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1. Verbotene Einlagenrückgewähr kann auch dann stattfinden, wenn die Zuwendung des Vermögensguts der Gesellschaft (hier: eine Wohnung) an einen (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafter (oder einen unechten Dritten) – wie hier – auf dem Handeln eines kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführers beruht. Wirksam vertreten ist eine Gesellschaft im Rahmen der verbotenen Einlagenrückgewähr nämlich tatsächlich nie (also auch nicht durch einen einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer). Für Geschäfte, in denen eine verbotene Einlagenrückgewähr liegt, mangelt es Geschäftsführern immer an der Vertretungsmacht. Rechtswirksame Vertretung ist also nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Rückgewähr (was auch im Fall des erkennbaren Missbrauchs der Vertretungsmacht gilt [vgl 1 Ob 28/15x, RdW 2016/63]), weil verbotene Einlagenrückgewähr immer Hand in Hand mit unwirksamer Vertretung geht.
Für den Akt der Leistung selbst (etwa Zahlung oder Herausgabe eines Gegenstands) wird es im Übrigen im Regelfall gar nicht auf die wirksame rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis ankommen, sondern bloß auf die bewusste Zuwendung eines offenkundig der Gesellschaft gehörigen Vermögensguts als Leistung der Gesellschaft. Auch bei einer irrtümlich überhöht veranlassten Überweisung namens der Gesellschaft vom Konto der Gesellschaft durch eine Angestellte (die nicht Geschäftsführerin ist), läge eine Leistung der Gesellschaft vor. Für eine Zurechnung der „Leistung“ ist ausreichend, dass die Zuwendung des Vermögensguts einer Gesellschaft bewusst (im Wissen um die Zurverfügungstellung namens der Gesellschaft) auf einer Handlung einer Person beruht, die diese Zuwendung als eine Leistung namens der Gesellschaft auffassen lässt (wenn auch etwa auf einem nicht wirksamen Rechtsgeschäft beruhend). Im vorliegenden Fall handelte bei Übergabe der Wohnung der (kollektivvertretungsbefugte) Geschäftsführer erkennbar für die Gesellschaft, und zwar vermeintlich in Erfüllung einer mit der Gesellschaft – tatsächlich nicht abgeschlossenen – mündlichen Vereinbarung.
Auch die bloße Nutzung einer Wohnung (hier samt Garagenstellplatz) kann grundsätzlich einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften darstellen. Unzulässig sind nämlich Zuwendungen und Vergünstigungen aller Art, die einem Fremdvergleich nicht standhalten. Wirtschaftlich betrachtet hatte die Zurverfügungstellung von Wohnraum einen Wert. Wesentlich ist, dass die Gesellschaft diesen Wohnwert einem mittelbaren Gesellschafter zur Verfügung stellte. Dies hätte sie bei einem Dritten nicht kostenlos getan; vielmehr hätte sie dafür Entgelt verlangt. Darauf, ob die Gesellschaft – ansonsten – hypothetisch nicht „vorgehabt“ hätte, die Wohnung zu vermieten, kann es damit nicht ankommen. Eine Erörterung des im Firmenbuch eingetragen Geschäftszweigs der GmbH („Vermietung von Wirtschaftsgütern“) ist daher für die Bejahung eines Rückgewährungsanspruchs nach § 83 GmbHG entbehrlich.
2. Für einen Fall wie hier, in dem der mittelbare Gesellschafter alleiniger Anteilseigner der zwischengeschalteten Gesellschaft und überdies auch deren Geschäftsführer ist, schließt sich der erkennende Senat den Befürwortern der Solidarhaftung von unmittelbarem und mittelbarem Gesellschafter an.
Hinweis: Die Berichtigung eines offenkundigen Diktatfehlers mit Beschluss vom 11. 12. 2024 wurde hier bereits berücksichtigt.
Entscheidung
Solidarische Haftung
Die kl GmbH verfolgt mit ihrer Klage Zahlung für die unberechtigte Nutzung zweier Wohnungen samt Stellplätzen; sie stützt sich dafür auf einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, auf Geschäftsführerhaftung und auf Bereicherungsrecht. Erstbekl ist eine der beiden 50%-Gesellschafterinnen der Kl (ebenfalls eine GmbH). Der Zweitbekl ist deren alleiniger Anteilseigner und Geschäftsführer sowie einer der beiden kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer der Kl.
