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Verjährung der Urlaubsersatzleistung

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrlG: § 4 Abs 5, § 10

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach dem UrlG kann nach § 4 Abs 5 UrlG auf zwei Folgejahre vorgetragen werden, was bedeutet, dass dem Arbeitnehmer drei Jahre zum Verbrauch eines jeden Jahresurlaubs zur Verfügung stehen. Kommt es zu keinem Urlaubsverbrauch während des aufrechten Dienstverhältnisses, hat der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Urlaubsersatzleistung. Die Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubs in Form der Urlaubsersatzleistung hängt nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer während des Dienstverhältnisses vergeblich einen Naturalurlaub beantragt hat und ist daher innerhalb der Verjährungsfrist des § 4 Abs 5 UrlG geltend zu machen.

Nur wenn der Arbeitgeber die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat und der Arbeitnehmer dem Verjährungseinwand des Arbeitgebers dessen Arglist engegenhält, kann sich der Arbeitgeber nicht darauf stützen, dass der Urlaub bereits iSd § 4 Abs 5 UrlG verjährt sei. Die unterschiedliche Auffassung darüber, ob ein Beschäftigungsverhältnis als echtes oder freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist, begründet den Vorwurf der Arglist im Regelfall nicht.

OGH 29. 8. 2019, 8 ObA 62/18b

Sachverhalt

Der Kläger war beim beklagten Arbeitgeber vom 14. 1. 2014 bis 31. 3. 2017 als Call-Center-Mitarbeiter beschäftigt und als freier Dienstnehmer angemeldet. Das Vertragsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das Vertragsverhältnis als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren war.

Das Klagebegehren ist auf Nachzahlung von Differenzen zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt gerichtet, weiters auf Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum vom 14. 1. 2014 bis 31. 3. 2017 (für 64 Arbeitstage im Hinblick auf einen 3-wöchigen Urlaub im Jahr 2015).

Das Berufungsgericht wies den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung für das Urlaubsjahr vom 14. 1. 2014 bis 13. 1. 2015 im Ausmaß von 25 Arbeitstagen ab, weil der Urlaubsanspruch für diesen Zeitraum bereits vor Beendigung des Dienstverhältnisses und vor der Klage (eingebracht im Juli 2017) verjährt gewesen sei.

In seiner Revision stützt sich der Kläger ua auf die neuere Rechtsprechung des EuGH und weist darauf hin, dass ihm keine Möglichkeit zu einem Urlaubskonsum eingeräumt worden sei, weshalb keine Verjährung eintreten habe können.

Der OGH ließ die Revision im Hinblick auf die Entwicklung des Unionsrechts zu, im Ergebnis gelangten die entsprechenden Bestimmungen des österreichischen Urlaubsrechts hier jedoch unverändert zur Anwendung. Erfolgreich war die Revision allerdings insofern teilweise, als das Berufungsgericht den bereits verjährten Urlaubsteil nicht korrekt berechnet hatte.

Entscheidung

Grundsätze laut EU-Recht

Die österreichische Rechtslage nach dem UrlG entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis des Urlaubs nach der RL 2003/88/EG (ArbeitszeitRL). Danach sind der Anspruch auf Jahresurlaub und jener auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs zu behandeln (vgl zB EuGH 29. 11. 2017, C-214/16, King, ARD 6594/13/2018). Der Urlaubsanspruch wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber zwar den Konsum von Freizeit ermöglicht, für diese Zeit aber nichts bezahlt.

In der Rechtsprechung des EuGH wurde wiederholt betont, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, dessen nationale Umsetzung nur in den Grenzen erfolgen kann, die in der ArbeitszeitRL selbst ausdrücklich vorgesehen sind. Dennoch ist eine nationale Regelung nicht ausgeschlossen, die für die Ausübung des Urlaubsanspruchs Modalitäten vorsieht, die den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, sofern der Arbeitnehmer bis dahin tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Anspruch auszuüben (vgl zB EuGH 6. 11. 2018, C-619/16, Kreuziger).

In der E EuGH 29. 11. 2017, C-214/16, King, ARD 6594/13/2018, hat der EuGH (ua) festgehalten, dass ein wirksamer staatlicher Rechtsbehelf für die Durchsetzung des Mindesturlaubsanspruchs gewährleistet sein muss und der Anspruch auf Ersatzleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für nicht konsumierten Urlaub nicht davon abhängen darf, ob der Arbeitnehmer im Vorfeld einen vergeblichen Urlaubsantrag gestellt hatte. Nach der nationalen Rechtslage in der Rs King konnte ein Arbeitnehmer einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Jahresurlaub nur geltend machen, wenn sein Arbeitgeber ihn überhaupt keinen Urlaub – bezahlt oder unbezahlt – nehmen ließ; er wäre zunächst gezwungen gewesen, unbezahlten Urlaub zu nehmen, um dann dessen Bezahlung einklagen zu können. Die Geltendmachung einer Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub war nicht vorgesehen.

