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Verbandsklage: AGB eines Fitnessstudios

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 864a, § 879

KSchG: § 6, § 28, § 29

Eine Bindung der Verbraucher von 16 Monaten an den Vertrag laut den vorliegenden AGB eines Fitnessstudios wurde hier als unangemessen lang beurteilt; auch das Argument der Revision betr Zusammenhang zwischen Bindung und Leistungsangebot ist nicht nachvollziehbar: Das Training bei der Bekl erfolgt grds ohne Trainer, einer der anwesenden Trainer steht aber für kleinere Anliegen oder Fragen zur Verfügung. Auch im Hinblick auf ihre Investitionen bietet die Bekl dem Kunden keine vertragliche Alternative an, bei deren Wahl ihr höheres wirtschaftliches Risiko mit einem höheren Preis oder einer längeren Vertragsdauer mit entsprechenden Preisnachlass abgegolten würde.

Jedenfalls zutreffend ist auch die Ansicht der Vorinstanzen, dass die hier in ihrer Gesamtheit zu beurteilende Klausel intransparent ist. Der Verzicht auf eine Kündigungserklärung für eine bestimmte Zeit ist entgegen der Formulierung der Klausel gerade nicht eine „Mindestvertragsdauer“, die sich erst im Zusammenhalt mit den weiteren Bestimmungen ergibt, sodass dem Verbraucher ein unklares Bild seiner vertraglichen Verpflichtung vermittelt wird. Dies erhellt im Übrigen auch aus dem Umstand, dass auch in der „Mitgliedschaftsvereinbarung“ an prominenter Stelle (in Blg ./C oberhalb der Klausel 5) von einem „Beginn der 12-monatigen Vertragslaufzeit“ die Rede ist. Auf das Argument des BerufungsG, dem Kunden werde im ersten Jahr der Verzicht auf die Abgabe einer Erklärung schlechthin abverlangt, geht die insgesamt unberechtigte Revision gar nicht mehr ein.

OGH 18. 11. 2022, 6 Ob 62/22v

Hinweis:

Der erk Senat schließt sich den Ausführungen des 4. Senats in dessen E 4 Ob 59/22p (= Zak 2022/700) zu gleichlautenden Klauseln an (gleichlautend auch 4 Ob 62/22d).

Vgl dazu weiter OGH 22. 11. 2022, 2 Ob 139/22p, und OGH 17. 11. 2022, 3 Ob 155/22y (ua betr unangemessen lange 12-monatige Vertragsdauer).

Entscheidung

AGB-Klauseln

Geschäftsschädigende Äußerungen

Klausel 2 (Punkt 6.3 der AGB):

„Die Mitgliedschaftsvereinbarung kann sowohl vom Mitglied als auch vom Anbieter aus wichtigem Grund jederzeit schriftlich mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Als wichtige Gründe gelten für den Anbieter insbesondere […]• Handlungen und Äußerungen eines Mitgliedes, die für den Anbieter geschäftsschädigend sind; […]“

Die Klausel sieht bei kundenfeindlichster Auslegung eine unsachliche Beschränkung der Meinungsfreiheit vor, indem Äußerungen nicht an ihrem Inhalt und Zusammenhang, sondern allein an ihrem faktischen Erfolg – einer Geschäftsschädigung – gemessen werden.

Gerade vor dem Hintergrund der von der Bekl zum Ausdruck gebrachten Einschätzung ihrer Kunden in Ansehung von Einsichtsfähigkeit und Benehmen („nicht nur Intellektuelle, sondern teilweise auch recht simple Geister“) wäre sie gehalten, ihnen konkrete Umstände aufzuzeigen, die sie als Grund für eine außerordentliche Auflösung des Vertrags ansehen wolle. Ihnen stattdessen gänzlich generell Äußerungen verbieten zu wollen, ist überschießend.

Abwerbung

Klausel 3 (Punkt 6.3 der AGB):

„Die Mitgliedschaftsvereinbarung kann sowohl vom Mitglied als auch vom Anbieter aus wichtigem Grund jederzeit schriftlich mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Als wichtige Gründe gelten für den Anbieter insbesondere:[…]• Handlungen eines Mitgliedes, welche darauf abzielen, den Kundenstock des Anbieters zu reduzieren (Abwerbung).“

Die Klausel geht bei kundenfeindlichster Auslegung weit über das Ziel hinaus, die planmäßige Abwerbung von Kunden zugunsten von Konkurrenten zu unterbinden. Was die Bekl gehindert haben mag, ihre konkreten Befürchtungen in ebenso konkrete Klauseln zu gießen, bleibt im Dunkeln. Die Klausel ist zu Recht als überraschend und nachteilig und daher ungültig iSd § 864a ABGB qualifiziert worden.