Der erkennende Senat schließt sich für einen Fall wie hier, in dem der unmittelbare Gesellschafter alleiniger Anteilseigner der zwischengeschalteten Gesellschaft und überdies auch deren Geschäftsführer ist, den Befürwortern der Solidarhaftung von unmittelbarem und mittelbarem Gesellschafter an. Die Leistung an ihn erfolgte hier (auch) causa societatis seiner Beteiligung an der Erstbekl. Wegen seiner Verbundenheit über die Erstbekl mit der Kl (worin wohl auch der Grund für seine Bestellung als Geschäftsführer beider Gesellschaften liegt) erfolgte eine Zuwendung, die ansonsten nicht stattgefunden hätte. In der Zuwendung an ihn als den mittelbaren Gesellschafter liegt nur deshalb eine verbotene Einlagenrückgewähr, weil sie der Leistung an einen unmittelbaren Gesellschafter gleichgehalten wird, und nur deshalb hat die Kl überhaupt einen Rückersatzanspruch nach § 83 GmbHG, sodass die Erstbekl auch für Letzteres nicht „auszublenden“ ist. Es erlangte zwar scheinbar nur ihr unmittelbarer Gesellschafter einen Vorteil, jedoch liegt zum einen bei der vorliegenden Konstellation der Gedanke einer wirtschaftlichen Einheit nahe. Zum anderen wird auch bei Leistungen an sonstige nahe Angehörige nicht geprüft, inwieweit dadurch dem Gesellschafter tatsächlich selbst ein echter Vorteil erwächst.
Ausgehend von diesen Überlegungen kann die unentgeltliche Zuwendung als eine von der Erstbekl vermittelte Leistung aufgefasst und dahin „zerlegt“ werden, dass darin eine über die Erstbekl vermittelte und ihr daher als zu ihren Gunsten zu wertende Leistung liegt, mit der uno actu (auch) eine unentgeltliche Zuwendung der unmittelbaren Gesellschafterin an ihren Gesellschafter, den Zweitbekl, vorgenommen wurde. Hier kommt – als durchaus häufige Konstellation im Gesellschaftsrecht – außerdem hinzu, dass die Positionen der Geschäftsführung der Kl, jener der Erstbekl und die Stellung als Alleingesellschafter bei der Erstbekl allesamt vom Zweitbekl verkörpert werden. Die Erstbekl wusste damit über alle Vorgänge bestens Bescheid, und es hätte „ihr“ Geschäftsführer sich gegen die Nutzung wenden müssen, war doch für jeden voll informierten Beobachter bei objektiver Betrachtung ersichtlich, dass eine Einigung tatsächlich ausstand und die Zuwendung unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Einlagenrückgewähr zu unterbleiben gehabt hätte.
Nach dem Grundprinzip der §§ 82 f GmbHG soll sich die Gesellschaft wegen einer verbotenen Einlagenrückgewähr an ihre Gesellschafter wenden können (und mit ihrem Anspruch auf Rückersatz an das nach § 92c JN zuständige Gericht am Sitz der Gesellschaft; vgl 17 Ob 21/23x, RdW 2024/285, zu Abgrenzungsschwierigkeiten, wollte man einem bloß mittelbar an der „Handelsgesellschaft“ Beteiligten die Eigenschaft als „Mitglied“ zuerkennen [wenn auch unter dem Blickwinkel der Beurteilung der Zuständigkeit]). Es ist daher nicht einleuchtend, warum sich die Kl auf den Zweitbekl als alleinigen Haftungsfonds verweisen lassen müsste, zumal mit dem Durchgriff auf den Zweitbekl dem Kapitalerhaltungsgebot auf Ebene der leistenden Gesellschaft nur bei tatsächlicher Erfüllung des Anspruchs Genüge getan ist. Wäre dieser nicht liquid oder auch nur für eine Exekution nicht greifbar, ginge dies zu Lasten der leistenden Gesellschaft, deren Vermögen wegen der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung mit der Erstbekl geschmälert wurde.
