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BVergG 2018: § 89, § 260
Die Kl begehrte die Herausgabe von Ausschreibungsunterlagen zu einem bereits beendeten Vergabeverfahren, nachdem das BVwG dessen rechtswidrige Durchführung festgestellt und den Rahmenvertrag mit der Bestbieterin aufgehoben hatte. Die Kl hatte sich weder an diesem Vergabeverfahrenbeteiligt noch an der Neuausschreibung. Sie stützt ihren Herausgabeanspruch – ohne Erfolg – einerseits auf §§ 89, 260 BVergG 2018 und andererseits auf einen Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo, den sie mit einem Informationsdefizit „wegen verunmöglichter Einblicke in den Markt“ begründet.
Nach § 89 Abs 2, § 260 Abs 2 BVergG 2018 muss die Verfügbarkeit von elektronisch zur Verfügung gestellten Ausschreibungsunterlagen zumindest bis zum Ablauf der Teilnahmeantrags- bzw Angebotsfrist gewährleistet sein. Diese Bestimmungen betreffen die Durchführung des Vergabeverfahrens und daher nur den Zeitraum bis zur Beendigung des konkreten Vergabeverfahrens. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts regeln diese Bestimmungen den Endzeitpunkt, bis zu dem die Ausschreibungsunterlagen jedenfalls verfügbar (abrufbar) bleiben müssen. Die Bereitstellung über diesen Zeitpunkt hinaus ist zwar zulässig, aber nicht verpflichtend. Dementsprechend wird in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 69 BlgNR 26. GP 114) ausgeführt, das § 89 Abs 2 BVergG 2018 den Zeitpunkt regelt, bis zu dem die Ausschreibungsunterlagen verfügbar sein müssen. Beim Verhandlungsverfahren ist das der Ablauf der Angebotsfrist für das endgültige Angebot. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Zweck der Regelungen.
Aus der Wendung „unrestricted and full direct access free of charge“ in der englischen Sprachfassung der zugrunde liegenden RL 2014/24/EU (VergabeRL) folgt kein anderes Ergebnis. „Unrestricted“ bedeutet, dass die Abrufbarkeit nicht durch (technische) Zugangsmodalitäten beschränkt werden darf; eine zeitliche Komponente ist damit nicht verbunden.
Entscheidung
Ausschreibungsunterlagen
Auch der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz (siehe dazu 8 Ob 12/15w, Zak 2015/573; 4 Ob 94/17b, RdW 2018/424) führt im gegebenen Kontext zu keinen weitergehenden Ansprüchen, weil dieser Grundsatz ohnehin schon bei Ausarbeitung der Vergabe-RL und insb der Rechtsmittel-RL 89/665/EWG berücksichtigt wurde und zum Ausdruck kommt. Die Kl kann selbst nicht nachvollziehbar begründen, inwieweit es für einen von ihr behaupteten konkreten unionalen Anspruch an „effektiven“ verfahrensrechtlichen Vorschriften mangeln sollte.
Aus der E zu 1 Ob 663/89 ist für die Kl schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sie nicht Bieterin war.
Ausgehend von dieser eindeutigen Rechtslage ist die Beurteilung des BerufungsG nicht korrekturbedürftig, dass aus § 89 (bzw § 260) BVergG 2018 keine Verpflichtung abgeleitet werden könne, die Ausschreibungsunterlagen über den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung hinaus zur Verfügung zu stellen.
Schadenersatz
Was die von der Kl angezogene schadenersatzrechtliche Grundlage anbelangt, macht sie explizit keine Ersatzansprüche geltend, die in in der Spezialnorm des § 369 BVergG 2018 vorgesehene sind (vgl dazu 7 Ob 219/19k, Rechtsnews 30261; 1 Ob 226/20x, RdW 2021/453). Vielmehr beruft sie sich (nur) auf den „weiten Schadensbegriff“ des ABGB, der auch das von ihr geltend gemachte „Informationsdefizit“ umfasse.
Der OGH hat in der E 1 Ob 226/20x bereits ausgesprochen, dass dem österreichischen Recht ein Anspruch auf Abgeltung des Nachteils durch den „Verlust der Chance der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ fremd ist, weil es sich dabei um kein selbstständiges Rechtsgut mit einem Verkehrswert handelt. Diese Beurteilung gilt umso mehr für ein reines Informationsinteresse am Marktgeschehen, das – ohne Bestehen einer Sondervorschrift – für sich allein keinen Vermögensnachteil begründet. Auf eine im Rahmen des Vergabeverfahrens bereits erworbene Rechtsposition kann sich die Kl schon mangels Beteiligung an diesem nicht stützen.
Im Übrigen müsste sich die Kl für die erfolgreiche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs auf einen tauglichen Rechtsgrund stützen können.
Zur culpa in contrahendo ist in der Rsp zwar anerkannt, dass vorvertragliche Sorgfaltspflichten auch im Vergabeverfahren auf das Verhältnis zwischen den Ausschreibenden und den Bietern anzuwenden ist (RS0013934). Die Kl war am Vergabeverfahren allerdings nicht als Bewerberin oder Bieterin beteiligt. Allgemein setzt die culpa in contrahendo zumindest die Aufnahme eines rechtsgeschäftlichen Kontakts zum Schädiger im Hinblick auf einen möglichen künftigen Vertragsabschluss voraus (vgl 8 ObA 10/14z, RdW 2015/120; 7 Ob 157/12g, RdW 2013/281). Derartiges macht die Kl aber nicht geltend.
Die Beurteilung des BerufungsG, dass für den schadenersatzrechtlichen Ausgleich des von der Kl pauschal behaupteten Informationsdefizits keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung stehe, steht daher mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang.