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VPR 2021, Richtlinie des BMF vom 7. 10. 2021, 2021-0.586.616, BMF-AV Nr. 140/2021
Abstract
Mit der Neuverlautbarung werden umfassende Weiterentwicklungen der Verrechnungspreispraxis der letzten 10 Jahre in die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien eingearbeitet. Das Update beinhaltet insbesondere auch die Ergebnisse des BEPS-Projekts und der darauf aufbauenden Aktualisierungen der OECD Transfer Pricing Guidelines. Dort wo die OECD-Vorgaben Interpretationsspielraum lassen, wurden in den VPR 2021 durchaus interessante Aussagen getätigt, die für den Steuerpflichtigen weitreichende Folgen haben können. Im Folgenden werden einige Highlights beleuchtet.
BMF vom 07. 10. 2021, GZ 2021-0.586.616
Überblick
Mehr als zehn Monate vergingen seit Veröffentlichung des Begutachtungsentwurfs, bis am 7.10.2021 die lang erwartete finale Fassung der österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2021 (VPR 2021) veröffentlicht wurde.1 Zwischen dieser Neuverlautbarung und den VPR 2010 liegen 11 Jahre, die es aus Verrechnungspreissicht in sich hatten. Die Ergebnisse der Diskussionsprozesse in der internationalen Staatengemeinschaft wurden bereits in den OECD Transfer Pricing Guidelines 2017 (OECD-VPL) und nachfolgenden OECD-Updates veröffentlicht. Ähnlich wie die Vorgängerversion verweist auch die Neuverlautbarung der VPR in dynamischer Weise auf die OECD VPL. Demnach soll für die Interpretation des Art 9 OECD-MA – und somit des Fremdvergleichsgrundsatzes – jeweils die aktuellste Fassung der OECD VPL herangezogen werden. Wenngleich dies in RZ 19 für die ausdrückliche Abkehr von früheren Aussagen nicht gelten soll, wird sich an der Kritik einer rechtsstaatlich nicht gedeckten Ermächtigung zur Rechtsfortbildung wohl nur wenig ändern.2
Der Aufbau der Richtlinien wurde grundsätzlich beibehalten und beinhaltet 4 Teile plus Anhang:
- | Teil 1: Multinationale Konzernstrukturen |
- | Teil 2: Multinationale Betriebsstättenstrukturen |
- | Teil 3: Dokumentations- und Meldepflichten |
- | Teil 4: Abgabenbehördliche Verrechnungspreisprüfung |
- | Teil 5: Anhang |
Im Folgenden werden einige der wesentlichsten Neuerungen der Neuverlautbarung beleuchtet, wobei insbesondere auch auf die Änderungen zum Begutachtungsentwurf eingegangen werden soll.
Dokumentation
Die grundsätzliche Dokumentationsverpflichtung bzgl grenzüberschreitender konzerninterner Transaktionen ergibt sich aus der Bundesabgabenordnung3. Die konkrete Ausgestaltung der Dokumentationsverpflichtung richtet sich bei Unternehmen, welche die Schwellenwerte des VPDG4 überschreiten, nach §§6f leg cit und der entsprechenden Durchführungsverordnung5. Für jene Unternehmen, die aufgrund des Nichtüberschreitens der Schwellenwerte nicht in den Anwendungsbereich des VPDG fallen, waren die konkreten Anforderungen an die Dokumentation der Geschäftsvorfälle bisher nicht klar geregelt und strittig.
Im Rahmen der VPR 2021 hat die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung dargelegt, in welcher Form und bis wann die Verrechnungspreisdokumentation abseits vom Regelwerk des VPDG vorzubereiten ist. Die Aussagen diesbezüglich überraschen doch einigermaßen, zumal die inhaltlichen Anforderungen stark an jene des VPDG angelehnt sind und die zeitlichen sogar darüber hinaus gehen.6 Vor dem Hintergrund, dass die Dokumentationserfordernisse für „VPDG-Unternehmen“ im Wege der Gesetzgebung festgelegt wurden, erscheint es zumindest fragwürdig, dass nun im Erlassweg ähnlich strenge Vorschriften auch für die „VPR-Unternehmen“ gelten sollen.
