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Veröffentlichung der Entscheidungen des Kartellgerichts

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KartG 2005: § 37

Der Zweck des § 37 KartG 2005 erfordert es, den zugrunde liegenden Sachverhalt möglichst deutlich wiederzugeben, um eine Grundlage für die zivilrechtliche Beurteilung von Ersatzansprüchen zu schaffen; zumindest soll jedermann die Prüfung ermöglicht werden, ob die Erhebung solcher Schadenersatzansprüche in Betracht kommt. Es ist daher auch die namentliche Anführung der am Kartell beteiligten Unternehmen iS einer möglichst umfassenden und zielgerichteten Information zweckmäßig. Der Telos des § 37 KartG 2005 verlangt also grundsätzlich eine umfassende Veröffentlichung sämtlicher wesentlicher Umstände der Zuwiderhandlung. Unterbleibt eine ausreichende Veröffentlichung der Entscheidung, würde dies das Recht des Geschädigten (dem nur beschränkt Akteneinsicht zusteht) auf Zugang zu einem Gericht (Art 6 EMRK und Art 47 GRC) in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen. Im Unterschied zur Veröffentlichung einer Entscheidung in der Entscheidungsdokumentation Justiz (RIS-Justiz) verfolgt § 37 KartG 2005 nicht das Ziel einer Information über die Auslegung des geltenden Rechts, sondern über eine konkrete Kartellrechtsverletzung (RV 1804 BlgNR 24. GP 10).

Die Veröffentlichung muss zwar einem berechtigten Interesse des betroffenen Unternehmens an der Wahrung seiner Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen. Bei Angaben zu einem Wettbewerbsverstoß handelt es sich jedoch um kein schützenswertes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis. Das Interesse eines Unternehmens an der Geheimhaltung von Einzelheiten einer Zuwiderhandlung verdient keinen besonderen Schutz angesichts des Interesses der Öffentlichkeit an einer möglichst umfassenden Kenntnis der Gründe des Handelns der Kommission/Wettbewerbsbehörde, des Interesses der Wirtschaftsbeteiligten am Wissen, welches Verhalten Sanktionen nach sich ziehen kann, und des Interesses der geschädigten Personen an der Kenntnis näherer Einzelheiten, um gegebenenfalls ihre Rechte gegenüber den sanktionierten Unternehmen geltend machen zu können.

Im Rechtsmittelverfahren über eine Entscheidung nach § 37 Abs 1 KartG 2005 beurteilt das Kartellobergericht nur, ob die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung der Entscheidung dem Gesetz entspricht und sich innerhalb des Ermessensspielraums des ErstG hält. Ob auch eine davon abweichende andere Fassung diesen Kriterien genügen würde, ist nicht zu prüfen.

OGH als KOG 29. 9. 2022, 16 Ok 5/22d

Sachverhalt

Der Beschluss des KartellG im (Haupt-)Verfahren zur Abstellung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Neuwagenmarkt bzw auf dem Werkstättenmarkt) wurde vom OGH als KOG zu 16 Ok 4/20d (= RdW 2021/391) teilweise bestätigt und teilweise abgeändert. Zu 16 Ok 2/21m (= RdW 2022/138) trug der OGH dem ErstG die Veröffentlichung dieser Entscheidung sowohl hinsichtlich ihres abändernden als auch ihres aufhebenden Teils auf.

Das ErstG gab den Parteien in weiterer Folge Gelegenheit, jene Teile der Entscheidung zu bezeichnen, die sie von der Veröffentlichung ausnehmen wollen. Die Antragsgegnerin beantragte die Ausnahme näher bezeichneter Angaben, an denen ihr ein Geheimhaltungsinteresse zukomme. Der Bundeskartellanwalt sah kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse insb an den Angaben zum Wettbewerbsverstoß selbst, hinsichtlich anderer Angaben hingegen schon.

Das ErstG ordnete die Veröffentlichung der zu 16 Ok 4/20d ergangenen E des KOG unter Angabe der Beteiligten und Verwendung bestimmter Schlagworte durch Aufnahme in die Ediktsdatei an. Berechtigt sei nur das Interesse der Antragsgegnerin an der Geheimhaltung der Angaben betreffend den aufhebenden Teil der E. Die übrigen Angaben, an denen die Antragsgegnerin ein Geheimhaltungsinteresse behaupte, beträfen hingegen die Wettbewerbsverstöße, die in der zu veröffentlichenden E abschließend beurteilt worden waren; für deren Verständnis seien diese Angaben unerlässlich.