Datenschutz

Klausel 4 (Punkt 9 der AGB):

„Der Anbieter erhebt, speichert, verarbeitet und nutzt folgende personenbezogene Daten des Mitgliedes (einschließlich seines Fotos) selbst oder durch weisungsgebundene Dienstleister, soweit dies zur Erfüllung des Vertragsverhältnisses erforderlich ist: Vorname, Familienname, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E- Mail Adresse, Kontonummer, Foto, Eintrittsdatum, Daten zur Verrechnung und zum Inkasso der Mitgliedsbeiträge. Beim Betreten des Fitnessstudios werden Datum, Uhrzeit sowie Mitgliedsnummer des Mitglieds elektronisch erfasst. Der Anbieter speichert diese Daten. In anonymisierter Form werden diese Daten zudem zur Optimierung der Trainingsbedingungen und des Trainingsbetriebes verwendet. Ebenso überwacht der Anbieter Teile des Studios mit Videokameras und speichert einzelfallbezogen die dabei gewonnenen Aufnahmen, soweit und solange dies im Einzelfall zur Sicherheit seiner Mitglieder und zur Aufklärung von strafbaren Handlungen sowie zur Abwehr oder Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erforderlich ist. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle werden durch Hinweisschilder erkennbar gemacht. Jedenfalls erteilt jedes Mitglied seine Zustimmung zur Erhebung, Speicherung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im oben angeführten Sinn.“

Bei der Koppelung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsabschluss ist nach der Rsp grds davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprächen (vgl 6 Ob 140/18h = RdW 2019/83, RS0132251). Schon die Vorinstanzen sahen keine besonderen Umstände, die für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprächen, und beurteilten die Klausel als unzulässig (Verstoß gegen Art 6 Abs 1 lit a iVm Art 4 Z 11 iVm Art 7 Abs 4 DSGVO) sowie auch intransparent.

Die Revision ist nicht berechtigt und steht insb mit ihren Ausführungen zu präventiven Wirkungen einer Video-Generalüberwachung nicht auf dem Boden der – hier auch durch die DSGVO determinierten – Rechtsordnung. Sie zeigt keinerlei Aspekte auf, die nicht schon von den Vorinstanzen erwogen worden wären.

Verwaltungs-/Servicepauschale und Chipgebühr

In der vom Kunden zu unterfertigenden „Mitgliedschaftsvereinbarung“ befindet sich hier unmittelbar neben zwei Feldern, in denen die Wahl des Mitgliedschaftsmodells samt „all-inklusive“ Mitgliedsbeitrag anzukreuzen sowie der Betrag für den „Mitgliedsbeitrag (monatlich)“ gesondert auszufüllen ist, folgende Textpassage (Klausel 5):

„[1] Zu Beginn der Mitgliedschaft wird eine einmalige Pauschale von 19,90 € für die Verwaltung erhoben. [2] Das Eintrittsmedium (Karte oder Chipband) bleibt im Besitz des Mitglieds und wird ebenfalls mit einer Gebühr von 19,90 € berechnet. [3] Halbjährlich wird eine Servicepauschale in Höhe von 19,90 € erhoben. [4] Sämtliche Beträge enthalten die gesetzliche Mehrwertsteuer.“

Abgesehen von Satz [4] enthält diese Textpassage mehrere Klauseln, die eigenständige Regelungsbereiche enthalten und einer isolierten Wahrnehmung zugänglich sind. Die gesonderte Beurteilung dieser Klauseln ist daher zulässig und geboten.

Fragen der geltungserhaltenden Reduktion stellen sich insgesamt nicht.

Nicht nur für einen Vertrag zwischen Verbraucher und Kreditunternehmung, für den vielfältige sonstige rechtliche Rahmenbedingungen bestehen (vgl 6 Ob 13/16d, RdW 2016/302), sondern umso mehr für einen Vertrag über die Benützung eines Fitnessstudios ist ein konkreter Konnex zwischen dem ausgewiesenen Sonderentgelt und den tatsächlichen Dienstleistungen und Kosten des Unternehmer gefordert. Wenn auch eine Pauschalierung von Entgelten nicht von vornherein unzulässig ist, solange damit die konkreten Kosten nicht grob überschritten werden (vgl RS0123253), ist die Verrechnung von Entgelten ohne konkrete Zusatzleistung und ohne konkrete Kosten als unzulässig anzusehen.

