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Wird einem Rechtsanwalt vorgeworfen, einen Verband nicht über den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) oder ein mögliches Vorgehen nach § 209a StPO (Kronzeugenregelung) belehrt zu haben, stehen der Strafanspruch des Staates und der Zweck der Verbandsgeldbuße einem auf deren Ersatz gerichteten Schadenersatzanspruch nicht entgegen:
Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehört auch, seinem Mandanten die Möglichkeiten der tätigen Reue und der Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung aufzuzeigen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann zu einer Schadenersatzpflicht des Anwalts führen, die auch die verhängte Verbandsgeldbuße umfasst. Das Argument, dass der Täter das Strafübel verspüren muss, um dem Präventionsgedanken des Strafrechts gerecht zu werden, gilt insoweit nicht, weil der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck bringt, unter bestimmten Voraussetzungen auf den Strafanspruch des Staats zu verzichten. Hier geht es daher nicht (mehr) um die Strafwürdigkeit der Tat, sondern um die Chance, die daraus resultierenden Konsequenzen im Nachhinein (durch tätige Reue, Kronzeugenstatus) zu beseitigen, um die die Kl hier durch die angebliche Fehlberatung durch die Bekl gebracht worden sein soll. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch des Geschädigten zu verneinen, um den Strafanspruch des Staats und die Zwecke der Strafe materiell aufrecht zu erhalten.
Freilich setzt ein Anspruch den Nachweis voraus, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtmäßigen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre, also die Verbandsgeldbuße mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht verhängt worden wäre, weil die Kl bei richtiger (vollständiger) Beratung durch die Bekl die Möglichkeit einer tätigen Reue oder des § 209a StPO ergriffen und auch die Voraussetzungen dafür erfüllt hätte. Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.
Sachverhalt
Über die (Rechtsvorgängerin der) Kl wurde im Jahr 2018 eine Verbandsgeldbuße nach dem VbVG verhängt, weil sich ihr Vorstand durch das Legen von Scheinrechnungen des Verbrechens der Untreue und des schweren Betrugs schuldig gemacht hatte.
Die Kl begehrt von der bekl Rechtsanwaltsgesellschaft wegen mangelhafter Beratung ua den (anteiligen) Ersatz der Verbandsgeldbuße. Ein Rechtsanwalt der Bekl habe ihr anlässlich der Ausstellung der Scheinrechnungen im Jahr 2007/2008 die Unbedenklichkeit dieser Vorgangsweise versichert. Darüber hinaus habe ihr die Bekl nach Bekanntwerden des Falls im Mai 2014 nicht zur tätigen Reue und zur Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung geraten. Bei entsprechender Beratung hätte die Kl diese Möglichkeiten aber mit Sicherheit ergriffen, um die strafgerichtliche Verurteilung mit allen nachteiligen Konsequenzen zu verhindern.
Das BerufungsG bestätigte die Abweisung des Teilbegehrens betr die Verbandsgeldbuße, weil gerichtlich verhängte Geldstrafen nicht ersatzfähig seien.
Der OGH gelangte zu dem Ergebnis, dass dieses Teilbegehren nicht von vornherein unschlüssig ist, und sprach aus, dass das Klagebegehren auch in Bezug auf die Verbandsgeldbuße nicht verjährt ist.