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Verbandsklage: AGB einer Bank

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

KSchG: § 6, § 28, § 29

Aufgrund einer Verbandsklage nach dem KSchG bewertet der OGH diverse Klauseln einer Bank als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG oder als Verletzung anderer Gesetzesvorschriften.

Schon das BerufungsG hat weiters im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der RL 2015/2366/EU (Zahlungsdienste-RL) eine teilweise Unterbrechung des Verfahrens beschlossen (Vorabentscheidungssuchen OGH 25. 1. 2019, 8 Ob 24/18i, Rechtsnews 27122 = RdW 2019/357; Schlussanträge des Generalanwalts C-287/19, Rechtsnews 29009 = RdW 2019/357).

OGH 29. 9. 2020, 9 Ob 19/20i

Entscheidung

In der Entscheidung hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

-Grundsätzlich gilt auch im Massengeschäft der Grundsatz pacta sunt servanda. Daher berechtigt die Verweigerung einer Vertragsänderung durch einen Vertragspartner den anderen Vertragspartner grundsätzlich auch hier nicht dazu, den Vertrag außerordentlich zu kündigen.
Durch das Erfordernis der „Wesentlichkeit“ ist die sachliche Rechtfertigung des außerordentlichen Kündigungsrechts iSd § 6 Abs 2 Z 1 KSchG somit nicht sichergestellt. Zwar räumt der Gesetzgeber dem Kunden (Zahlungsdienstnutzer) im ZaDiG (§ 29 Abs 1 Z 2 lit b ZaDiG bzw § 50 Abs 1 Z 2 lit b ZaDiG 2018) ein Recht zur fristlosen, also außerordentlichen Kündigung bei auch unwesentlichen Vertragsänderungen ein, die der Kunde nicht zu akzeptieren bereit ist. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es jedenfalls zulässig sei, der Bank in AGB zumindest bei Verweigerung einer wesentlichen Vertragsänderung durch den Kunden das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung einzuräumen.
-Gemäß § 36 Abs 1 ZaDiG hat der Zahlungsdienstnutzer bei der Nutzung eines Zahlungsinstruments die Bedingungen für dessen Ausgabe und Nutzung einzuhalten und unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale und das Zahlungsinstrument vor unbefugtem Zugriff zu schützen (ebenso nun § 63 Abs 3 ZaDiG 2018).
Die Einschränkung auf die Zumutbarkeit soll verhindern, dass aus § 36 ZaDiG bzw nunmehr § 63 ZaDiG 2018 „überspannte“ Verhaltenspflichten abgeleitet werden, die den Nutzer in seiner alltäglichen Bewegungsfreiheit unangemessen einschränken oder ihm sozialinadäquate Vorkehrungen abverlangen würden. Anhaltspunkte dafür, welche Sorgfaltspflichten im Einzelfall zumutbar sind, bietet die bisherige einschlägige Rsp des OGH. Danach ist für das Ausmaß der gebotenen Sorgfalt ein maßgerechter Durchschnittsmensch in der konkreten Lage des zu Beurteilenden maßgeblich, weil nur auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist. Es ist daher immer die Frage zu stellen, welche Maßnahmen ein durchschnittlich verständiger, aufmerksamer und sorgfältiger Kunde in der konkreten Situation ergriffen hätte, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor einem unbefugten Zugriff zu schützen.
Damit sind dem Verbraucher nicht alle Vorkehrungen auch unbedingt zumutbar, die grundsätzlich geeignet sind, den PIN-Code geheimzuhalten. Wie das BerufungsG richtig festhält, sind „geeignete Vorkehrungen“ und „zumutbare Vorkehrungen“ weder der allgemeinen Wortbedeutung nach noch im Kontext deckungsgleich, sondern ist der Begriff „geeignet“ jedenfalls weiter als „zumutbar“.
-Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 VKrG muss ein Vertrag über die Eröffnung eines laufenden Kontos, der dem Verbraucher die Möglichkeit der Überschreitung einräumt, Informationen über den Sollzinssatz enthalten, über die Bedingungen für die Anwendung des Sollzinssatzes, über Indizes oder Referenzzinssätze, die auf den anfänglichen Sollzinssatz Anwendung finden, über die vom Zeitpunkt einer Überschreitung an zu zahlenden Entgelte und gegebenenfalls über die Bedingungen, unter denen diese Entgelte geändert werden können. Die von § 24 Abs 1 Satz 1 VKrG angeordneten Informationen sind – argumento „Ein Vertrag … muss … enthalten“ – grundsätzlich in den Kontoeröffnungsvertrag selbst aufzunehmen. Sinn und Zweck dessen ist, dass der Kunde sich über diese ganz wesentlichen Aspekte problemlos bereits durch einen Blick in die Vertragsurkunde selbst Kenntnis verschaffen kann.
Dass sich die Information nur in einer Beilage zu der eigentlichen Vertragsurkunde findet (hier in der Konditionenübersicht), ist nicht hinreichend, selbst wenn diese in der Vertragsurkunde zu einem Bestandteil des Vertrags erklärt worden sein mag. Solches führte nämlich dazu, dass der Kunde sich letztlich die Informationen erst zusammensuchen müsste. Die Konditionenübersicht ist zudem regelmäßig nur ein Blatt, das relativ leicht in Verlust gerät.
-Die Gültigkeit einer Entgeltvereinbarung hängt im Anwendungsbereich des ZaDiG bzw ZaDiG 2018 von der Einhaltung der Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters zu einem Zeitpunkt ab, bevor der Zahlungsdienstnutzer durch einen Vertrag oder ein Vertragsangebot gebunden ist. Aus der vorliegenden Klausel ist nicht ersichtlich, dass der Zahlungsdienstnutzer der Vereinbarung der „Konditionenübersicht“ auch zustimmen und der Zahlungsdienstleister sämtliche Informationen bereitstellen muss, bevor der Zahlungsdienstnutzer gebunden ist, damit das Entgelt wirksam verrechnet werden kann.
Ein Verweis auf Preislisten an sich führt zwar noch nicht zur Intransparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG. Der bloße Verweis auf die vom Kreditinstitut in einem Preisaushang (hier: Konditionenübersicht) festgesetzten Entgelte genügt in diesem Zusammenhang aber nicht.
-Eine weitere Klausel erlaubt der Bekl hier, vom Karteninhaber für die Übermittlung der Kreditkartenabrechnungen die damit einhergehenden tatsächlichen Kosten zu verlangen. Entgegen der Bekl sind diese Kosten nicht unbedingt angemessen, nämlich dann nicht, wenn sich die Bekl zum Beispiel für die Postzustellung eines Dritten bedient, der ihr Kosten verrechnet, die weit über den marktüblichen Kosten liegen. Bei kundenfeindlichster Auslegung müsste der Karteninhaber auch solche Kosten ersetzen, weshalb diese Klausel jedenfalls gegen das Verbot des ZaDiG bzw ZaDiG 2018 verstößt, für die Übermittlung der Kreditkartenabrechnung dem Karteninhaber unangemessene Kosten zu verrechnen.
-Das Transparenzgebot gilt auch für die im Vertrag festgelegten Hauptleistungspflichten. Dies gilt auch für Entgelte iSd ZaDiG bzw ZaDiG 2018. Die Zahlungsdienste-RL ist zwar vollharmonisierender Natur, dies aber nur insoweit, als sie Regelungen enthält. Sie enthält aber gerade keine Regelungen bezüglich der AGB-Kontrolle allgemein und schon gar nicht bezüglich der Kontrollfähigkeit von Entgeltklauseln für Zahlungsdienste.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29910 vom 09.11.2020