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KSchG: § 6 § 28, § 29
Auf Basis der vorliegenden Verbandsklage wurden mehrere Klauseln in den AGB einer Bauträgerin als unzulässig beurteilt. Festgestellt wurden ua ein Verstoß der „Freistellungsvereinbarung“ gegen § 9 Abs 3, ein Verstoß gegen die „Ratenplanmethode“ iSd § 10 BTVG, der Verstoß einer Klausel betr die Zinsen auf dem Treuhand-Anderkonto gegen § 879 Abs 3 ABGB sowie einer Entgeltanpassungsklausel sowohl gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als auch § 4 Abs 3 BTVG.
Entscheidung
(Lasten-)Freistellung
Der Bauträger hat den Erwerber gem § 7 Abs 1 iVm § 1 Abs 2 BTVG zwingend gegen den Verlust der Zahlungen abzusichern, die diser aufgrund des Bauträgervertrags geleistet hat. Die Sicherung des Erwerbs kann entsprechend drei verschiedenen Modellen erfolgen: durch schuldrechtliche Sicherung (§ 8 BTVG), durch grundbücherliche Sicherstellung des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft iVm der Zahlung nach Ratenplan (§§ 9 und 10 BTVG) oder durch pfandrechtliche Sicherung (§ 11 BTVG).
Im vorliegenden Fall wählte die Bekl die grundbücherliche Sicherstellung. Zwischen Hypothekargläubigern und der Bekl muss deshalb gem § 9 Abs 3 BTVG zugunsten des Erwerbers vereinbart sein, dass die Liegenschaft oder der Anteil des Erwerbers freigestellt wird. Davon können nur jene Teile des Preises ausgenommen werden, die der Erwerber trotz Fälligkeit noch nicht entrichtet hat.
Klausel 4 enthält – zumindest in der kundenfeindlichsten Leseart – keine entsprechende Regelung. Durch die Aneinanderreihung des Hauptsatzes, des Relativsatzes und des Konditionalsatzes kann die Bedinung, dass der Erwerber alle fälligen Raten bezahlt hat, gleichermaßen als Voraussetzung für die Lastenfreistellung durch den Hypothekargläubiger verstanden werden wie als Voraussetzung für die Einholung der Lastenfreistellungserklärung durch die Bekl. In der zweiten, kundenfeindlichen Leseart wäre die Bekl also erst nach Auszahlung der jeweils fälligen Rate (durch den Treuhänder) überhaupt verpflichtet, eine Lastenfreistellungserklärung des Hypothekargläubigers für den dieser Rate entsprechenden Anteil einzuholen ( „[…] die Verkäuferseite eine unwiderrufliche [Lastenfreistellungs-]Erklärung der Pfandgläubiger/in einholen wird [...], sofern die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist.“).
Die Freistellungsvereinbarung muss jedoch schon vor der Weiterleitung der ersten Zahlung an den Bauträger bzw die Bank vorliegen (H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 9 BTVG Rz 53 unter Verweis auf 5 Ob 193/10h; Würth in Rummel ABGB3 [2023] § 9 BTVG Rz 2).
An der Unzulässigkeit der Klausel kann auch der in der Revision erwähnte Punkt 5.5. des Bauträgervertrags nichts ändern, nach dem der Treuhänder vor Zahlung der ersten Kaufpreisrate die Lastenfreistellung durch Hinterlegung einer hinreichenden Löschungsquittung sicherzustellen hat. Punkt 5.5. bezieht sich nämlich nur auf eine konkret genannte, bereits bestehende Hypothek. Dagegen regelt Klausel 4 nur „(allfällig) noch einzuverleibender [sic] Pfandrechte (bzw Verpfändungsrangordnungen)“, also Lasten, die bei Abschluss des Bauträgervertrags noch nicht einverleibt sind. Auch diese künftigen Pfandrechte könnten aber einer Lastenfreistellung gegenüber den bei Abschluss des Bauträgervertrags noch nicht grundbücherlich eingetragenen Erwerbern bedürfen.
Die andere Leseart von Klausel 4 wäre, dass die von der Bekl zu besorgende Erklärung des Hypothekargläubigers diesen nur insoweit zur Lastenfreistellung verpflichtet, soweit die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist. Jedoch ist auch eine Freistellungsverpflichtung unzureichend, die schon ihrem Wortlaut nach die nach Ratenplan noch nicht fälligen Beträge von der Freistellung ausnimmt (H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 9 BTVG Rz 59).
