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„Code Sharing“ stellt einen Branchenstandard dar. Vertragspartnerin des Kunden bleibt die Bekl, der Code Share Partner übernimmt nur den Flug. Die „Code Share-Klausel“ verweist auf die Beförderungsbedingungen der Code Share Partner. Der Kunde muss prüfen, ob die Bestimmungen der unterschiedlichen AGB widersprüchlich sind, um beurteilen zu können, welche AGB vorrangig anwendbar sind. Die Vorteile, die das Code Sharing dem Kunden bringen mag, ändern nichts daran, dass das Transparenzgebot sich nicht mit formeller Textverständlichkeit begnügt, sondern eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von AGB sicherstellen soll, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Diesen Anforderungen genügt die beanstandete Klausel nicht.
Nach der Rsp gelten nicht einmal im Verhältnis zwischen international tätigen Unternehmen AGB in einer anderen Weltsprache (wie zB Englisch) unter allen Umständen; vielmehr wird hier verlangt, dass ein solches Unternehmen der Fassung der AGB in einer Weltsprache wegen mangelnder Sprachkenntnisse unverzüglich widersprechen muss. Umso weniger kann von durchschnittlichen Kunden der Bekl, deren Vertragssprache Deutsch ist, ein Verständnis von AGB der Code Share Partner in englischer Sprache verlangt werden.
OGH 14. 12. 2021, 10 Ob 19/21y
Entscheidung
Klausel 1 – Code Share
Der Senat verkennt nicht, dass die Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit nicht überspannt werden dürfen, zumal branchenbedingt bei schwierigen Ordnungsproblemen (wie zB im Recht der Finanzdienstleistungen) zwangsläufig eine gewisse Mindestkundigkeit des Verbrauchers unterstellt werden muss, sollen nicht ganze Branchen ihre juristische Kommunikationsfähigkeit verlieren. Die Bekl argumentiert, dass das Code Sharing Vorteile für den Kunden bringe, es jedoch unmöglich sei, die Einbeziehung der AGB ihrer Vertragspartner noch transparenter zu gestalten. Dass sich die Bekl jedoch aus wirtschaftlichen Gründen zu dieser Vorgangsweise entschlossen hat und dass dies zur Folge hat, dass die Inhalte der Verträge mit ihren Kunden aufgrund der Verflechtung mit den Geschäftspartnern unverständlich werden, ist nicht einer fachlichen (juristischen, technischen etc) Notwendigkeit geschuldet, auf eine gewisse Art zu kommunizieren.
Weiters macht die Bekl geltend, dass die Verpflichtungen aus der Fluggastrechte-VO das „ausführende“ Luftfahrtunternehmen treffen, weshalb es nur konsequent sei, hinsichtlich der Ausgleichsansprüche auf die Bedingungen des Code Share Partners zu verweisen. Dadurch erst werde dem Kunden klar, an wen er sich zur Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen zu wenden habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Hinweis auf die vorrangig anzuwendenden AGB der Code Share Partner auch in diesem Zusammenhang (arg: „… dies betrifft insbesondere … Ausgleichsleistung“) gerade Unklarheit schafft: Der Hinweis wäre nämlich entbehrlich, handelte es sich nur um die Ansprüche, die den Fluggästen aus der Fluggastrechte-VO in jedem Fall entstehen.
Klausel 2 – entgegenstehendes Recht
Eine weitere Klausel der Bekl lautet: “Im Falle des Widerspruchs zwischen diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen und unseren Tarifen oder dem anwendbaren Recht, gehen diese Tarife bzw das anwendbare Recht den Allgemeinen Beförderungsbedingungen vor.“
Der OGH hat jüngst in den E 4 Ob 63/21z (Rz 15 ff und 75 ff), Rechtsnews 31083, und 9 Ob 27/21t (Rz 11 ff), RdW 2021/611, vergleichbare Klauseln in den Beförderungsbedingungen anderer Fluggesellschaft für intransparent erachtet, weil sie den Kunden dazu verpflichteten, unterschiedliche Vertragsbestimmungen miteinander zu vergleichen und auf einen Widerspruch hin zu überprüfen.
