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Urheberrechtliche Exklusivlizenzen für UEFA-Champions-League

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV: Art 56, Art 101

UrhG: § 4, § 81

Aus dem Urteil EuGH C-429/08, Murphy (= jusIT 2012/21), ergibt sich, dass die Erteilung von territorialen Exklusivlizenzen im Urheberrecht weiterhin zulässig bleibt. Einem Rundfunkunternehmer ist es daher grundsätzlich nicht verboten, Verträge über den Erwerb von exklusiven territorialen Lizenzen abzuschließen. Die Beschränkungen dürfen nur keine absolute gebietsabhängige Exklusivität vorsehen, wenn damit jeglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkunternehmern ausgeschaltet und nationale Märkte abgeschottet werden.

Eine Verletzung des unionsrechtlichen Primärrechts hängt entscheidend vom Inhalt der entsprechenden Lizenzvereinbarungen ab.

Ob sich eine nationale Regelung (im Anlassfall: der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch zur Durchsetzung eines exklusiven Rechts aus einer Lizenzvereinbarung) mit dem Unionsrecht vereinbaren lässt, ist grundsätzlich als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen. Ist die Zulässigkeit aber – wie hier – von tatsächlichen Umständen (insbesondere zur Ausgestaltung der Lizenzvereinbarungen) abhängig, so hat sich diese Prüfung an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft die Bekl die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt.

OGH 25. 1. 2022, 4 Ob 219/21s

Sachverhalt

Die kl P ist ein Pay-TV-Anbieter in Österreich und bietet die Übertragung von Fernsehprogrammen an, darunter auch Live-Übertragungen von Fußballspielen (etwa der deutschen und österreichischen Bundesliga). Für das Lizenzgebiet Österreich hat die kl P von der UEFA für die Spielzeit 2018/19 bis einschließlich 2020/21 hinsichtlich der Spiele der UEFA-Champions-League das exklusive Recht der Übertragung und auch der Aufführung in öffentlich zugänglichen Lokalen (Bars, Restaurants, etc) erworben.

Die erstbekl P betreibt in Linz ein Gasthaus, das nahezu ausschließlich von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien frequentiert wird und in dem die Heimatsprachen der Gäste gesprochen wird, aber kaum Deutsch. In der Spielzeit 2020/21 der UEFA-Champions-League führte die Erstbekl ohne Bewilligung der Kl die Übertragung eines Fußballspiel auf, das in das Exklusivrecht der Kl fiel. Die Übertragung erfolgte in einer „Balkansprache“ (bosnisch, serbisch, kroatisch), aber mit dem identen Bildmaterial. Die Erstbekl bediente sich dabei über das Internet eines Senders („B* TV“; im Folgenden nur mehr: Drittanbieter), dessen Kundin sie ist. Dieser Drittanbieter hatte mit der UEFA einen Vertrag abgeschlossen, der ihn (nur) berechtigt, die Spiele der UEFA-Champions-League in Bosnien-Herzegowina auszustrahlen. Der Drittanbieter bietet sein sonstiges Programm für die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens an; eine Ausstrahlung in Österreich ist nicht vorgesehen.

Die Kl stellte ua ein Unterlassungsbegehren, dem der OGH - anders als die Vorinstanzen – stattgab. Im Umfang des Klagebegehrens auf Zahlung und auf Urteilsveröffentlichung hob der OGH die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem ErstG die neuerliche Entscheidung auf.

Entscheidung

Unterlassungsanspruch

Die Aktivlegitimation der Kl wurde zutreffend bejaht.

Aus dem Vorbringen der Bekl lässt sich nicht ableiten, inwieweit nach dem Inhalt der entsprechenden Lizenzverträge iSd Rsp des EuGH die nationalen Märkte nach den nationalen Grenzen abgeschottet werden sollen (vgl EuGH C-429/08, Murphy, Rn 115 und 139, jusIT 2012/21; EuGH C-132/19, Groupe Canal+, Rn 84).

Mit ihrer Bezugnahme auf die Lizenzrechten, die dem Drittanbieter in Bosnien-Herzegowina (also in einem Drittstaat) eingeräumt wurden und die dieser in Österreich nach dem Lizenzvertrag nicht ausüben darf (und auch nicht ausübt), haben die Bekl weder eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb des Binnenmarkts aufgezeigt noch einen Verstoß gegen Art 101 AEUV, der den Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen oder eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken bzw bewirken könnte.

Im Anlassfall haben die Bekl auch weder behauptet noch bewiesen, dass dem Drittanbieter in Österreich die Erbringung einer Dienstleistung verweigert wurde, die er in einem anderen Mitgliedstaat erbringen darf.

Das Tatsachenvorbringen zu den Einwänden der Bekl trägt damit keinen Ausschluss des nationalen Unterlassungsanspruchs aus Gründen des unionsrechtlichen Primärrechts.

Damit scheidet auch eine Bezugnahme auf eine verfassungsrechtlich bedenkliche (und letztendlich vom VfGH zu beurteilende) Inländerdiskriminierung aus. Für die Prüfung einer solchen Inländerdiskriminierung ist nämlich auf eine „unionsrechtliche Vergleichsperson“ oder darauf abzustellen, ob der Inländer in einem Mitgliedstaat der Union zu jenen Dienstleistungen befugt wäre, die einem Betreiber aus einem anderen Mitgliedstaat wegen der Berufung auf die Grundfreiheiten im Inland zu gewähren sind (RS0130628). Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor.

Den geltend gemachten Ansprüchen können somit keine unionsrechtlichen Einwände entgegengehalten werden und die angefochtene Entscheidung war dahin abzuändern, dass dem Unterlassungsanspruch stattzugeben war.

Angemessenes Entgelt

Der Kl ist wegen des Eingriffs in ihre exklusiven Werknutzungsrechte grundsätzlich berechtigt, ein angemessenes Entgelt nach § 86 Abs 1 Z 1 UrhG zu fordern.

Zur Bestimmung eines angemessenen Entgelts fehlen jegliche Feststellungen, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Punkt aufzuheben waren. Das ErstG wird unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rsp die Sachverhaltsgrundlage entsprechend zu verbreitern haben, um über den Zahlungsanspruch entscheiden zu können.

Veröffentlichungsbegehren

Beim Veröffentlichungsbegehren ist ein Teilurteil (bezüglich des Unterlassungsbegehrens) nicht zweckmäßig, weil nach Vorliegen des Endurteils mit einer weiteren Veröffentlichung (bezüglich des Zahlungsbegehrens) zusätzliche Kosten verbunden wären, die bei einer gemeinsamen Veröffentlichung nicht anfallen (RS0079937 [T1]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32432 vom 25.04.2022