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Verbandsklage: AGB eines Versandhandelsunternehmens

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1000

KSchG: § 6, § 28a, § 28, § 29

UGB: § 355

VKrG: § 7

Nach § 7 Abs 1 VKrG (und Art 8 Abs 1 Verbraucherkredit-RL) muss der Kreditgeber vor Abschluss des Kreditvertrags die “Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anhand ausreichender Informationen“ prüfen. Als Informationsmittel werden in § 7 Abs 1 VKrG (ebenso wie in Art 8 Verbraucherkredit-RL) die Einholung von Informationen vom Verbraucher und “erforderlichenfalls“ die Einholung von Auskünften aus einer zur Verfügung stehenden Datenbank genannt. Unter der Kreditwürdigkeit ist nicht die Bonität im kreditwirtschaftlichen Sinn zu verstehen. Es geht vielmehr um die Einschätzung, ob der Verbraucher bei einer ex ante-Betrachtung voraussichtlich in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten aus dem Kreditvertrag vollständig zu erfüllen, ohne dadurch an den Rand seiner wirtschaftlichen Existenz gedrängt zu werden (ErläutRV 650 BlgNR 24. GP 17).

Der Inhalt der nach § 7 Abs 1 VKrGausreichendenInformationen muss in Abhängigkeit von den Umständen des einzelnen Falls konkretisiert werden. Nur so kann mit Hilfe der gesetzlichen Generalklausel eine sachgerechte Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten ermöglicht werden, da § 7 Abs 1 VKrG eine große Bandbreite von Verbraucherkrediten erfasst – von entgeltlichen Finanzierungshilfen iSd § 25 Abs 1 VKrG bis hin zu hohen Bankkrediten.

Nicht geboten ist eine Verpflichtung des Kreditgebers, sich bei Warenkleinkrediten zusätzlich zur Einholung von Auskünften von einer externen Kreditauskunftei in jedem Fall über die Einkommens- oder die Vermögenssituation des Verbrauchers oder über beide Aspekte zu informieren. Gerade bei Warenkleinkrediten ab einem Kreditbetrag von 200 € (wie hier) erscheint die Berücksichtigung vorhandener negativer Bonitätsinformationen – aus bestehenden Informationen in der Unternehmensgruppe bzw aus der Auskunft einer Kreditauskunftei – zur Bonitätsprüfung nicht schlechthin ungeeignet und es ist auch nicht ersichtlich, dass die zusätzliche Kenntnis des Nettoeinkommens (ohne detaillierte Informationen auch betr aller geringfügigen finanziellen Belastungen) notwendigerweise eine verlässlichere Beurteilung ermöglichte als die Abfrage, ob wegen bestehender „negativer Bonitätsinformationen“ von Vornherein die Einbringlichkeit auch sehr geringer Kreditbeträge in Zweifel zu ziehen ist. Die gleichen Erwägungen gelten auch für die Notwendigkeit der Ermittlung verwertbaren Vermögens des Verbrauchers.

OGH 6. 8. 2021, 6 Ob 48/21h

Entscheidung

“Ausreichende“ Informationen iSd VKrG

Nach den Feststellungen holt die Bekl vor der Gewährung von Teilzahlungsmöglichkeiten an Neukunden jeweils eine Auskunft von einer externen Auskunftei ein und limitiert die Kreditsumme mit 500 €. Bei Bestandskunden greift sie auf allfällige negative Bonitätsinformationen in der Unternehmensgruppe zurück und zieht die Höhe der Kreditsumme für ihre Entscheidungsfindung heran; dazu kommen weitere Faktoren, die mit der Kreditwürdigkeit iSd § 7 Abs 1 VKrG nicht im Zusammenhang stehen, wie etwa die Wohnadresse.

Das vorliegende Unterlassungsbegehren erfasst Warenkleinkredite ab einem Kreditbetrag von 200 €. Gerade bei solchen Warenkleinkrediten erscheint die Berücksichtigung vorhandener negativer Bonitätsinformationen – aus Informationen in der Unternehmensgruppe bzw aus der Auskunft der Kreditauskunftei – zur Bonitätsprüfung nicht schlechthin ungeeignet. Gerade bei sehr niedrigen Kreditbeträgen (ab 200 €) ist auch nicht ersichtlich, dass die zusätzliche Kenntnis des Nettoeinkommens (jedenfalls, soweit damit nicht eine detaillierte Erhebung sämtlicher, auch geringfügiger finanzieller Belastungen verbunden wäre) notwendigerweise eine verlässlichere Beurteilung ermöglicht als die Abfrage, ob wegen bestehender „negativer Bonitätsinformationen“ von Vornherein die Einbringlichkeit auch sehr geringer Kreditbeträge in Zweifel zu ziehen ist. Die gleichen Erwägungen gelten auch für die Notwendigkeit der Ermittlung verwertbaren Vermögens des Verbrauchers.

Ob die beanstandete Geschäftspraktik, bei der Einräumung von Teilzahlungsmöglichkeiten keine zustätzlichen Informationen über die Einkommens- und/oder Vermögenssituation der Verbraucher einzuholen, gegen § 7 VKrG verstößt, kann daher nicht generell beantwortet werden, sondern hängt von dem Umständen des jeweiligen Falls ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei den eingeräumten Teilzahlungsmöglichkeiten Fälle vorliegen, in denen die Einholung einer Auskunft über die Einkommenssituation oder die Vermögenssituation des Verbrauchers oder über beide geboten ist.

