen Flüssiggasunternehmen vertraglich die Vermietung mit der ausschließlichen Flüssiggasbelieferung durch den Vermieter verbinden würden. Daraus sei kein allgemeines „Fremdbefüllungsverbot“ abzuleiten.

Anders als vor den Vorinstanzen blieb die Klage vor dem OGH erfolglos.

Entscheidung

Ein „unlauterer Rechtsbruch“ aufgrund der Besitzstörung bzw Selbsthilfe wurde vom OGH - wie im Leitsatz ersichtlich - verneint.

Keine aggressive Geschäftspraktik

Der OGH sah auch keinen Verstoß gegen § 1a Abs 1 UWG (aggressive Geschäftspraktik):

§ 1a UWG setzt voraus, dass ein Marktteilnehmer in seiner Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit eingeschränkt wird. § 1a UWG schützt die Freiheit eines Marktteilnehmers, sich anders zu entscheiden oder zu verhalten, als vom Unternehmer gewollt (4 Ob 34/14z, LN Rechtsnews 17912 vom 27. 8. 2014). Dabei müssen freilich (zulässige) Beschränkungen dieser Wahlfreiheit, die auf vertraglichen Vereinbarungen beruhen, mitberücksichtigt werden.

Zur Klärung des Nutzungsumfangs kann hier nicht auf jenen Handelsbrauch zurückgegriffen werden, nach dem die Vermietung von Flüssiggastanks durch den Flüssiggaslieferanten mit einer Alleinbezugsverpflichtung des Mieters bezüglich Flüssiggas für diesen Tank verknüpft ist (RIS-Justiz RS0106037), weil unternehmerische Bräuche auf Nichtunternehmer nur ausnahmsweise anwendbar sind (dh bei Verweis auf einen Handelsbrauch in gesetzlichen Bestimmungen, vertraglicher Vereinbarung oder Entwicklung unternehmerischer Bräuche zur allgemeinen Verkehrssitte). Ein Ausnahmefall lag hier nicht vor.

Ob die Kunden der bekl P befugt sind, gemietete Tanks mit fremdem Gas zu befüllen, musste im vorliegenden Fall somit in erster Linie durch Auslegung der entsprechenden Verträge geklärt werden und der OGH ging (auch aufgrund der entsprechenden Behauptungs- und Beweislast der kl P) bei der weiteren Beurteilung davon aus, dass die Kunden der bekl P bei einem Miettank ein Fremdbefüllungsverbot zu beachten haben.

Ein bestehendes Fremdbefüllungsverbot schließt - so der OGH - § 1a UWG zwar per se nicht aus, weil diese Norm auch solche aggressiven Handlungen erfasst, die sich auf die Durchsetzung tatsächlich bestehender Ansprüche beschränken, was sich auch aus UWG Anh Z 25 ergibt, dessen Anwendung die Vorinstanzen hier zu Recht verneint haben (kein Eingriff in das Hausrecht).

Die beanstandete geschäftliche Handlung muss aber geeignet sein, die Rationalität der Entscheidung der Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten zu lassen, wobei alle Umstände des konkreten Falls im Rahmen einer Interessenabwägung zu beurteilen sind. Je größer der vom Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu befürchtende Nachteil ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit auszugehen. Daher muss das eingesetzte Mittel von einer gewissen Intensität oder Nachhaltigkeit sein.

Diese Interessensabwägung schlägt hier zu Gunsten der bekl P aus: Untersagte man der bekl P die Anbringung eines Füllschlosses, wäre sie gehalten, ein vertragskonformes Tankverhalten von über 10.000 Kunden nicht nur zu überwachen, sondern auch Beweise für eine vertragswidrige Fremdbetankung zu sammeln. Das Anbringen von Füllschlössern ist daher gegenüber einer allfälligen Massenklagsführung nicht nur für die bekl P, sondern auch für die betroffenen Verbraucher die wirtschaftlich sinnvollere und billigere Variante.

Schließlich sind bei einer Fremdbetankung auch Sicherheitsrisken nicht auszuschließen, zumal einige Mitbewerber fremde Miettanks ungeachtet fehlender TÜV-Plaketten befüllen. Die von Flüssiggasunternehmen gewarteten (Miet-)Tanks sind in einem besseren technischen Zustand als Eigentanks. Die höhere Sicherheit nützt hier sowohl der bekl Tank-Eigentümerin als auch deren Kunden, bei deren Häusern sich die Tanks jeweils befinden.

Demgegenüber sind die Interessen des Verbrauchers, das Gas fremder Anbieter möglicherweise günstiger zu erwerben und entgegen vertraglicher Verpflichtungen in den Miettank füllen zu lassen, von insgesamt untergeordneter Bedeutung.

Ankündigung der ordentlichen Kündigung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der bekl P das Recht zusteht, den Liefervertrag (ordentlich) aufzukündigen. Die Vorinstanzen haben zu Recht auch die Ankündigung der Kündigung als solche nicht beanstandet, muss es einem Vertragspartner doch immer unbenommen bleiben, eine rechtlich zulässige Kündigung in Aussicht zu stellen, zumal die Ausübung von Rechten nicht als aggressive Geschäftspraktik gilt (ErläutRV 144 BlgNR 23. GP, 4).

Als aggressive Geschäftspraktik qualifizierten die Vorinstanzen die Ankündigung der ordentlichen Kündigung jedoch deshalb, weil die Kündigung davon abhängig gemacht wurde, ob die angesprochene Kundin bei der bekl P Gas bestellt. Der OGH sah jedoch in der Formulierung des Schreibens weder eine „unsachliche Argumentation“ (ErstG) noch eine „Ausnutzung einer Machtposition“ (BerufungsG). Vielmehr liegt darin seiner Ansicht nach eine angemessene Reaktion auf den Umstand, dass die Kundin seit Jahren nicht mehr bei der bekl P tankt und den Miettank der bekl P mit fremdem Gas befüllen ließ.

Die angekündigte Rechtsausübung stand nach Auffassung des OGH auch nicht außerhalb der Mittel-Zweck Relation: Für die Kundin der bekl P lag im „angedrohten“ Ende des Vertragsverhältnisses kein „Übel“, das sie unzulässig unter Druck setzte, bedenkt man, dass sie seit Jahren ohnedies keine Bestellung bei der bekl P getätigt hatte und daher von deren Gas nicht abhängig ist. Dass die bekl P mit dem Schreiben bezweckte, weitere Bestellungen bei ihrer Kundin zu erreichen, ist ebenfalls nicht unzulässig, sondern entspricht dem normalen Verhalten marktwirtschaftlich orientierter Unternehmen.

Durch das Schreiben wurde die Kundin in ihrer Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit somit nicht beeinträchtigt, bestand für sie doch die freie Wahl, bei einem anderen Gaslieferanten zu bestellen, wodurch es auch zu einer formellen Beendigung des Liefervertrags kommen würde. Alternativ konnte sie das angekündigte „gute Angebot“ in Ruhe prüfen und sich frei entscheiden, wieder bei der bekl P zu bestellen. Die bekl P bediente sich dabei keines unzulässigen Drucks, in ihrem Verhalten liegt weder eine Nötigung, Belästigung oder unzulässige Beeinflussung, weshalb auch hier § 1a UWG zu verneinen ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21886 vom 29.06.2016