Urlaubsersatzleistung und Verjährung nach UrlG

Angewandt auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich Folgendes:

Im Unterschied zu der besonderen Rechtslage, auf deren Grundlage die E C-214/16, King, ergangen ist, kann der Jahresurlaub nach § 4 Abs 5 UrlG auf zwei Folgejahre vorgetragen werden. Insgesamt stehen damit drei Jahre zum Verbrauch eines jeden Jahresurlaubs zur Verfügung.

In drei Jahren verjähren gemäß § 1486 Z 5 ABGB auch alle Forderungen der Arbeitnehmer auf Entgelt und Auslagenersatz, sowie nach § 1486 Z 1 ABGB für die Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist nicht verbrauchter Urlaub nach § 10 UrlG durch eine Ersatzleistung abzugelten, und zwar für das laufende Urlaubsjahr im Verhältnis der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr zum gesamten Urlaubsjahr bzw für vorangegangene Urlaubsjahre in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, „soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist“ (§ 10 Abs 3 UrlG). Die Abgeltung hängt nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer während des Dienstverhältnisses vergeblich einen Naturalurlaub beantragt hat. Es besteht auch grundsätzlich keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Urlaub zu verbrauchen, und zwar auch nicht in einer längeren Kündigungsfrist (vgl OGH 16. 12. 2005, 9 ObA 144/05z, ARD 5665/7/2006).

Einem Dienstnehmer, der als Scheinselbstständiger oder in einem „freien Dienstverhältnis“ beschäftigt wird, obwohl die wesentlichen Merkmale seiner Beschäftigung einem Arbeitsverhältnis entsprechen, steht mit der Feststellungsklage nach § 228 ZPO ein effizienter Rechtsbehelf zur Verfügung, der ihm die gerichtliche Klärung ermöglicht, ob sein Vertragsverhältnis den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem UrlG, unterliegt. Durch Geltendmachung des Anspruchs innerhalb des Zeitraums des § 4 Abs 5 UrlG wird nach § 1497 ABGB auch die Verjährung unterbrochen (vgl OGH 22. 12. 2010, 9 ObA 118/10h, ARD 6155/5/2011).

Wenn der Arbeitgeber jedoch die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat, kann der Arbeitnehmer einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen (vgl OGH 8. 11. 1995, 9 ObA 186/95, ARD 4719/11/96). Von Arglist ist allgemein auszugehen, wenn es der Arbeitgeber geradezu darauf anlegt, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern. Einen solchen Einwand hat der Kläger hier nicht erhoben. Die unterschiedliche Auffassung über die rechtliche Qualifikation eines Beschäftigungsverhältnisses, die von einer Gesamtbetrachtung aller Merkmale im Einzelfall abhängt, begründet den Vorwurf der Arglist im Regelfall nicht, sofern die abweichende Rechtsansicht nicht von vornherein unhaltbar erscheint.

Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung daher zutreffend § 4 Abs 5 UrlG auf den Anspruch des Klägers angewandt.

Verbrauch zunächst des „alten“ Urlaubs

Das Berufungsgericht ist allerdings davon ausgegangen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers für das Urlaubsjahr 2014 im vollen Umfang von 25 Arbeitstagen mit Ablauf des 13. 1. 2017 verjährt war, und hat dabei die Feststellung unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger im Jahr 2015 einen dreiwöchigen Gebührenurlaub verbraucht hat (15 Arbeitstage).

Die Übertragung eines nicht verbrauchten Urlaubskontingents auf das Folgejahr erfolgt grundsätzlich ohne weiteres Zutun, es wird daher automatisch immer zunächst der „alte“ Urlaub vor dem „neuen“ verbraucht (vgl OGH 22. 4. 2010, 8 ObA 64/09h, ARD 6079/4/2010). Bei der Berechnung des verjährten Urlaubsteils ist somit der 2015 konsumierte Urlaub vom ältesten Urlaubsanspruch abzuziehen. Aus dem ersten Beschäftigungsjahr 2014 sind daher nicht 25 Arbeitstage Urlaub offen geblieben, sondern nur 10 Tage. Der Revision war daher durch Zuspruch der Urlaubsersatzleistung für weitere 15 Arbeitstage teilweise Folge zu geben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28159 vom 29.10.2019