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Vergabe: Warnpflicht betr Mehrkosten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1168a

Die Grundsätze der Lehre von den vorvertraglichen Sorgfaltspflichten sind auch im Vergabeverfahren auf das Verhältnis zwischen Ausschreibenden und Bietern anzuwenden (vgl 3 Ob 122/05w). Die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Bieter und die Ermittung des Bestbieters in transparenter und objektiver Weise würden unterlaufen, wenn ein Bieter mit einem Angebot Bestbieter wird, obwohl er schon vorhat, nach Erhalt des Auftrags ein Nachtragsangebot für von Anfang an unvermeidlich notwendige Arbeiten zu legen. Auch dies stellt einen Fall der culpa in contrahendo dar, im Besonderen eine Verletzung der Warnpflicht des § 1168a ABGB, wonach ein Unternehmer für den Schaden verantwortlich ist, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit der vom Besteller gegebenen Stoffe oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. Diese Warnpflicht des Unternehmers nach § 1168a ABGB besteht grundsätzlich auch gegenüber einem sachkundigen Besteller.

Sind die zu erbringenden Leistungen in der Ausschreibung technisch klar definiert, ist zu prüfen, ob die von der Bieterin (Kl) geforderten Mehrkosten auf Maßnahmen zurückzuführen sind, die bereits in der Ausschreibung vorgesehen waren und die dann auch im Angebot der Kl berücksichtigt hätten werden müssen, sodass die Klagsforderung hier nicht berechtigt wäre. Ist die Ausschreibung – technischunbestimmt oder beziehen sich die geltend gemachten Mehrkosten nicht auf die bereits in der Ausschreibung definierten Maßnahmen, dann gelangt § 1168a ABGB und dessen Rechtsfolgen zur Anwendung.

Steht fest, dass es sich um Mehrkosten für Maßnahmen handelt, die über jene in der Ausschreibung – technisch klar – geforderten hinausgingen, wäre zu unterscheiden:

-Entstanden die Mehrkosten aufgrund von Maßnahmen, die in der Ausschreibung zwar nicht ausreichend klar vorgesehen waren, deren Notwendigkeit aber wegen der dort beschriebenen eingeschränkten Tauglichkeit des Materials von der Kl aufgrund ihrer Sachkunde erkannt werden musste, wäre ihr eine vorvertragliche Verletzung der Warnpflicht vorzuwerfen, wenn sie einen entsprechenden Hinweis an die Auftraggeberin unterließ und ein – um die notwendigen Mehrkosten – geringer gehaltenes Anbot abgab.
-Musste die Kl die Notwendigkeit der Maßnahmen – für die sie Mehrkosten begehrt – nicht aus den Ausschreibungsunterlagen, sondern erst im Zuge der Bauführung erkennen, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage einer Warnpflichtverletzung. Deren Beurteilung erfordert hier Feststellungen zur tatsächlichen Bodenbeschaffenheit und damit der (Un-)Tauglichkeit des Materials sowie zur Frage, ob die Kl die Bekl auf die während der Bauphase zutage getretene fehlende Eignung hinwies.

VwGH 19. 2. 2020, 7 Ob 191/19t

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29355 vom 09.07.2020