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Verbrauchergerichtsstand: „Ausrichten“ der Tätigkeit auf Verbraucherstaat

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EuGVVO 2012: Art 17, Art 18

Die besonderen Zuständigkeitsregeln der EuGVVO 2012 für Verbraucherverträge sind gem Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO 2012 ua dann anzuwenden, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat.

Im vorliegenden Fall kann der Kl (Verbraucher mit Wohnsitz in Österreich) seine Klage auf Verbesserung des gekauften Fahrzeugs auf den Gerichtsstand nach Art 18 Abs 1 zweite Alternative EuGVVO 2012 stützen. Zwar hat er das Fahrzeug (einen Oldtimer als Restaurierungsobjekt) am Unternehmenssitz des Bekl in Deutschland erworben, allerdings richtet der Bekl seine gewerbliche Tätigkeit auch auf Österreich aus, und zwar - entgegen seiner Ansicht - nicht nur betr den Verkauf von Ersatzteilen für Oldtimer, sondern auch betr den Verkauf der Oldtimer selbst:

Die Website des Bekl ist auf Deutsch und Englisch abrufbar und bewirbt sowohl die Oldtimer als auch die Ersatzteile für die Oldtimer. Der Bekl wirbt – sowohl für die Oldtimer als auch für die Ersatzteile – gezielt mit einem europaweiten Kundenkreis und bietet zumindest den Versand von Ersatzteilen für Oldtimer innerhalb der gesamten EU an. Und schließlich stellt er den Verkauf und Versand der Ersatzteile für Oldtimer in einen Zusammenhang mit dem Verkauf der Oldtimer selbst: Er preist nicht nur die Qualität seiner Ersatzteile an, sondern hebt die positiven Auswirkungen des angebotenen Verkaufs und Versands von Ersatzteilen für den Käufer eines Oldtimers hervo („Wir verstehen, dass es für Oldtimerbesitzer wichtig ist, dass ihr Fahrzeug in einwandfreiem Zustand gehalten wird, und bieten daher viele Originalteile an, die oft nicht mehr zu bekommen sind.“) Gerade für Kunden (wie den Kl), die einen als Restaurierungsobjekt angebotenen Oldtimer erwerben wollen, ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen im Hinblick auf den üblicherweise (hohen) Ersatzteilbedarf im Regelfall ein zentrales Argument dafür, den Vertrag mit dem Bekl zu schließen. Der Bekl als Anbieter von (restaurierungsbedürftigen) Oldtimern wird sich eher gegen seine Mitbewerber durchsetzen, wenn er dem Kunden die benötigten Ersatzteile „unbürokratisch“ zusendet und wenn man seiner Website bereits die entsprechenden Versandkosten entnehmen kann. Gerade vor diesem Hintergrund drückt er mit seiner Website zumindest seinen Willen aus, Verbraucher aus der gesamten EU als Kunden zu gewinnen – und zwar nicht nur für den Erwerb von Ersatzteilen, sondern auch für den Erwerb von (restaurierungsbedürftigen) Oldtimern (und zwar unabhängig davon, ob er über seine Website auch die Oldtimer vertreibt). Der Bekl gibt insofern aktiv zu erkennen, dass er bereit ist, mit Verbrauchern mit Wohnsitz in der EU – und damit auch in Österreich – Kaufverträge über Oldtimer zu schließen. Er richtet seine Tätigkeit dadurch auf Österreich aus (iSd Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO 2012).

OGH 16. 5. 2024, 9 Ob 13/24p

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35672 vom 18.07.2024