News

Verbandsklage: Versicherungsschutz für Vereinsmitglieder – Verein als Unternehmer

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 1, § 28, § 29

Wird eine Leistung nur den Vereinsmitgliedern aufgrund ihrer Mitgliedschaft angeboten, wird dadurch mangels Außenauftritts (Marktauftritts) grds keine Unternehmereigenschaft begründet. Anderes gilt allerdings in dem Fall, dass der Verein ein Massenverein mit entsprechender Vertriebsorganisation ist und die Mitglieder im Wesentlichen nur deshalb beitreten, weil sie an den angebotenen Leistungen, nicht aber an der Teilnahme am Vereinsleben interessiert sind. In diesem Fall entwickelt sich innerhalb des Vereins ein eigener Markt, auf dem die Mitglieder angesichts ihrer Anzahl als Marktgegenseite auftreten und für den idR eine eigene Vertriebsorganisation erforderlich ist. Dann handelt es sich nicht mehr um einen typischen Idealverein, sondern um einen unternehmerisch tätigen Rechtsträger.

Beim Bekl handelt es sich nicht um einen typischen Idealverein (Geselligkeitsverein), sondern um einen professionell auftretenden Marktteilnehmer, der seinen Mitgliedern unterschiedliche Dienstleistungen anbietet, wie insb den Beitritt zu Gruppenversicherungsverträgen. Dabei ist auch in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Bekl für seine Vermittlungstätigkeit ein zusätzliches Entgelt vom Vereinsmitglied oder eine Provision vom Gruppenversicherer erhält, weil seine wirtschaftliche Tätigkeit schon in der professionellen Akquise einer Vielzahl von (Ski-)Versicherungsbeitritten durch Verbraucher und in der damit verbundenen offenkundigen Zielsetzung besteht, durch das Versicherungsangebot erhöhten Zulauf und damit Mehreinnahmen durch Mitgliedsbeiträge zu lukrieren.

Die vom Bekl verwendeten Klauseln sind daher auch am Maßstab des KSchG zu prüfen.

OGH 21. 2. 2023, 7 Ob 206/22b

Sachverhalt

Der Bekl ist ein (Sport-)Verein nach deutschem Recht. Sein Vereinszweck ist die nachhaltige Förderung des Sports unter angemessener Berücksichtigung von Umweltfragen. Er hat einen Gruppenversicherungsvertrag mit drei in Deutschland ansässigen Versicherungsunternehmen geschlossen. Der Bekl bietet unterschiedliche Formen der Mitgliedschaft an. Es gibt eine Mitgliedschaft ohne Versicherungsschutz und eine solche mit (unterschiedlichem Ausmaß an) Versicherungsschutz; im letzteren Fall bestimmt der Umfang des Versicherungsschutzes die Höhe des Mitgliedsbeitrags. Er bietet alle Formen der Mitgliedschaft auch in österreichischen Sportartikelgeschäften und in auf den österreichischen Markt ausgerichteten Onlineshops an.

Der Kl ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband und beanstandet im Rahmen seiner Unterlassungsklage sieben AGB-Klauseln.

Entscheidung

Anwendung österreichischen Rechts

Bei Unterlassungsklagen eines Verbraucherschutzverbands ist zwischen der Anknüpfung des Unterlassungsanspruchs einerseits und der Beurteilung der Zulässigkeit der Klauseln andererseits zu unterscheiden: Der Unterlassungsanspruch ist deliktsrechtlich zu qualifizieren, sodass das auf diesen Anspruch selbst anwendbare Recht nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu ermitteln ist, was im vorliegenden Fall unstrittig zur Anwendung österreichischen Rechts führt. Der Beurteilungsmaßstab ist dagegen ein vertragsrechtlicher, weshalb sich das maßgebende Recht für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klauseln nach der Rom I-VO richtet (EuGH C-191/15, VKI, RdW 2016/454; Musger in KBB6 Art 6 Rom I-VO Rz 2; Mankowski, Verbandsklagen, AGB-Recht und Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen, NJW 2016, 2705; vgl auch BGH Xa ZR 19/08 = NJW 2009, 3371).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Ausnahmetatbestand gem Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO nicht zur Anwendung kommt, zieht der Bekl in der Revision zurecht nicht mehr in Zweifel (RS0043338; vgl auch EuGH C-25/18, Kerr, Rz 33 f).

Es stellt sich daher die Frage, welche konkrete Kollisionsnorm der Rom I-VO im vorliegenden Fall anzuwenden ist. Die Anwendbarkeit des Art 7 Rom I-VO auf das Verhältnis zwischen dem Bekl als Gruppenversicherungsnehmer (Gruppenspitze) und seinen versicherten Mitgliedern ist unzweifelhaft zu verneinen. Bei der Versicherung für fremde Rechnung liegt zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem kein Versicherungsvertrag vor, sodass Art 7 Rom I-VO auf dieses Rechtsverhältnis schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar ist.

Hingegen ist Art 6 Abs 1 Rom I-VO anwendbar. Im vorliegenden Fall liegt allein in der professionellen Akquise einer Vielzahl von (Ski-)Versicherungsbeitritten durch Verbraucher ohne Zweifel eine gewerbliche bzw berufliche Tätigkeit des Bekl, zumal der Bekl durch das Versicherungsangebot gegenüber Verbrauchern offenkundig seine Attraktivität steigern will, um dadurch erhöhten Zulauf und Mehreinnahmen durch Mitgliedsbeiträge zu lukrieren. Die zentrale Bedeutung des Versicherungsanbots erhellt schon aus dem vorgelegten Ausdruck der Website des Bekl, wo in der Kopfzeile die Skiversicherung mindestens gleich prominent wie der Mitgliederservice offeriert wird. Der Bekl kann auch gar nicht schlüssig darlegen, warum eine derartige Tätigkeit typisch für einen gemeinnützigen Idealverein (Geselligkeitsverein) und daher nicht gewerblich bzw beruflich iSv Art 6 Rom I-VO sein soll. Es ist somit auch nicht relevant, ob der Bekl im Fall der Mitgliedschaft mit Versicherungsschutz den „Mehrbetrag“ (Versicherungsprämie) dem Versicherer bloß „weiterleitet“ und auch sonst kein Entgelt vom Versicherer für diese Vermittlungstätigkeit erhält. Insoweit liegt auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.

Da die weiteren Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 Rom I-VO (insbesondere das Ausrichten der Tätigkeit auf Österreich) vom Bekl nicht bestritten werden, hat die Prüfung der Klauseln auf Basis österreichischen Rechts zu erfolgen.

Unzulässigkeit der Klauseln

Weiters kam der OGH zum Ergebnis, dass die vom Bekl verwendeten Klauseln auch am Maßstab des KSchG zu prüfen sind (siehe oben im Leitsatz).

Alle inkriminierten Klauseln wurden für unwirksam erklärt (unzulässige Erklärungsfiktion, weil die Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG nicht eingehalten wurden; intransparente bzw gröblich benachteiligende Klauseln).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33809 vom 22.03.2023