„Ratenplanmethode“
Zweck der „Ratenplanmethode“ iSd § 10 BTVG ist es, eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Werts der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die zwischenzeitig erbrachten Bauleistungen zu gewährleisten (RS0119703 [T3]). Die in § 10 Abs 2 BTVG definierten Ratenpläne sind deshalb nicht etwa als unverbindliche Vorschläge des Gesetzgebers zu verstehen, sondern zwingend, sodass die gesetzlich definierten Prozentwerte vertraglich nicht höher zugunsten des Bauträgers vereinbart werden können. Mit der Schaffung des BTVG wurde nämlich ein jedenfalls für Verbraucher zwingender Mindeststandard für die Gestaltung des Bauträgervertrags festgelegt (6 Ob 173/18m [Pkt 2.5.] = RS0119703 [T7] = Zak 2019/56).
Aus diesem Grund wäre es jedenfalls unzulässig, wenn die Bekl sich durch ihre Vertragsformblätter das Recht vorbehielte, einem Baufortschritt einen höheren Prozentsatz zuzuordnen als den in § 10 Abs 2 BTVG genannten. Sie dürfte sich also nicht etwa für die Fertigstellung von Fassade und Fenstern 20 % (statt 12 %) des Kaufpreises auszahlen lassen, weil diese statt der in lit c genannten Fertigstellung der Rohinstallationen als dritter Meilenstein des Bauvorhabens erreicht wurde. Dadurch würde nämlich die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschätzung des Wertzuwachses durch den jeweiligen Baufortschritt unterlaufen. Eine solche Befugnis für die Bekl ist Klausel 10 aber bei kundenfeindlichster Leseart zu entnehmen.
Weiters ist gem § 10 Abs 2 Z 1 lit a und Z 2 lit a sowie Abs 3 BTVG die erste Zahlung des Erwerbers (iHv 15 %) erst fällig, wenn eine rk Baubewilligung vorliegt und im Zeitpunkt der Weiterleitung der ersten Rate an den Bauträger bereits mit dem Bau begonnen wurde (Ausnahme gem Abs 3 nur für den Fall, dass die grundbücherliche Sicherstellung des Erwerbs aufgrund des hohen Werts der Liegenschaft ausreicht). Damit ist klargestellt, dass die Rate nach lit a zwingend die erste Rate sein muss (so auch H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 10 BTVG Rz 7 unter Verweis auf ErläutRV 312 BlgNR 20. GP 22 [10], die insofern eindeutig von der „ersten“ Teilzahlung sprechen; M. Kathrein in ImmoZak 2022, 10; Gartner, Bauträgervertragsgesetz 5 [2022] § 10 Rz 3 ff). Dies entspricht auch der Zielsetzung des Modells grundbücherlicher Sicherstellung, weil Baufortschritte nur dann einen Wertzuwachs für den grundbücherlich gesicherten Erwerber bewirken, wenn das Bauwerk nicht Gefahr läuft, aufgrund fehlender öffentlich-rechtlicher Genehmigung oder gar fehlender öffentlich-rechtlicher Genehmigungsfähigkeit wieder abgetragen werden zu müssen.
Klausel 10 dagegen sieht eine beliebige Reihenfolge der Raten vor, sodass – zumindest nach kundenfeindlichster Leseart – die Raten nach lit b bis g, somit 85 % des Kaufpreises fällig werden könnten, bevor überhaupt eine rk Baubewilligung vorliegt.
Ob der Gesetzgeber darüber hinaus eine verbindliche chronologische Reihenfolge aller oder zumindest einiger weiterer der in § 10 Abs 2 Z 1 bzw Z 2 lit a bis g BTVG genannten Bauabschnitte und dazugehörigen Ratenzahlungen vorgeben hat, wird im Schrifttum unterschiedlich gesehen (zB für die Austauschbarkeit der Bauabschnitte lit b bis d und allenfalls g: M. Kathrein in ImmoZak 2022, 10; für die Austauschbarkeit nur der Raten nach lit b, c und d: H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 10 BTVG Rz 7), kann hier aber dahinstehen.
Zinsen auf Treuhand-Anderkonto
Klausel 11 (Pkt 5.9. des Bauträgervertrags) enthält keine Einschränkungen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt der Bekl die Zinsen „gebühren“, die auf dem Trauhand-Anderkonto anreifen („Die auf dem Treuhand-Anderkonto anreifenden Zinsen, soweit sie über die Kontoführungsspesen hinausgehen, gebühren zur Gänze der Verkäuferseite, auf deren Kosten und Rechnung das Treuhandkonto geführt wird.“)
Damit ist – zumindest bei kundenfeindlichster Auslegung – eine Rückforderung der Zinsen durch den Erwerber auch dann ausgeschlossen, wenn die Bekl nie Anspruch auf Auszahlung des auf dem Treuhandkonto erliegenden Kapitals hätte. Sie könnte die Zinsen also auch dann behalten, wenn die auf dem Treuhandkonto erliegende Rate wegen endgültigen Scheiterns des Bauvorhabens nie fällig werden wird oder das Kapital dem Erwerber etwa wegen irrtümlicher Mehrleistung zurückzuerstatten ist.
