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Vergabe: Vorabentscheidungsersuchen zur SektorenRL

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2014/25/EU: Art 57

Der VwGH hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH betr Zuständigkeit einer vergaberechtlichen Nachprüfungsstelle bei einem Auftraggeber mit Anknüpfungspunkten zu verschiedenen Mitgliedstaaten gestellt:

Die Anwendbarkeit der Kollisionsnorm des Art 57 Abs 3 der RL 2014/25/EU (SektorenRL) setzt voraus, dass eine zentrale Beschaffung durch eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz „in einem anderen Mitgliedstaat“ erfolgt. Im vorliegenden Fall liegt eine zentrale Beschaffung vor. Die EBS GmbH (die zentrale Beschaffungsstelle) hat ihren Sitz in Österreich und die EY EAD (die Auftraggeberin) hat ihren Sitz in Bulgarien. Da die EY EAD aber von einer österreichischen Gebietskörperschaft finanziell beherrscht wird, bestehen - je nachdem, ob man den Sitz der Auftraggeberin oder ihre Beherrschung als maßgeblich erachtet - Anknüpfungspunkte für eine Zuordnung der Auftraggeberin zu zwei verschiedenen Mitgliedstaaten.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage nach den anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie nach der Zuständigkeit einer österreichischen Nachprüfungsstelle (des LVwG). Dafür sind zunächst der Anwendungsbereich (Frage 1) und die Reichweite (Frage 2) der Kollisionsnorm des Art 57 Abs 3 SektorenRL zu beurteilen. Sollte Art 57 Abs 3 SektorenRL keine Aussage zur dargelegten Konstellation enthalten, stellt sich die Frage, nach welchen Parametern sich dann die Zuständigkeit und die anwendbaren Verfahrensvorschriften bestimmen (Frage 3).

VwGH 23. 6. 2022, EU 2022/0012 bis EU 2022/0015 (Ro 2021/04/0001 bis 0004; C-480/22)

Vorabentscheidungsersuchen

Der VwGH hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.Ist Art 57 Abs 3 der RL 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 2. 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der RL 2004/17/EG dahingehend auszulegen, dass eine zentrale Beschaffung durch eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz „in einem anderen Mitgliedstaat“ dann vorliegt, wenn der Auftraggeber - unabhängig von der Frage der Zurechnung der Beherrschung dieses Auftraggebers - seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als die zentrale Beschaffungsstelle hat?
2. Falls Frage 1 bejaht wird:Erfasst die Kollisionsnorm des Art 57 Abs 3 der RL 2014/25/EU, wonach die „zentrale Beschaffung“ durch eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gem den nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats erfolgt, in dem die zentrale Beschaffungsstelle ihren Sitz hat, auch die Rechtsvorschriften für Nachprüfungsverfahren und die Zuständigkeit der Nachprüfungsstelle iSd RL 92/13/EWG des Rates vom 25. 2. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor?
3. Falls Frage 1 oder Frage 2 verneint wird:Ist die RL 92/13/EWG und insb ihr Art 1 Abs 1 vierter Unterabsatz dahingehend auszulegen, dass die Zuständigkeit einer nationalen Nachprüfungsstelle zur Nachprüfung von Entscheidungen der Auftraggeber alle Auftraggeber erfassen muss, die ihren Sitz im Mitgliedstaat der Nachprüfungsstelle haben, oder hat sich die Zuständigkeit danach zu richten, ob der beherrschende Einfluss über den Auftraggeber (iSd Art 3 Z 4 lit c bzw des Art 4 Abs 2 der RL 2014/25/EU) von einer Gebietskörperschaft bzw einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeht, die dem Mitgliedstaat der Nachprüfungsstelle zuzuordnen ist?
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32878 vom 02.08.2022