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Vergabe: Antragslegitimation in Nachprüfungsverfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2018: § 342

Ein Nachprüfungsantrag, der auf die Nichtigerklärung einzelner als rechtswidrig angesehener Bestimmungen der Ausschreibung bzw der Aufforderung zur Teilnahme gerichtet ist, kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass das antragstellende Unternehmen die Vorgaben gerade dieser Bestimmungen nicht erfülle, es daher auszuscheiden gewesen wäre und ihm damit die Antragslegitimation fehle. Anderenfalls wäre dem Unternehmen in solchen Fällen der Zugang zur Nachprüfung der Ausschreibung verwehrt.

VwGH 29. 1. 2025, Ra 2021/04/0195

Entscheidung

Nachprüfungsverfahren – Antragslegitimation

Hat ein Unternehmen deshalb kein Angebot gelegt, weil es sich durch angeblich diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen oder im Pflichtenheft gerade daran gehindert gesehen hat, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, ist es berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren für den betreffenden öffentlichen Auftrag abgeschlossen ist. Es kann nämlich von dem Unternehmen in einem solchen Fall nicht verlangt werden, im Rahmen des betreffenden Vergabeverfahrens ein Angebot zu legen, obwohl es aufgrund der genannten Spezifikationen keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hat (vgl VwGH 3. 8. 2023, Ra 2020/04/0134, Rn 21; unter Hinweis auf EuGH 12. 2. 2004, C-230/02, Grossmann Air Service).

Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten (einzelne als rechtswidrig angesehene Bestimmungen der Ausschreibung bzw Aufforderung zur Teilnahme).

Berücksichtigung eines nicht herangezogenen Ausscheidensgrundes

Beabsichtigt die Vergabekontrollbehörde, einen vom Auftraggeber nicht herangezogenen Ausscheidensgrund zu berücksichtigen - sei es für die Antragszurückweisung oder für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Ausscheidensgrundes des Auftraggebers -, muss sie dem Antragsteller Gelegenheit geben, die Stichhaltigkeit dieses (von ihr angenommenen) Ausscheidensgrundes anzuzweifeln. Dazu hat sie dem Antragsteller vorzuhalten, welchen Sachverhalt sie dafür heranzuziehen beabsichtigt (vgl VwGH 25. 10. 2016, Ra 2016/04/0093, Rn 20, mwN, unter Hinweis auf EuGH 19. 6. 2003, C-249/01, Hackermüller).

Im vorliegeden Fall hat das VwG als Ausscheidensgrund den nicht erreichten Mindestjahresumsatz und das Fehlen einer Betriebshaftpflichtversicherung in der vorgegebenen Höhe angenommen, der revisionswerbenden Partei aber nicht vorgehalten.

In der Revision wird geltend gemacht, dass die revisionswerbende Partei keine Gelegenheit gehabt habe, auf die offenkundig falschen Annahmen zur fehlenden Eignung hinzuweisen und die Stichhaltigkeit der Annahmen des VwG zu entkräften. Hätte sie die Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt, hätte sie das VwG auf die falschen, das heißt unvollständigen bzw aktenwidrigen Annahmen hinweisen können, wie sie dies nun erstmals mit der vorliegenden Revision machen könne.

Damit ist auch eine mögliche Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels für die Entscheidung des VwG hinreichend dargelegt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36615 vom 10.04.2025