Das Unterlassungsbegehren stellt jedoch nicht auf näher konkretisierte Fallgestaltungen ab, sondern zielt darauf ab, der Bekl schlechthin für alle Fälle zu verbieten, mit Verbrauchern Teilzahlungskäufe oder Teilzahlungsmöglichkeiten mit einem Gesamtkredit von zumindest 200 € zu vereinbaren, ohne Informationen zur Einkommenslage und/oder zu deren Vermögenslage einzuholen. Dieses Begehren ist aber wegen des dem Kreditgeber eingeräumten Ermessensspielraums bei der Bonitätsprüfung nicht berechtigt.

AGB-Klausel “Kontokorrentverhältnis“

Hinsichtlich der AGB-Klausel betr das Kontokorrentverhältnis hält der OGH ua fest, dass dem Kontokorrent eine auf gewisse Dauer angelegte Geschäftsverbindung zugrunde liegen, die den wiederholten Abschluss von Geschäften erwarten lässt. Ob ein einzelner Ratenkauf diesem Erfordernis bereits genügen kann oder es an der von § 355 Abs 1 UGB vorausgesetzten (qualifizierten) Geschäftsverbindung fehlt und allenfalls ein „uneigentliches“ Kontokorrentverhältnis vorliegt, muss im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt werden:

Denn selbst unter der Annahme, dass die Vereinbarung einer „kontokorrentmäßigen Verrechnung“ bei einem Ratenkauf bereits unmittelbar § 355 UGB unterläge, würde dies nichts daran ändern, dass die hier zu beurteilende Klausel für den Verbraucher die Entstehung von Zinseszinsen nicht klar und verständlich iSd § 6 Abs 3 KSchG erkennen lässt. Für den wirtschaftlich nicht versierten Durchschnittskunden eines Versandhauses ergibt sich weder aus der Verwendung des Begriffs „Kontokorrent“ noch aus der Angabe der unterschiedlichen Zinssätze der Umstand, dass eine unterjährige periodische Feststellung des offenen Rechnungsbetrags samt Kapitalisierung der „Teilzahlungskosten“ und deren (neuerliche) Verzinsung stattfindet. Dies ergibt sich auch nicht aus der in der Klausel offengelegten Differenz zwischen dem Jahreszinssatz und dem effektiven Jahreszinssatz. Eine solche Differenz kann auch andere Gründe als die Verrechnung von Zinseszinsen haben. Darüber hinaus kann auch die Dauer der Abrechnungsperiode von einem Monat nur aus der Angabe eines monatlichen Zinssatzes für die Teilzahlungskosten erschlossen werden. Dass mit der Regelung der „kontokorrentmäßigen Verrechnung“ in Wahrheit einzig die monatliche Verrechnung von Zinseszinsen bewirkt werden soll, ist für den Durchschnittsverbraucher daher insgesamt nicht erkennbar. Soweit die Revision argumentiert, der effektive Jahreszinssatz könne den angegebenen Jahreszinssatz nur aufgrund des Zinseszinseffekts übersteigen, weil keine anderen Kosten darin einfließen würden, ist auch dieser Umstand für den Verbraucher aus der beanstandeten Klausel nicht ohne Weiteres ersichtlich.

Fehlt es – wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG – an der wirksamen Vereinbarung von Zinseszinsen, so stehen der Bekl auch der angegebene Effektivzinssatz und die vom Ratenrechner ermittelte Gesamtsumme jeweils nicht zu.

DSGVO-Verstöße – Aktivlegitimation des klagenden Verbands?

Hinsichtlich der ebenfalls geltend gemachten Verstöße gegen die DSGVO ist die Aktivlegitimation des kl Verbands noch nicht abschließend geklärt:

Der kl Verein (klagebefugt nach § 29 KSchG) begehrt gestützt auf § 28a KSchG die Unterlassung einer Geschäftspraktik, die gegen die DSGVO verstoße. Entscheidungswesentlich ist hier somit, ob der Kl im Weg der Verbandsklage nach § 29 KSchG zur Geltendmachung von Verstößen gegen die DSGVO legitimiert ist bzw ob der Unionsgesetzgeber mit den Rechtsschutzinstrumenten der DSGVO womöglich eine abschließende Regelung zur Rechtsdurchsetzung bei Datenschutzverstößen schaffen wollte.

Im Verfahren zu 6 Ob 77/20x (= RdW 2021/170) hat der OGH - bezogen auf eine Verbandsklage „unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen ein Verbraucherschutzgesetz“ (dort: § 28 KSchG; hier: § 28a KSchG) – ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (vgl dazu auch das Vorabentscheidungsersuchen des BGH vom 28. 5. 2020, I ZR 186/17, RdW 2020/356).

Da der OGH eine Vorabentscheidung des EuGH ausgehend von deren allgemeiner Wirkung auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden hat, hat er das vorliegende Verfahren daher insoweit aus prozessökonomischen Gründen unterbrochen (RS0110583).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31535 vom 05.10.2021