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Unzulässige Direktvergabe – Beweislast für Erfüllungsinteresse

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2006: § 337

Hier liegt die Rechtswidrigkeit (unstrittig) in der Direktvergabe des Auftrags ohne Durchführung des gebotenen Ausschreibungsverfahrens. Damit besteht der Rechtsverstoß der Bekl „in der Wurzel“ der gewählten Vergabeart, nämlich darin, dass die Bekl trotz des bereits „seiner Art nach“ rechtswidrigen (Direkt-)Vergabeverfahrens einem Mitbewerber den „Zuschlag“ erteilte; bei rechtskonformem Verhalten hätte sie die Direktvergabe unterlassen müssen und den Auftrag erst nach Durchführung der gebotenen Ausschreibung vergeben dürfen. Auch in diesem Fall steht der Ersatz des – von der Kl primär begehrten – Erfüllungsinteresses allerdings nur dann zu, wenn der Vertrag ohne Pflichtverletzung zustande gekommen wäre, der Kl nach Durchführung der erforderlichen Ausschreibung also der Zuschlag erteilt werden hätte müssen; dies ergibt sich sowohl aus § 337 Abs 3 BVergG 2006 als auch aus allgemeinen Kausalitätserfordernissen.

Dass die Kl auch in diesem Fall diesbezüglich die Behauptungs- und Beweislast trifft, entspricht nicht nur dem allgemeinen Grundsatz, wonach den Geschädigten die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass sein Schaden durch das rechtswidrige Verhalten der bekl P verursacht wurde, sondern auch der stRsp des OGH zu Verstößen gegen vergaberechtliche Vorschriften. Dass der Beweis nicht leicht zu erbringen ist, hat den OGH in seiner bisherigen Judikatur nicht zu einem Abgehen von seiner stRsp betr Behauptungs- und Beweislast der kl P veranlasst. Jedenfalls wäre von der Kl zu erwarten gewesen, dass sie dazu zumindest „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ Vorbringen erstattet. Dass der europarechtliche „Effektivitätsgrundsatz“ Erleichterungen für den Nachweis der Kausalität des Vergaberechtsverstoßes für den Schaden des übergangenen Mitbewerbers erfordern würde, kann der RechtsmittelRL (RL 89/665/EWG) nicht entnommen werden.

Der begehrte Ausgleich für den „Verlust der Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ ist auch nicht vergleichbar mit einem Fall der Verhinderung des besseren Fortkommens einer natürlichen Person aufgrund einer „Verunstaltung“ (§ 1326 ABGB). Auch wenn man den Zweck des § 1326 ABGB darin sähe, dass dem Verunstalteten ein „Trostpflaster“ zukommen soll, kann kein Zweifel bestehen, dass auch ein solches Verständnis – mangels vergleichbarer Beeinträchtigung – eine analoge Anwendung auf den vorliegenden Fall verbietet.

OGH 23. 3. 2021, 1 Ob 226/20x

Hinweis:

Im vorliegenden Fall war noch das BVergG 2006 anzuwenden.

Entscheidung

Keine Beweiserleichterung

Außerhalb des „Sektorenbereichs“ sowie für Ersatzansprüche über den Ersatz der Kosten der Vorbereitung eines Angebots oder der Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren hinaus (insbes für den – hier begehrten – Ersatz des Erfüllungsinteresses), hielt der Europäische Richtliniengeber eine Beweiserleichterung für nicht erforderlich, sondern überließ die Ausgestaltung der Durchsetzung des Ersatzanspruchs dem nationalen Gesetzgeber. Für das österreichische Recht wurde die Vorgabe des Art 2 Abs 7 SektorenRL (RL 2014/25/EU) in § 337 Abs 2 BVergG 2006 zwar für alle Vergabeverfahren (also nicht nur für den „Sektorenbereich“) übernommen (vgl Holoubek, ZfV 1998, 592 [602]; Öhler, Rechtsschutz 214), allerdings – ebenso wie in der RL – auf den Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Teilnahme am Vergabeverfahren begrenzt, sodass sich daraus keine Beweiserleichterung für den begehrten Ersatz des Nichterfüllungsschadens ergibt.

Chance zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren

Der hilfsweise Ersatzanspruch (Ersatz des Nachteils durch den „Verlust der Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“; hier „pauschal“ mit 19.000 € bewertet) ergibt sich auch weder aus „allgemeinen Prinzipien des österreichischen Schadenersatzrechts“ noch aus dem europarechtlichen „Effektivitätsgrundsatz“. Davon, dass das österreichische Schadenersatzrecht in diesem Zusammenhang insgesamt nicht ausreichend effektiv wäre, kann keine Rede sein. Letztlich hätte die Rechtsansicht der Kl die Konsequenz, dass jeder potenzielle Anbieter das volle Erfüllungsinteresse verlangen könnte, wenn er darlegen kann, dass er sich an einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren beteiligt hätte und dort nicht ganz chancenlos gewesen wäre. Dies ginge über einen „ausreichend effektivenRechtsschutz weit hinaus.

Verfahrenskosten

Nach § 11 Abs 3 erster Satz des hier anzuwendenden Wr Vergaberechtsschutzgesetzes 2014 (LGBl 2013/37) „hat die Antragstellerin [...] die Durchführung einer Verhandlung zu beantragen“. Wann dies zu geschehen hat, wird nicht explizit normiert. § 11 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 ist § 24 VwGVG nachgebildet, worin ausdrücklich vorgesehen ist, dass der Bf die Durchführung einer Verhandlung schon in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragen muss. Dies legt nahelegt, dass auch im Verfahren nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 ein solcher Antrag vom Antragsteller nur in seinem verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellt werden kann.

Ausgehend von diesem – zumindest vertretbaren – Verständnis des § 11 Abs 3 Wr Vergaberechtsschutzgesetz 2014 kann es der Kl aber nicht als Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht angelastet werden, dass sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits zu Verfahrensbeginn beantragt hat. Da die Kl ihre Anträge auf Durchführung einer Verhandlung in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht mehr einseitig zurückziehen konnte (vgl § 11 Abs 3 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014), war ihre Teilnahme an diesen zweckmäßig, auch wenn sie – wie hier von der bekl P behauptet - in den Verhandlungen jeweils nur auf ihr bisheriges Vorbringen verwies. Die Bekl hat ihr daher die dafür aufgewendeten Kosten zu ersetzen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31107 vom 29.06.2021