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Abstract
§ 292 BAO begründet einen Anspruch auf Verfahrenshilfe im Beschwerdeverfahren vor dem BFG. Voraussetzung der Gewährung von Verfahrenshilfe ist die wirtschaftliche Notwendigkeit, sowie das Vorliegen besonders schwieriger Rechtsfragen (kumulativ). Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Notwendigkeit ist eine Schätzung der voraussichtlichen Verfahrenskosten unerlässlich. Eine juristische Ausbildung des Bf schließt die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht aus.
VwGH 29. 1. 2020, Ra 2019/13/0071
Sachverhalt
In Folge von Außenprüfungen wurden die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 bis 2008 des Revisionswerbers wiederaufgenommen und die Einkommensteuer für die Streitjahre neu festgesetzt. Unstrittig war, dass das Verfahren sowohl auf Sachverhalts- als auch auf Rechtsfragenebene von hoher Komplexität ist. Im Hinblick auf den Umfang und die Komplexität des Verfahrens beantragte der Revisionswerber – ein wirtschaftlich erfahrener Jurist – Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO zur Abfassung eines Vorlageantrags. Das BFG sprach dem Revisionswerber sowohl die wirtschaftliche Notwendigkeit der Verfahrenshilfe als auch die Notwenigkeit eines rechtsfreundlichen Beistands ab. Eine mögliche Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts durch die Kosten des Beschwerdeverfahrens hielt das BFG aufgrund der Vermögens- und Einkommenssituation des Beschwerdeführers für ausgeschlossen. Aufgrund seiner juristischen Ausbildung und Erfahrung könne der Beschwerdeführer sein Verfahren zudem auch selbst führen. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wurde daher vom BFG abgewiesen.
Entscheidung
Die Bewilligung der Verfahrenshilfe erfordert gemäß § 292 BAO - wie auch die als Vorbild dienende Regelung des § 63 ZPO - kumulativ das Vorliegen von wirtschaftlichen Voraussetzungen einerseits und von verfahrensbezogenen Voraussetzungen anderseits.
Wirtschaftliche Notwendigkeit: Was die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe anbelangt, so hat das BFG zwar Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage getroffen, eine Schätzung der auf Seiten des Antragstellers voraussichtlich anfallenden Kosten aber nicht unternommen. Eine Schätzung der voraussichtlichen Verfahrenskosten ist zur Beantwortung der Frage, ob die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts aufgebracht werden können, jedoch unerlässlich. Gerade im Hinblick auf den erheblichen Umfang des Verfahrens kann auch bei den festgestellten, hohen Einkünften des Revisionswerbers nicht auf rechtlich einwandfreie Weise beurteilt werden, ob die Tragung der Verfahrenskosten zu einer Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts führen würde.
Besonders schwierige Rechtsfragen: Was die besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art betrifft, ist davon auszugehen, dass der Revisionswerber in den Sachverhalt, der Gegenstand seiner Abgabenverfahren ist, selbst den besten Einblick haben müsste. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass er - auch wenn er juristisch ausgebildet und zweifellos wirtschaftlich erfahren ist - auch in der Lage ist, die rechtliche Relevanz etwa von Auslandssachverhalten in einer Weise zu überblicken, die für eine ordnungsgemäße Führung des Verfahrens erforderlich ist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass gegen diese Voraussetzung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (vgl den Prüfungsbeschluss des VfGH 11. 12. 2019, E 2851/2018-17, Rz 15 ff).
Conclusio
Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Notwendigkeit ist jedenfalls eine Schätzung der voraussichtlichen Verfahrenskosten vorzunehmen. Die Gewährung von Verfahrenshilfe nur bei „besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art“ könnte verfassungswidrig sein. Die Entscheidung des VfGH im Gesetzesprüfungsverfahren bleibt abzuwarten.