Die solidarische Haftung der Erstbekl mit dem Zweitbekl für die verbotene Einlagenrückgewähr ist damit zu bejahen.
Keine Verjährung
Im vorliegenden Fall fungierte der zum Rückersatz Verpflichtete als einer von zwei für die Vertretung notwendigen Geschäftsführern der Kl und es bestand bei ihm für die Geltendmachung dieses Anspruchs eine Interessenkollision. Die Gesellschaft verfügte daher (schon) in der ersten logischen Sekunde nach der die verbotene Einlagenrückgewähr bewirkenden Handlung nicht über eine ordnungsgemäße (interessenkollisionsfreie) Vertretung. Die Verjährung der diesbezüglichen Ansprüche der Gesellschaft war somit vorerst in analoger Anwendung von § 1494 ABGB gehemmt.
Damit wäre es an den Bekl gelegen, die für ihren Standpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten (und zu beweisen), aus denen sich konkret ein Wegfall der Anlaufhemmung (und damit hier überhaupt der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist) ab einem bestimmten Zeitpunkt vor tatsächlicher Beseitigung des Vertretungsmangels ableiten ließe. Die Bekl haben sich aber im Verfahren erster Instanz zum Einwand der Verjährung bloß auf den Zeitablauf von (mehr als) drei bzw fünf Jahren hinsichtlich der Entgelte für die „Mietzinse“ bis zur Klage berufen und weder Vorbringen zum gebotenen Verhalten der anderen Gesellschafterin oder des zweiten Geschäftsführers hinsichtlich zeitlich früherer Schritte zur Anspruchsverfolgung und einem daran anschließenden früheren Ende des Vertretungsmangels erstattet, noch haben sie insoweit einen Anleitfehler des ErstG in der Berufung releviert.
Trotz des Fehlens entsprechenden Vorbringens hält der OGH fest, dass es um eine Forderung im „Innenverhältnis“ zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern oder Organen geht und überdies das Verbot der Einlagenrückgewähr letztlich dem Schutz der Gläubiger dienen soll, die auf die Vertretung und Geltendmachung solcher Forderungen keinen Einfluss haben. Bei pflichtwidriger, schuldhafter Säumnis des „unbefangenen“ Geschäftsführers mag dieser zwar gegenüber der Gesellschaft für eine durch den Zeitablauf verschlechterte Bonität des Schuldners und damit der Einbringlichkeit der Forderung haften (dazu Auer, Glosse zu 6 Ob 170/23b GesRZ 2024, 190). Im Regelfall wird es aber durchaus objektiv geboten – weil wirtschaftlich vernünftig – und von einem „unbefangenen“ Kollektivgeschäftsführer auch zu erwarten sein, vorerst zu versuchen, Meinungsdifferenzen oder sogar Missstände der Geschäftsführung oder mit den Gesellschaftern außergerichtlich zu bereinigen. Sofern kein Fall vorliegt, der sofort zur Beseitigung der Vertretung durch den „befangenen“ Geschäftsführer zu führen hätte, muss der „unbefangene“ Geschäftsführer nämlich in anderen Fragen weiterhin die Geschäfte der Gesellschaft gemeinsam mit dem „befangenen“ Geschäftsführer führen und die Kosten einer anderen Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf die konkrete mit einer Interessenkollision belastete Forderung bedenken.
Noch weniger wären sofortige Maßnahmen im Regelfall von den Gesellschaftern zu erwarten oder zu verlangen. Die Gesellschafter sind grds nicht zur Vertretung der Gesellschaft berufen. Abgesehen von der Frage, ob sich vorliegenden Fall ein Gesellschafter bei Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung nach § 83 GmbHG gegen den Zweitbekl als mittelbaren Gesellschafter überhaupt auf eine Klagebefugnis nach § 48 GmbHG stützen könnte (die Bestimmung erfasst nach ihrem Wortlaut – soweit hier von Bedeutung – Ansprüche gegen „Gesellschafter“), bestünden für den kl Gesellschafter bei einer Klage nach § 48 GmbHG verschiedene Nachteile (vgl § 48 Abs 3 und Abs 4 GmbHG). Offen ist weiters, welche Bedeutung im hier zu betrachtenden Fokus des Entfalls der Verjährungshemmung Abs 2 leg cit zukäme, wonach die Klage binnen eines Jahres von dem Tag der erfolgten oder vereitelten Beschlussfassung erhoben werden muss.