Für diese Abweichung von der dispositiven Rechtslage ist eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar und wird auch in der Revision nicht behauptet. Klausel 11 verstößt daher gegen § 879 Abs 3 ABGB.
Entgeltanpassungsklausel
Auf Entgeltanpassungsklauseln in Bauträgerverträgen ist sowohl § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als auch § 4 Abs 3 BTVG anzuwenden. Beide Normen haben eine vergleichbare Zielsetzung, nämlich die Preisgestaltung zum Schutz des Erwerbers vor der Willkür seines Vertragspartners offenzulegen. Der Unternehmer hat zumindest darzutun, nach welchen Kriterien er im Fall eines Preisvorbehalts den späteren Preis bestimmen will (7 Ob 93/15z [Pkt B.2.], wobei dort der behauptete Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht mehr geprüft werden musste, RdW 2016/300; auch 4 Ob 56/03v, RdW 2003/610; 1 Ob 101/03i, RdW 2003/603).
§ 6 Abs 2 Z 3 KSchG will verhindern, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende einseitige Leistungsänderungen vorbehält, die den Interessen des Verbrauchers widerspreche. Umfassende und vage Änderungsklauseln indizieren daher Unzumutbarkeit der Leistungsänderung. Damit Vorbehalte rechtswirksam bleiben, müssen sie möglichst genau umschrieben und konkretisiert sein (RS0111807). Der Unzumutbarkeit einer Änderungsklausel iSd § 6 Abs 2 Z 3 KSchG kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass die Preisanpassungskriterien für eine umfassende und vage Änderung in Einklang mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG festgelegt werden.
Die hier zu prüfende Klausel 12 enthält entgegen der Argumentation der Bekl keine Einschränkung auf unvermeidbare Toleranzen. Dass die Regelung nur bei Abweichungen von mehr als 3 % greift, spricht ganz im Gegenteil für ein weitreichendes Leistungsänderungsrecht.
Auch die in der Revision erwähnten Vorgaben durch die Baubewilligung schließen die zivilrechtliche Vereinbarung eines Leistungsänderungsrechts nicht aus, zumal öffentlich-rechtliche Mechanismen bestehen, nachträgliche Anpassungen der Baubewilligung vorzunehmen. So können abweichende Bauausführungen gem § 45 Abs 4 TirBauO entweder gleich in der Benützungsbewilligung oder durch eine nachträgliche Baubewilligung für die Änderung des Gebäudes genehmigt werden.
Spätester Übergabetermin
Nach Klausel 16 wird „vorbehaltlich der Auswirkungen durch Krieg, Katastrophen und höhere Gewalt“ 23:59 Uhr eines bestimmten Tages „als spätester Termin der Übergabe des Kaufgegenstandes nach § 4 Abs 1 Z 5 BTVG“ vereinbart.
Entgegen der Rechtsansicht der Bekl enthält Klausel 16 keine Einschränkung, dass sich der Übergabetermin nur im notwendigen Umfang verändern soll. Vielmehr folgt – zumindest in kundenfeindlichster Leseart – nur, dass im Fall von Auswirkungen durch Krieg, Katastrophen und höhere Gewalt der angeführte Übergabetermin nicht gilt. Der Verbraucher hat damit zumindest ein unklares Bild von seinen Rechten in diesem Fall. Bei kundenfeindlichster Leseart ist überhaupt von einem Entfall des Leistungstermins auszugehen.
Dies verstößt gegen § 879 Abs 1 ABGB iVm § 4 Abs 1 Z 5 BTVG und gegen § 879 Abs 3 ABGB.
Dazu kommt, dass weder ein Mindestmaß der Auswirkung noch ihre Behebbarkeit eine Rolle spielen. Damit könnte jede noch so geringe Abweichung von den Annahmen der Bekl bei der Planung des Bauvorhabens als Auswirkung iSd Klausel 16 angesehen werden, etwa geringfügige Preisanstiege wegen eines Krieges in einem Herstellungsland irgendeines Baustoffs oder die Verletzung eines Bauarbeiters bei einer Naturkatastrophe auf einer Urlaubsreise.
Für den Verbraucher ist nicht klar, ob die Bekl auch in diesen Fällen berechtigt wäre, einfach das (möglicherweise nie eintretende) Ende dieser Auswirkungen abzuwarten, bevor sie das Bauvorhaben zu übergeben hat. Dies widerspricht dem Transparenzgebot von § 6 Abs 3 KSchG.