Nach den Feststellungen ist die „Servicepauschale“ ebenso unabhängig von Angeboten, die dem Kunden mit der Mitgliedschaft zur Verfügung stehend, wie von den Leistungen, die er tatsächlich konkret konsumiert. Dem BerufungsG ist daher dahin zuzustimmen, dass diese Klausel mit dem „All-in“-Konzept nicht vereinbar und insofern gröblich benachteiligend ist. Warum sie eine Hauptleistungspflicht umschreiben sollte, ist nicht nachvollziehbar, zumal Klauseln gröblich benachteiligend sind, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung vorsehen, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung. Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass der Verbraucher keinerlei „Service“-Leistungen über die vertragliche Hauptleistung hinaus erhält, sondern nach den AGB Zusatzleistungen – welcher Art auch immer – nochmals gesondert entgolten werden müssten. Konkrete Umstände iSd Rsp des EuGH, dass die Servicepauschale tatsächlich erbrachten Dienstleistungen und konkret entstandenen Kosten entspricht, sind von der Bekl weder vorgebracht worden noch ersichtlich. Die „Pauschalierung“ ohne konkrete Kosten oder Leistungen ist daher unzulässig.

Auch der Verwaltungspauschale entsprechen keine konkreten Aufwendungen oder Leistungen, die nach den Feststellungen über das übliche Maß hinausgehen, das mit jeder Vertragsbegründung entsteht. Insbesondere hat die Bekl weder vorgebracht noch ist sonst im Verfahren hervorgekommen, dass sie den Aufwand iZm der Vertragsanbahnung nicht durch die in den Fitnessstudios ohnehin anwesenden Trainer erledigen würde, oder ihr ein Mehraufwand entstünde, der konkret bezifferbar (oder auch nur plausibel pauschalierbar) und durch die Trainer nicht bewältigbar wäre. Die Klausel ist daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Dies gilt umso mehr für die Chipgebühr, da die Ermöglichung des Zutritts zu den Fitnessstudios zu den Vertragspflichten der Bekl gehört und schon aus diesem Grund nicht nachvollziehbar ist, warum ihre Kunden dafür ein zusätzliches Entgelt bzw für den dafür geforderten Erwerb eines Chips einen zusätzlichen Kaufpreis leisten sollten. Im Übrigen steht nach den Feststellungen die Gebühr in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den Kosten und dem Aufwand der Bekl hierfür.

Nicht geeignet ist die Chipgebühr (Kaufverpflichtung) auch für die Erreichung des behaupteten Ziels, die Kunden zu sorgfältigem Umgang mit den Zutrittskarten zu erziehen. Gerade sorgfältige Kunden werden dadurch gröblich benachteiligt, weil sie – anders als etwa bei einem Pfandsystem, das nur die schlampigen Mitglieder belasten würde – die Kosten des Chips jedenfalls zu tragen haben, der für sie ansonsten zudem völlig nutzlos ist. Auch diese Klausel hat im Lichte des § 879 Abs 3 ABGB daher keinen Bestand.

Urteilsveröffentlichung

Dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung wird die Bereitstellung von Informationen auf der Website der Bekl nicht gerecht (vgl RS0121963 [T10, T13, T15]). Die Zahlenspiele der Bekl in der Revision zu ihrem Zielpublikum haben keine Tatsachengrundlage. Demnach ist die Ermächtigung zur Veröffentlichung in einer auflagenstarken Tageszeitung wie hier nicht zu beanstanden, zumal es der Rsp entspricht, dass eine solche Veröffentlichung sogar dann sinnvoll ist, wenn der Fokus der Geschäftstätigkeit des bekl Unternehmens im Internet liegt (vgl RS0121963 [T13]; 1 Ob 201/20w Rz 172 mwN, RdW 2021/494). Eine Veröffentlichung in von der Bekl anscheinend gewünschten auflagenschwächeren Zeitschriften würde den dargelegten Zwecken des Veröffentlichungsbegehrens nicht ausreichend entsprechen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33555 vom 20.01.2023