Gesellschafter werden zudem vordergründig darauf vertrauen können, dass der „unbefangene“ kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführer hinsichtlich etwaiger Ansprüche wegen verbotener Einlagenrückgewähr tätig werden wird, und dürfen dem Geschäftsführer (im Regelfall) auch vorrangig und zeitlich an erster Stelle den Versuch einer außergerichtlichen Bereinigung solcher Streitpunkte einräumen.
Die Frage, ab wann nun ein unbefangener kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer einer Gesellschaft oder ein Gesellschafter Schritte zur Beseitigung des Vertretungsmangels zu setzen gehabt hätte und wann der Vertretungsmangel dann (schon früher) beendet gewesen wäre (sodass die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hätte), wird sich immer nur im Einzelfall und ausgehend vom dazu erstatteten – hier aber fehlenden – Vorbringen beantworten lassen.
Selbst wenn man im vorliegenden Fall die Ansicht zugrunde legte, dass die Hemmung der Verjährung – ab einem bestimmten Zeitpunkt – zu Lasten der Gesellschaft weggefallen sei (weil der „unbefangene Kollektivgeschäftsführers“ entsprechende Schritte nicht schon früher gesetzt hätte), wäre hier die fünfjährige Verjährungsfrist (nach § 25 Abs 6 und § 83 Abs 5 GmbHG) vor Klagseinbringung noch nicht abgelaufen: Die im Regelfall angebrachten Versuche, Differenzen (hier über den Abschluss einer schon zuvor mündlich vereinbarten Option betr die Wohnungen) außergerichtlich und „untereinander“ zu klären, hatten einen „Teilerfolg“ für sich (Unterfertigung von Verträgen betr den Kauf der Wohnungen und Garagenplätze durch den Zweitbekl). Die Bekl vertreten dazu die – mangels Feststellungen zum Parteiwillen noch nicht abschließend prüfbare – Auffassung, es seien mit diesem Vertragsschluss die (zuvor in den Raum gestellte) „Räumungsklage“ und auch die Nutzung der Wohnungen „erledigt“ worden. Nach der gegenteiligen Auffassung der Kl war die Frage der Abgeltung der Nutzung der Wohnungen noch offen und bedurfte einer Regelung. Auch insoweit musste dem zweiten Kollektivgeschäftsführer aber noch ein Zeitraum für eine außergerichtliche Regelung – offenbar unterschiedlich gesehener – weiterhin offener Punkte verbleiben.
Sogar dann, wenn man dafür von einem sicherlich zu kurzem Zeitraum von nur 14 Tagen ausginge, wären die Ansprüche nicht verjährt: Wäre der Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators schon 14 Tage nach Abschluss des Kaufvertrags eingebracht worden und schlösse man daran den Zeitverlauf des Verfahrens an, wäre es hypothetisch zu einer rk Bestellung des Kollisionskurators am 25. 7. 2015 gekommen. Die Dauer dieses Verfahrens (in dem über Rekurs und Revisionsrekurs der Erstbekl zu entscheiden war) kann der Gesellschaft aber nicht zur Last gelegt werden. Hypothetisch wäre also – mit früherer rk Bestellung der ordnungsgemäßen Vertretung (hier: des Kollisionskurators) – der die (Anlauf-)Hemmung der Verjährung bewirkende Vertretungsmangel zwar womöglich früher weggefallen und es hätte die fünfjährige Verjährungsfrist damals zu laufen begonnen. Auch dann wäre sie aber in Ansehung der Einbringung der Klage am 21. 7. 2020 nicht abgelaufen gewesen.
Die geltend gemachten Ansprüche wegen Geschäftsführerhaftung und Einlagenrückgewähr (§§ 25, 83 GmbHG) sind damit nicht verjährt.