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Verbandsklage: Transparenz iZm „versicherungsmathematische Grundsätze“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 6, § 28, § 29

Das Transparenzgebot setzt grds die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Bei der Beurteilung der Unverständlichkeit ist zu unterscheiden, ob der Verwender eine möglichst verständliche Formulierung gewählt oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (für den Durchschnittskunden) unnötig schwer verständlich formuliert hat. Es kann nicht angehen, dass AGB keine termini technici mehr verwenden dürften, weil sie den Verbrauchern nicht geläufig sind. Gerade im Bereich komplexerer Anlage- oder Versicherungsprodukte ist eine gewisse Mindestkundigkeit des Verbrauchers zu unterstellen, damit nicht etwa ganze Branchen ihre juristische Kommunikationsfähigkeit verlieren. Auch durch ein Zuviel an Information kann das Transparenzgebot ad absurdum geführt werden. Das Transparenzgebot findet seine Grenze nämlich dort, wo es funktionslos wird.

Die Forderung nach einer detaillierten Erklärung „versicherungsmathematischer Grundsätze“ im Rahmen Allgemeiner Versicherungsbedingungen (hier: betr kapitalbildende Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung in Form einer Bonusrente) – neben der ohnehin gegebenen aufsichtsrechtlichen Kontrolle dieser Grundsätze – wäre ein solches Zuviel an Information, das das Transparenzgebot funktionslos machen würde.

OGH 21. 5. 2025, 7 Ob 3/25d

Entscheidung

Der kl VKI wendet sich im Wesentlichen gegen eine Klausel betr Bonusrente (eine Form der vorweggenommenen Gewinnbeteiligung) in den AVB der Bekl. Darin wird ua geregelt: „Sinkt der jährliche Gewinnanteilsatz unter das für die Bonusrente erforderliche Ausmaß, so werden die Bonusrente und die Bonusrentenanteile nach festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätzen gekürzt.“

Nach Ansicht des Kl spreche die Klausel die Möglichkeit eines gänzlichen Wegfalls der Bonusrente nicht an, weshalb ihre Auswirkungen unklar bleiben würden. Zudem verweise die Klausel auf „festgelegte versicherungsmathematische Grundsätze“, die den Konsumenten nicht bekannt seien.

Nach den Feststellungen kann die Bonusrente nie ganz auf Null fallen, die Kürzung wäre aber jederzeit, auch in großem Ausmaß möglich. Über das Ausmaß der Kürzung sagt die Klausel nichts; sie legt dem Verbraucher aber auch nicht nahe, dass es nur ein geringes Ausmaß sein könnte. Daraus folgt somit keine Intransparenz der Klausel.

Gegen die behauptete Intransparenz der Wortfolge „versicherungsmathematische Grundsätze“ argumentiert die Bekl ua mit der aufsichtsrechtlichen Genehmigung ihres Modells, die den Transparenzstandard vorgebe.

In der E 7 Ob 125/15f, RdW 2016/141, wurde im Rahmen eines Individualprozesses zur möglichen Intransparenz im Fall zukünftiger Entwicklungen von Gewinnbeteiligungen bereits ausgeführt, dass die hier nicht garantierten Leistungspflichten aufgrund zukünftiger, nicht absehbarer Entwicklungen kein Fall des § 6 Abs 3 KSchG seien. Der Bekl werde keine Willkür eingeräumt; sie unterstehe der Überprüfung durch die FMA.

Gemäß § 92 VAG 2016 hat der Versicherer vor dem erstmaligen Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags die versicherungsmathematischen Grundlagen, die einem Lebensversicherungsprodukt zugrunde liegen, der FMA vorzulegen. Auch die Grundsätze der Kapitalanlage sind Bestandteil dieser versicherungsmathematischen Grundlagen. Der Lebensversicherer darf nur Verträge abschließen, die diesen Grundlagen entsprechen; der Abschluss von Verträgen, die davon nicht gedeckt sind, ist rechtswidrig. Die FMA kann mit Verordnung nähere Regelungen über Inhalt, Gliederung und Art der Übermittlung der versicherungsmathematischen Grundlagen treffen, was etwa in der Lebensversicherung Versicherungsmathematische Grundlagen-Verordnung (LV-VMGV) und der Lebensversicherung Gewinnplanverordnung (LV-GPV) geschieht (vgl dazu auch insgesamt Konwitschka in Fenyves/Perner/Riedler VersVG Vor § 159 Rz 16).

Die hier gegenständliche Bonusrente stellt eine Form der vorweggenommenen Gewinnbeteiligung dar, zu deren Erklärung die Abs 10 und 11 des § 16 der AVB zu beachten sind (vgl RS0121557 [T3]), worauf die Bekl in ihrer Revision zu Recht hinweist.

Daraus kann auch der durchschnittlich verständige, am Abschluss einer kapitalbildenden Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung in Form einer Bonusrente interessierte Versicherungsnehmer das Wesen dieser vorgezogenen Gewinnbeteiligung und den sich daraus ergebenden Umstand erkennen, dass zukünftige – zwangsläufig nicht absehbare – Entwicklungen auf die zukünftige Rente – in beide Richtungen – Einfluss nehmen können.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36869 vom 26.06.2025