Der erkennende Senat teilt diese Rechtsauffassung. Auch im vorliegenden Fall zwingt die Vorrangregelung in der Klausel den Kunden dazu, im Einzelfall erstens zu beurteilen, ob die ABB der Bekl mit deren Tarifen oder dem anwendbaren Recht in Widerspruch stehen (vgl RS0122040 [T24]), und zweitens zu beurteilen, ob im Fall eines solchen Widerspruchs die Tarife der Bekl und/oder das anwendbare Recht vorrangig sind – das in der Klausel verwendete Wort „bzw“ lässt dies offen. Darüber hinaus bleibt vor dem Hintergrund der Klausel 1 auch unklar, ob die Tarife der Bekl den ABB ihrer Code Share Partner vorgehen, oder die – umgekehrte – Vorrangregelung der Klausel 1 zur Anwendung kommt, falls deren ABB im Widerspruch zu den ABB der Bekl, nicht aber zu deren Tarifen stehen sollte.
An einer Grundlage für eine Reduktion der Geltung der Klausel auf den Teil, der sich auf die gesetzlichen Regelungen bezieht, fehlt es auch deshalb, weil für den durchschnittlichen Kunden ein allfälliger Widerspruch der ABB zu gesetzlichen Bestimmungen nicht durchschaubar und ohne Gerichtsverfahren nicht überprüfbar ist und er auch nicht beurteilen kann, welche dispositiven Normen in einem solchen Fall an die Stelle der gesetzwidrigen Klausel treten. Er kann sich aufgrund der Klausel kein klares Bild von seiner Rechtsposition verschaffen; sie bürdet ihm das Risiko auf, seine Rechte selbst zu ermitteln (4 Ob 63/21z, Rz 22; RS0122045 [T3]). Darüber hinaus sind nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 KSchG unklare und unverständliche Vertragsbestimmungen unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion einer solchen intransparenten Klausel findet auch im Individualprozess nicht statt (RS0122168).
Nicht vergleichbar mit der vorliegenden Klauseln sind die Klauseln, die in den E 7 Ob 84/12x (= RdW 2013/133), 8 Ob 132/15t (= RdW 2017/185) und 4 Ob 228/17h (= RdW 2018/270) zu beurteilen waren und die Rechtsfolgen für den Fall normierten, dass bereits von der Unwirksamkeit einer Klausel auszugehen sei.
Klausel 3 – Bestimmungen des Luftfrachtführers
Ebenfalls intransparent ist die Klausel: „Sofern in diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht anders geregelt, gehen im Falle des Widerspruchs zwischen diesen Allgemeinen Beförderungsbedingungen und anderen Bestimmungen, diese Allgemeinen Beförderungsbedingungen vor.“
Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen ausgeführt, dass nicht klar ist, was „andere Bestimmungen“ sein sollen; der durchschnittliche Verbraucher könne darunter sehr wohl auch zwingendes Recht verstehen. „Andere Bestimmungen“ könnten aber etwa auch Bestimmungen aus den AGB der Code Share Partner sein, die jedoch nach Klausel 1 – insofern im Widerspruch zu Klausel 3 – vorrangig wären. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die bereits zitierte Rsp zu verweisen, wonach die Vorrangregelung in der Klausel nichts an der Intransparenz ändert, zwingt sie den Kunden doch dazu, im Einzelfall zu beurteilen, ob die ABB der Bekl zu „anderen Bestimmungen“ in Widerspruch stehen oder nicht (RS0122040 [T24]).