Betr den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Neuwagenmarkt strebt die Rekurswerberin die Ausnahme folgender Informationen von der Veröffentlichung an: zur Höhe der Fixmarge (Rz 9 in 16 Ok 4/20d) sowie der variablen Marge (Rz 9); zur Höhe der Leistungs- und Qualitätsprämie (Rz 9 und Rz 13) sowie des Weiterempfehlungsniveaus (Rz 10 und Rz 24); zur erforderlichen prozentuellen Zielerreichung der monatlichen Verkaufsziele (Rz 11); zu den vorgegebenen Absatzzielen (Rz 11); zur Höhe der Leistungsprämie in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielerreichung (Rz 11), der Prämie für die Weiterempfehlung (Rz 13) und für ein Mystery Shopping Ergebnis (Rz 13); zu dem erforderlichen Empfehlungsgrad für die Weiterempfehlungsprämie (Rz 13) und der dafür notwendigen Punktezahl (Rz 13); sowie zur erforderlichen Mindestanzahl von Interviews und verwertbaren E-Mail-Adressen von Kunden für die Qualitätsprämie (Rz 24).

IZm dem Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Werkstättenmarkt strebt die Antragsgegnerin die Ausnahme folgender Angaben von der Veröffentlichung an: zur Höhe der durchschnittlichen Marge einer Werkstätte bei Ersatzteilen und zur Höhe der „Handlingpauschalefür Garantiearbeiten (Einkaufspreis für ein verwendetes Ersatzteil zuzüglich eines prozentuellen Aufschlags); sowie zur Höhe des maximalen Refundierungsbegtrags pro Garantieantrag (Rz 42 und Rz 261).

Der OGH hat dem Rekurs keine Folge gegeben.

Entscheidung

Unzureichende Darlegung zu “Betriebsgeheimnissen“:

Die Rekurswerberin behauptet nur unsubstanziiert, durch eine Veröffentlichung der bezeichneten Angaben „in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt und Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt zu sein“, ohne dies näher zu begründen. Auch in erster Instanz brachte die Antragsgegnerin nicht konkret vor, warum ihr an diesen Informationen ein Geheimhaltungsinteresse zukomme. Somit legte sie nicht dar, welche legitimen wirtschaftlichen Interessen durch deren Veröffentlichung (schwer) beeinträchtigt würden. Schon mangels konkreter Ausführungen, die eine Abwägung eines schützenswerten Geheimhaltungsinteresses mit dem Interesse der Allgemeinheit (insb geschädigter Dritter) an einer umfassenden Offenlegung des Kartellverstoßes ermöglichen würden, bedarf daher die angefochtene Entscheidung keiner Korrektur durch den OGH.

Im Übrigen sind der Rekurswerberin aber auch die (gekürzten) nachfolgenden Erwägungen entgegenzuhalten.

Zum Neuwagenmarkt:

Die Beurteilung des ErstG, wonach die strittigen Angaben für das Verständnis der Wettbewerbsverstöße wesentlich seien, bewegt sich auf Basis der Begründung der zu veröffentlichenden Entscheidung im Rahmen des dabei bestehenden Ermessensspielraums.

Der Einwand der Rekurswerberin, diese Angaben wären nur für ihre weiteren Vertriebspartner als „potenziell Berechtigte“ von Interesse, diesen aufgrund ihrer Vertriebsvereinbarungen aber ohnehin bekannt, überzeugt nicht, weil auch anderen Wirtschaftsbeteiligten – hier va den Vertriebspartnern von Importeuren anderer Fahrzeugmarken – ein berechtigtes Interesse zuzugestehen ist, Kenntnis über das als wettbewerbswidrig angesehene Verhalten zu erlangen.

Zum Werkstättenmarkt:

Nicht ersichtlich ist, warum es sich bei der Höhe der Marge, die „eine“ Werkstätte (nicht notwendigerweise eines Vertragspartners) mit dem Verkauf von Ersatzteilen durchschnittlich erzielt, um ein Geschäftsgeheimnis der Antragsgegnerin handeln soll.

In der zu veröffentlichenden Entscheidung wurde es als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung angesehen, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu verpflichtete, Garantie- und Gewährleistungsarbeiten zu vorgegebenen Bedingungen durchzuführen. Die Missbräuchlichkeit wurde konkret daraus abgeleitet, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Kosten von Ersatzteilen, mit deren Verkauf eine Werkstatt üblicherweise eine bestimmte Marge erzielt, nur auf Basis des Einkaufspreises zuzüglich einer prozentuellen (nicht kostendeckenden) „Handlingpauschale“ ersetzte und ein solcher Ersatz zusätzlich mit einem bestimmten Maximalbetrag gedeckelt war. Damit kann aber nicht zweifelhaft sein, dass die geheimzuhaltenden Angaben den Wettbewerbsverstoß selbst betreffen und ihre Veröffentlichung für dessen Verständnis erforderlich ist.

Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die zu veröffentlichende Entscheidung seit 23. 3. 2021 im Volltext im RIS-Justiz aufrufbar ist und dort unter dem – aus mehreren Veröffentlichungen (zB ÖZK 2021, 107) übernommenen – Schlagwort „Büchl/Peugeot“ den konkreten Parteien zugeordnet werden kann. Da dem Rekurs bereits aus den dargelegten Gründen keine Berechtigung zukommt, muss darauf aber nicht weiter eingegangen werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33384 vom 07.12.2022