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Verbandsklage: Bank-AGB betr Prepaid-Karten für Einkaufszentren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

E-Geldgesetz: § 18, § 19

KSchG: § 28, § 29

Die bekl Bank verwendet AGB, darunter die Nutzungsbedingungen für Gutscheinkarten (Österreich), Fassung Juli 2019, Stand März 2020, die sich auf Prepaid Karten beziehen, die in bestimmten Einkaufszentren (in den Bundesländern Wien, Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich) als Zahlungsmittel in den dort ansässigen Geschäften eingelöst werden können. Im Allgemeinen werden die Wertkarten erworben und als Geschenk weiter gegeben. Die Wertkarten funktionieren im Wesentlichen wie Bankomatkarten, mit dem Unterschied, dass sie nur in den jeweiligen Einkaufszentren einlösbar sind.

Gemäß Punkt 7.1. der Nutzungsbedingungen kann die Wertkarte einmalig mit einem Guthaben von 10 € bis 150 € (auf-)geladen werden. Nach den Nutzungsbedingungen ist die Wertkarte ab dem Ausstellungstag 12 Monate gültig und wird nicht automatisch erneuert. Vorgesehen sind ein Rücktauschentgelt (Klausel 1 – betr Guthaben vor bzw nach dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte) sowie ein Bereithaltungsentgelt (Klausel 2 - nach dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte wird für noch vorhandenen Guthaben ein monatliches Bereithaltungsentgelt verrechnet; dieses Entgelt wird vom Guthaben abgezogen, bis das Guthaben aufgebraucht ist).

Die vertragstypische Leistung liegt bei diesen Gutscheinkarten in der Einlösungsmöglichkeit des Guthabens in den Geschäften der Vertragspartner der Bekl. Die Rücktausch- und Bereithaltungspflichten der Bekl werden isoliert von dieser Hauptleistungspflicht wahrgenommen und sind daher Nebenpflichten. Die dafür zu zahlenden Entgelte stehen in keinem Austauschverhältnis zur Ausfolgung der Wertkarte und fallen erst bei Rücktausch bzw für das Bereithalten an. Die gegenständlichen Klauseln unterliegen somit der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB; sie sind auch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB bzw verstoßen gegen § 18 Abs 1 und gegen § 19 Abs 4 E-Geldgesetz (gröblich benachteiligende Fristen, unverhältnismäßig hohes Mindestentgelt für den Rücktausch, „schleichender Verfall“ des Guthabens ohne sachliche Rechtfertigung und mit zu frühem Beginn).

OGH 25. 4. 2023, 4 Ob 207/22b

Entscheidung

Inhaltskontrolle gem § 879 Abs 3 ABGB und Anwendbarkeit des E-Geldgesetzes

Nach Ansicht der Bekl wäre auch bei Geltung des § 879 Abs 3 ABGB eine gröbliche Benachteiligung zu verneinen, zumal die Wertkarten unentgeltlich erworben werden können. Nun mag eine benachteiligende Bestimmung in einzelnen Punkten bei einer hier vorzunehmenden Gesamtbetrachtung gerechtfertigt erscheinen (RS0016914 [T28]), allerdings ist im vorliegenden Fall in dieser Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen, dass durch die Entgelte das Kartenguthaben bei nicht rechtzeitiger Einlösung nach einigen Jahren gänzlich aufgezehrt wird, was jedenfalls eine grobe Äquivalenzstörung begründet.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des E-Geldgesetzes beruft sich die Bekl auf die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 3 Z 11 lit a zweiter Fall ZaDiG 2018. Ua gestützt auf ein FMA-Rundschreiben, wonach für die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung die Karte nur für ein einziges Outlet-Village oder ein einziges Shopping-Center zum Einsatz gelangen dürfte, hat das BerufungsG die gegenständlichen Wertkarten nicht unter die Ausnahmebestimmung § 3 Abs 3 Z 11 lit a ZaDiG 2018 subsumiert. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl dazu auch die Mat zum ZaDiG, EläutRV 11 BlgNR 26. GP 4), da zwei der – räumlich getrennten – Einkaufszentren, welche die Wertkarten der Bekl nutzen, eine einheitliche, gemeinsame Gutscheinkarte verwenden, sodass diesbezüglich nicht mehr von einem begrenzten Netz von Dienstleistern ausgegangen werden kann (vgl auch 4 Ob 252/14h). Dieses Ergebnis wird auch dadurch gestützt, dass die Verwendung der Karte nicht auf ein eingeschränktes Produktsortiment reduziert ist, dh auf keine feste Zahl funktional verbundener Waren oder Dienstleistungen abzielt (vgl RL [EU] 2015/2366 ErwGr 13). Die Charakteristik der Karten als universell in zwei Einkaufszentren einsetzbares Zahlungsmittel zeigt, dass die Gutscheinkarten der Bekl das Potential haben, als Zahlungsmittel für einen beliebig erweiterbaren Kreis von Unternehmen und unterschiedlichen Waren und Dienstleistungen zu dienen. Es bedarf daher nicht der – von der Bekl begehrten – Einschränkung des Urteils auf die Gutscheinkarten der konkreten beiden Einkaufszentren.

