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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
AVB 2005 – Fassung 01/2024
Nach § 1c VersVG darf der Faktor Geschlecht – vorbehaltlich des § 93 Abs 7 VAG 2016 – nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen für Frauen und Männer führen. Die Bestimmung ist zugunsten des Versicherungsnehmers zwingend (§ 15a Abs 1 VersVG). Die Bestimmung ist unter Beachtung unionsrechtlicher und grundrechtlicher Vorgaben (analog) auf transgender und intersexuelle Personen anzuwenden und schützt diese vor Diskriminierungen wegen ihres weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts.
Das Verbot der Geschlechterdiskriminierung wurde für Sachverhalte außerhalb der Arbeitswelt in den §§ 30 ff GlBG umgesetzt. Da seit dem VersRÄG 2013 keine einschlägigen besonderen Vorschriften im VersVG und VAG mehr existieren, auf die § 30 Abs 4 GlBG noch Bedacht nahm (vgl die frühere Zulässigkeit von „Geschlechtertarifen“ gem § 9 Abs 2 bis 4 VAG aF), steht der Weg für eine Anwendung der Vorschriften des GlBG auch in diesem Bereich offen.
§ 1.2.4. erster Spiegelstrich zweiter Fall AVB 2005 (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankenkosten- und Krankenhaustagegeldversicherung – Fassung 01/2024) ist neutral formuliert, sodass keine unmittelbare Diskriminierung vorliegt. Eine mittelbare Diskriminierung setzt voraus, dass eine neutral formulierte Regelung eine Person, die einem Geschlecht angehört, gegenüber Personen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen kann. Dies ist hier der Fall:
Die Klausel nimmt Geschlechtsumwandlungen generell vom Versicherungsschutz aus, also auch bei Vorliegen von Krankheitswert und medizinischer Behandlungsnotwendigkeit. Vordergründig schließt sie jeden Versicherten von der Versicherungsleistung aus. In Wahrheit bedeutet sie jedoch eine geschlechtliche Diskriminierung von intersexuellen und transgender Personen, weil eine Geschlechtsumwandlung nur bei dieser (dritten) Personengruppe infrage kommt. Bei Personen, deren äußere Geschlechtsmerkmale dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht eindeutig zuordenbar sind und bei denen die Geschlechtsidentität mit dem ihnen bei der Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt, kann der Versicherungsfall Geschlechtsumwandlung nämlich nicht zum Tragen kommen. Das Kernargument der Bekl, der Ausschluss betreffe sowohl Umwandlungen von Mann zu Frau als auch von Frau zu Mann und behandle daher alle Versicherten gleich, ist nicht zutreffend. Vielmehr diskriminiert die inkriminierte Klausel transgender und intersexuelle Personen wegen ihres weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts, weil sie dieser Personengruppe die Möglichkeit nimmt, eine medizinisch notwendige Geschlechtsumwandlung mit Kostendeckung der Bekl durchzuführen. Die Klausel verstößt daher gegen § 1c VersVG iVm § 32 Abs 2 GlBG.
Dass die Klausel als mittelbare Diskriminierung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei und das Mittel (Risikoausschluss) zur Erreichung dieses Ziels angemessen oder erforderlich sei, hat die Bekl nicht behauptet. Eine sachliche Rechtfertigung der Klausel iSd § 32 Abs 2 GlBG ist auch nicht offenkundig.
Die inkriminierte Klausel ist daher wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot unwirksam.
Entscheidung
Dem Argument der Bekl, die vom Kl gewünschte Unterlassung gehe zu weit, weil damit undifferenziert auch die Unterlassung der Anwendung der Klausel für Verträge begehrt werde, die vor dem 21. 12. 2012 abgeschlossen wurden (Inkrafttreten von § 1c VersVG), hält der OGH ua entgegen, dass die begehrte Unterlassungsverpflichtung nur die Einbeziehung der inkriminierten Klausel in künftige Verträge betrifft und ein Beharren der Bekl auf der inkriminierten Klausel in vor dem 21. 12. 2012 geschlossenen Verträgen im Übrigen ohnehin sittenwidrig wäre (vgl RS0016740; insb 6 Ob 55/18h zu einer weibliche Personen diskriminierenden Regelung in einem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1963, RdW 2019/291).