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USt-Pauschalisierung bei Landwirten

Bearbeiter: Andreas Ullmann

UStG: § 22

MWSt-Sys-RL: Art 296

Abstract

Der VwGH beschäftigt sich mit der Frage, ob es für die Anwendung der USt-Pauschalierung für Landwirte notwendig ist, dass die Anwendung des normalen Mehrwertsteuersystems den Steuerpflichtigen im konkreten Fall Schwierigkeiten bereiten würde.

VwGH 9. 10. 2020, Ro 2019/13/0025

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte ist Rechtsnachfolger einer GesBR, die in den Jahren 2013 bis 2015 im Weinbau tätig war. In diesem Zeitraum arbeitete die GesBR eng mit zwei weiteren, ebenfalls im Weinbau tätigen, GesBR zusammen. Außerdem waren die Gesellschafter aller drei GesBR an einer GmbH beteiligt, die die Vermarktung des Weins sowie einen großen Teil der Administration der GesBR übernahm. In den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2013 bis 2015 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer unter Anwendung der allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften fest. Zur Begründung führte es aus, dass eine Anwendung der USt-Pauschalierung in unionsrechtskonformer Interpretation von § 22 UStG nur dann zulässig sei, wenn die Anwendung des normalen USt-Systems dem Landwirt verwaltungstechnische Schwierigkeiten bereiten würde. Da im vorliegenden Fall die GmbH unter anderen die Buchhaltung der GesBR führte, sei diese faktisch in der Lage die Verwaltungskosten des normalen USt-Systems zu tragen. Die GesBR sah sich durch die Nichtanwendung der USt-Pauschalierung beschwert und legte Beschwerde gegen die Bescheide ein. Das BFG änderte die streitgegenständlichen Bescheide zugunsten des Mitbeteiligten ab, ließ jedoch die Revision an den VwGH zu.

Entscheidung des VwGH

§ 22 UStG enthält eine Pauschalierungsregelung für Unternehmer, die Umsätze im Rahmen eines land-oder forstwirtschaftlichen Betrieb ausführen. Die Bestimmung basiert auf Art 296 MwSt-Sys-RL. Demnach haben die Mitgliedsstaaten das Wahlrecht, landwirtschaftliche Erzeuger zu pauschalieren, wenn die Anwendung des normalen Mehrwertsteuersystems den Landwirten Schwierigkeiten bereiten würde.

In der Rs Nigl (C-340/15), welche ua die streitgeständliche GesBR betraf, hat der EuGH die Anwendungsvoraussetzungen der USt-Pauschalierung für Landwirte näher präzisiert. Die Pauschalierung soll jene Landwirte erfassen, denen der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Erhebung der Mehrwertsteuer Schwierigkeiten bereitet. Ist ein Landwirt jedoch, aufgrund der engen Verbindung zu einer Kapitalgesellschaft, faktisch in der Lage die Verwaltungskosten des normalen Mehrwertsteuersystems zu tragen, ist die Pauschalierung nicht anwendbar.

Die österreichische Umsetzung in § 22 UStG stellt hingegen nicht auf das Vorliegen von verwaltungstechnischen Schwierigkeiten ab. Voraussetzung für die Anwendung der Pauschalierung sind das Fehlen einer Buchführungspflicht nach §§ 124, 125 BAO sowie ein Jahresumsatz von maximal € 400.000.

Beide Voraussetzungen waren im gegenständlichen Verfahren erfüllt. Das Finanzamt verweigerte die Anwendung der Pauschalierung jedoch mit Verweis auf eine unionsrechtskonforme Interpretation von § 22 UStG.

Eine unionsrechtskonforme Interpretation setzt voraus, dass der Inhalt einer Rechtsnorm unbestimmt und daher auslegungsbedürftig ist. Nach Ansicht des VwGH war das im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall. § 22 UStG sieht lediglich zwei Tatbestandsmerkmale für die Anwendung der USt-Pauschalierung vor. Die zusätzliche Voraussetzung, dass die Anwendung des normalen Mehrwertsteuersystems den Landwirten Schwierigkeiten bereiten muss, findet im Wortlaut des § 22 UStG keine Deckung. Auch eine unmittelbare Anwendung der MwSt-Sys-RL kommt im gegenständlichen Fall nicht in Frage, da diese nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen erfolgen darf.

Der VwGH wies die Amtsrevision ab und bestätigte die Entscheidung des BFG.

Conclusio

Unterliegt ein Landwirt keiner steuerlichen Buchführungspflicht und erwirtschaftet er Umsätze von maximal € 400.000, so ist die Pauschalierung des § 22 UStG auf ihn anzuwenden. Die zusätzliche unionsrechtliche Voraussetzung, dass die Anwendung des normalen Mehrwertsteuersystems dem Landwirt Schwierigkeiten bereiten muss, ist nicht vom Wortlaut des § 22 UStG gedeckt und kann daher nicht durch eine richtlinienkonforme Interpretation hinzugefügt werden. Auch über den Anwendungsvorrang des Unionsrecht können die Voraussetzungen des § 22 UStG nicht ergänzt werden, da eine unmittelbare Anwendung der nichtumgesetzten RL-Bestimmung nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen erfolgen kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30451 vom 18.02.2021