Das BerufungsG hat den Nutzungsbedingungen der Bekl zu den Punkten 7.3. und 10.2. zu Recht einen einheitlichen Regelungszweck unterstellt und in Bezug auf die in Punkt 2.1. festgelegte Gültigkeitsdauer gesetzt, sodass sie eine eigenständige Klausel (Klausel 1) darstellen. Dasselbe gilt für die als Klausel 2 zusammengefassten Punkte 2.1. und 10.5.. Auch bei isolierter Betrachtung würde sich am Ergebnis nichts ändern.

Zutreffend hat das BerufungsG im vorliegenden Fall die Verkürzung auf 12 Monate als gröblich benachteiligend erachtet, denn wenn auch bis zu 98 % der Inhaber die Gutscheine innerhalb der Gültigkeitsdauer einlösen, muss es sich bei den verbleibenden 2 % nicht um „sorglose“ Inhaber handeln, die kein Interesse an der Einlösung haben. Es können zahlreiche triftige Gründe gegeben sein, die sie an der rechtzeitigen Einlösung hindern.

Klausel 1 – Entgelt für Rücktausch

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, warum es – abweichend vom grundsätzlich bestehenden Recht, mit einem Gutschein Waren innerhalb von 30 Jahren zu beziehen – einer derart kurzen Frist von einem Jahr zur Einlösung des Guthabens und bloß eines weiteren Jahres für die kostenfreie Rücktauschmöglichkeit bedarf. Bereits darin liegt eine gröbliche Benachteiligung der Vertragspartner der Bekl.

Diese ergibt sich aber auch aus den festgesetzten Beträgen für den Rücktausch, va aus dem Mindestentgelt iHv 2 €, zumal dies bei einem (Mindest-)Gutscheinbetrag von 10 € zu einer Gebühr von 20 % des gesamten Gutscheinwerts führt, wofür eine sachliche Rechtfertigung fehlt.

Diese Unverhältnismäßigkeit folgt auch aus § 19 Abs 2 E-Geldgesetz. Demnach sind Entgelte für den Rücktausch nur zulässig, wenn sie vorher wirksam vertraglich vereinbart worden und verhältnismäßig sind und in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten des E-Geld-Emittenten stehen. Das Gesetz ordnet damit ausdrücklich eine zweifache Verhältnismäßigkeit an, sodass das vereinbarte Entgelt auch hinsichtlich der vom E-Geld-Emittenten erbrachten Leistung (Höhe des rückzutauschenden Betrags) verhältnismäßig sein muss. Es darf daher kein bestimmter pauschaler absoluter Betrag bzw eine Mindestgrenze vereinbart werden, das vereinbarte Entgelt muss sich vielmehr zwangsläufig auch am jeweils rückgetauschten Betrag orientieren und ist insofern als Prozentsatz dieses Betrags festzulegen (Haghofer in Vonkilch, E-Geldgesetz 2010 §§ 18, 19 Rz 12).

Klausel 2 – Bereithaltungsentgelt

Auch die Klausel 2 betr das Bereithaltungsentgelt enthält für den Inhaber der Gutscheinkarte eine (gröblich) nachteilige Bestimmung iSd § 879 Abs 3 ABGB. Die Frist von 12 Monaten (wie auch eine Frist von 15 Monaten, in der eine abzugsfreie Verfügung möglich ist), ist nach Maßgabe der stRsp zu einschlägigen Sachverhalten unangemessen kurz. Dass es der Karteninhaber (durch rechtzeitige Einlösung des Guthabens) selbst in der Hand hat, das Anfallen des Bereithaltungsentgelts zu vermeiden, ist demgegenüber unmaßgeblich, geht doch der Inhaber des Gutscheins idR davon aus, damit während eines längeren Zeitraums einkaufen zu können.