Klausel 4 – Gepäck
Klausel 3 lautet: „Ihr aufgegebenes Gepäckstück wird, soweit möglich, immer auf demselben Flugzeug wie Sie befördert, es sei denn, dass wir entscheiden, die Beförderung aus Sicherheitsgründen auf einem anderen Flug durchzuführen. Sollte Ihr aufgegebenes Gepäck auf einem unserer folgenden Flüge befördert werden, werden wir es Ihnen nach der Ankunft am Bestimmungsort zustellen, ausgenommen das anwendbare Recht erfordert Ihre Anwesenheit bei den Zollformalitäten.“
Die Wendung „soweit möglich“ wäre sprachlich nicht notwendig, um die Einschränkung der Beförderung von Gepäckstücken allein aus Sicherheitsgründen auszudrücken. Dass sie dennoch in die Klausel aufgenommen wurde, ermöglicht erst die Lesart, dass ein Gepäckstück auch aus anderen Gründen als Sicherheitsgründen nicht auf einem Flug mitgenommen wird. Da andere Gründe in der Klausel nicht genannt sind, bleibt es bei kundenfeindlichster Auslegung der Willkür der Bekl überlassen, in welchen Fällen sie das Gepäck getrennt transportiert. Bereits aus diesem Grund ist die Klausel gröblich benachteiligend, aber auch intransparent, weil nicht klar ist, in welchen Fällen die Bekl das Gepäck getrennt transportiert. Der unbegrenzte und daher sachlich nicht gerechtfertigten Entscheidungsspielraum der Bekl stellt keine bloß geringfügige einseitige Einschränkung der Leistungsverpflichtung dar, sodass die Klausel auch gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstößt.
Gerade die Verwendung des Konjunktivs „Sollte Ihr aufgegebenes Gepäck auf einem unserer folgenden Flüge befördert werden“ lässt Raum für die Lesart, dass sich die Bekl die Möglichkeit offen hält, das Gepäck nicht auf einem „unserer“ Flüge zu transportieren. Dabei spielt keine Rolle, ob „unsere“ Flüge nur solche der Bekl oder auch ihrer Code Share Partner sein mögen. Auch bei dieser weiteren Lesart des Wortes „unser“ wäre die Bekl nach dem Wortlaut der Klausel berechtigt, das Gepäck auf einem Flug eines Dritten befördern zu lassen. In einem solchen Fall ist sie jedoch nicht verpflichtet, es dem Kunden an den Bestimmungsort nachzutransportieren.
Klausel 5 – Erstattungsbeträge
Klausel 5 betr den “Erstattungsbetrag bei freiwilliger Erstattung“ sieht vor, dass der “bezahlte Flugpreis abzüglich anwendbarer Bearbeitungs- und Stornogebühren ersetzt“ wird, wenn kein Teil des Tickets abgeflogen wurde, bzw “die Differenz zwischen dem bezahlten Flugpreis und dem Preis für den Teil der Strecke, der abgeflogen wurde, abzüglich anwendbarer Bearbeitungs- und Stornogebühren“.
Die Höhe der Bearbeitungsgebühr ergibt sich weder aus der Klausel 5 selbst noch aus einem Hinweis darin. Die Bekl leitet die Zulässigkeit der Klausel ausschließlich aus dem Buchungsvorgang im Einzelfall und den Hinweisen ab, die dem Kunden dabei erteilt werden. Darauf ist aber nicht Bedacht zu nehmen, weil im Verbandsprozess weder auf die praktische Handhabung noch auf individuelle Erklärungen oder Vereinbarungen Rücksicht genommen werden kann (RS0121726 [T4]). Dass sich der Kunde anhand von allgemeinen Informationen und Buchungsunterlagen über Bearbeitungsgebühren informieren muss, birgt die Gefahr, dass er durch ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl etwa RS0115219 [T1]; RS0037107 [T5, T6]).
Dazu kommt, dass sich den Ausführungen der Bekl nicht entnehmen lässt, wo der Kunde Höhe und Anwendungsfälle der Stornogebühren recherchieren könnte. Zutreffend hat das BerufungsG ausgeführt, dass sich aus der Formulierung „Bearbeitungs- und Stornogebühren“ für den Kunden der Eindruck ergeben kann, dass Stornogebühren zusätzlich zu Bearbeitungsgebühren zu entrichten seien. Selbst wenn der Kunde die Quellen liest, die sich aus dem Vorbringen der Bekl ergeben, verbliebe eine Unsicherheit über mögliche zusätzliche Stornogebühren. Der Kunde hat keine Möglichkeit, Inhalt und Tragweite der Klausel zu durchschauen (vgl RS0122169 [T2]), sodass sie das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verletzt.