Laut 1 Ob 88/14v (= RdW 2015/207) ist selbst die Verkürzung der Verjährungsfrist (von 30 Jahren) auf drei Jahre nicht ohne Weiteres sachlich gerechtfertigt; vielmehr bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung. Im vorliegenden Fall ist zwar kein Verfall des Kartenguthabens nach Ablauf der Gültigkeitsdauer von 12 Monaten vorgesehen, aber es wird ab dem vierten Monat nach Ende der Gültigkeitsdauer ein „monatliches Bereithaltungsentgelt“ von 2 € verrechnet. Vergisst daher der Karteninhaber darauf, die Karte zu verwenden, so führt diese Gebühr dazu, dass sich das Kartenguthaben jährlich um 24 € vermindert, was eine „Aufzehrungdes Guthabens (von 10 € bis 150 €) binnen kurzer Zeit mit sich bringt. Für diesen schleichenden Verfall besteht keinerlei sachliche Rechtfertigung.

Die Bekl verstößt mit der Klausel 2 auch gegen § 18 Abs 1 und gegen § 19 Abs 4 E-Geldgesetz. Nach § 18 Abs 1 E-Geldgesetz hat der Emittent dem Inhaber auf Verlangen jederzeit den monetären Wert des gehaltenen E-Geldes zum Nennwert, unter Berücksichtigung von § 19 E-Geldgesetz, zu erstatten. Soweit in Vereinbarungen zulasten von E-Geld-Inhabern abgewichen wird, sind diese Bestimmungen unwirksam. § 18 Abs 1 E-Geldgesetz ist lex specialis zu § 1502 ABGB, der nur dann zur Anwendung kommt, wenn nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird (RS0034404). Da dies hier der Fall ist, ist die Klausel jedenfalls unzulässig. Die Verrechnung des monatlichen Bereithaltungsentgelts ab dem vierten Monat ab Ende der Gültigkeitsdauer der Wertkarte, die den „schleichenden Verfall“ des Guthabens bewirkt, ist mit § 18 Abs 1 E-Geldgesetz nicht vereinbar.

Nach § 19 Abs 4 E-Geldgesetz ist dem E-Geld-Inhaber bei einem Rücktausch bis zu einem Jahr nach Vertragsablauf der gesamte Nennwert des gehaltenen E-Geldes zu erstatten. Da im vorliegenden Fall gem der Klausel 2 bereits ab dem vierten Monat ab Ende der Gültigkeitsdauer ein monatliches Bereithaltungsentgelt vorgesehen ist, wird damit auch gegen diese Bestimmung des E-Geldgesetzes verstoßen.

Urteilsveröffentlichung

Die Veröffentlichung der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung besitzt insofern einen Aufklärungswert, als damit klargestellt wird, dass das Gericht ein berechtigtes Interesse des Kl zur Urteilsveröffentlichung bejaht hat und nicht etwa der Kl aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten die Veröffentlichung vornimmt (4 Ob 91/93).

Die Veröffentlichung österreichweit in einer Samstags-Ausgabe der „Kronen Zeitung“ wird durch den Umstand gerechtfertigt, dass die Wertkarten in Einkaufszentren in vier Bundesländern eingelöst werden können, die Bekl österreichweit tätig ist und die Möglichkeit der Nutzung der Wertkarten durch Personen mit Wohnsitz außerhalb dieser vier Bundesländer naheliegend ist (vgl 6 Ob 242/15d mwN).

Hinweis:

Vgl auch den Parallelfall OGH 25. 4. 2023, 4 Ob 232/22d. Gegenstand war dort weiters eine Klausel betr Zusatzentgelte, die bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahin verstanden werden kann, dass der Verbraucher der Verrechnung – nicht näher definierter – „weiterer Entgelte“ durch Händler zustimmt und die Bekl damit jeglicher Pflicht enthebt, auf eine entgeltfreie Akzeptanz der Karten gerade für den Einkauf bei „teilnehmenden Händlern des Akzeptanznetzwerkes“ lt AGB hinzuwirken. Dies wird gerade auch durch den – nicht angefochtenen – darauffolgenden Satz („Die Bank hat darauf keinen Einfluss ...“) deutlich. Unklar bleibt, um welche Entgelte welcher Händler es sich handelt, um wie viele – die Klausel verwendet den Plural –, und va in welcher Höhe solche Entgelte „für die Akzeptanz der Wertkarte“ anfallen können. Es bleibt damit unklar, ob und unter welchen Bedingungen das Guthaben in der angegebenen Höhe im „Akzeptanznetzwerk“ werthaltig ist. Die Klausel ist daher schon aus diesem Grund intransparent, sodass auf Fragen des § 56 Abs 3 ZaDiG 2018 und der gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB nicht mehr eingegangen werden musste.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34200 vom 29.06.2023