Hinsichtlich der Dokumentationssprache wird festgehalten, dass – analog dem VPDG – grundsätzlich englisch gewählt werden darf, wenn im Ermittlungsverfahren kein besonderes Erfordernis für eine deutsche Übersetzung besteht. (Rz 411-414)
Bezüglich der Mitteilungspflicht iZm Country-by-Country Reportings wurde begrüßenswerter Weise normiert, dass für berichtspflichtige Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 beginnen, eine Mitteilung nur noch dann erforderlich ist, wenn sich im Vergleich zu der im Vorjahr abgegebenen Mitteilung Änderungen ergeben. (Rz 447)
Schriftlichkeitsgebot für IC Verträge
Mit Verweis auf die Angehörigenjudikatur des VwGH7 ist grundsätzlich die Forderung der Finanzverwaltung nach Schriftlichkeit für Verträge zwischen verbundenen Unternehmen beibehalten worden. Jedoch wurde in der finalen Fassung ergänzt, dass bei Mangel an Schriftlichkeit der Sachverhalt aus dem tatsächlichen Verhalten der Beteiligten abzuleiten ist. Im Ergebnis kann demnach wohl das bloße Fehlen eines schriftlichen Vertrags der Anerkennung von konzerninternen Vereinbarungen nicht entgegenstehen. (Rz 16)
Jahresendanpassungen
Mit sogenannten Jahresendanpassungen („Year-End-Adjustments“) soll in der Verrechnungspreispraxis üblicherweise sichergestellt werden, dass das Ergebnis von Routineunternehmen durch Ausgleichszahlungen am Jahresende so angepasst wird, dass es in eine vorher definierte fremdübliche Bandbreite fällt. Demnach ist der Zweck dieser Ausgleichszahlungen gerade auf die Erfüllung des Fremdvergleichsgrundsatzes gerichtet. Nichtsdestoweniger werden diese von der österreichischen Finanzverwaltung kritisch betrachtet. Auch nach geringfügigen Anpassungen des Wordings im Vergleich zum Begutachtungsentwurf sind Jahresendanpassungen nach dem Wortlaut der VPR 2021 nur in sehr engen Grenzen zulässig. Vorrausetzung ist demnach ua, dass die ex-ante-Preisfestsetzung mit wesentlichen Unsicherheiten behaftet ist. (Rz 73)
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass in Deutschland kürzlich die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise8 veröffentlicht wurden. Die darin ergangen Aussagen zum Zeitpunkt des Fremdvergleichs wurden – diametral zu den VPR 2021 – eher als Aufforderung zur beidseitigen Jahresendanpassung interpretiert (vgl Tz 3.42 VWG VP)
Korrekturen auf den Median?
Laut den VPR 2010 sollte ein vom Steuerpflichtigen angesetzter Verrechnungspreis, der außerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt, auf den Median berichtigt werden (Rz 49 VPR 2010). Obwohl dies vielfach sehr kritisch gesehen wurde – und nicht im Einklang mit der EuGH-Rsp stand (vgl Rs Hornbach) – wurde diese Regelung noch im Begutachtungsentwurf beibehalten. In der finalen Version wurde dies nun abgeschwächt; demnach kann sich der Steuerpflichtige von der Berichtigung auf den Median freibeweisen, wenn er plausibel macht, dass ein anderer Wert innerhalb der Bandbreite am verlässlichsten ist. (Rz 78)
Dienstleistungen
Mit Verweis auf den mittlerweile 10 Jahre alten EU-JTPF-Report wird laut Neuverlautbarung für Dienstleistungen mit Routinecharakter ein Nettogewinnaufschlag zwischen 3% und 10% (häufig 5%) auch ohne Datenbankstudie als fremdüblich erachtet. Der konkrete Wert innerhalb dieser Bandbreite müsse den Umständen entsprechend gewählt werden. (Rz 90) Eine solche Dienstleistung mit Routinetätigkeiten soll hingegen nicht vorliegen, wenn selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände verwendetet werden (zB Markterschließung) oder die Dienstleistung mit der Schaffung hoher Wertschöpfungsbeiträge einhergeht (zB F&E). Letzteres könnte dazu führen, dass die Finanzverwaltung bspw zum Nachweis des Aufschlags der Dienstleistungsart „Auftragsforschung“ stets Datenbankstudien verlangt.
Darüber hinaus wurde das Konzept der „Low Value Adding Services“ (LVAS) implementiert. Dieser Ansatz erlaubt für unterstützende Routinedienstleistungen eine vereinfachte Vorgehensweise bei der Dokumentation der Fremdüblichkeit, sowie einen fixen Gewinnaufschlag von 5%. Im Vergleich zum Begutachtungsentwurf wurden die Voraussetzungen etwas abgemildert9 und stehen nun im Einklang mit den OECD TPG. (Rz 94-98)
Finanztransaktionen
In Abschnitt 1.3.3 der VPR 2021 werden Finanztransaktionen behandelt, großteils mit Verweis und in Einklang mit Kapitel X der OECD TPG. Ua findet sich darin die aus den OECD-VPL bekannte Aussage, dass bloße Bankauskünfte kein geeignetes Mittel zur Darlegung der Fremdüblichkeit eines konzerninternen Zinssatzes seien.10 In diesem Zusammenhang ist die Klarstellung der VPR 2021 für die Verrechnungspreispraxis begrüßenswert, dass aus Sicht der österreichischen Finanzverwaltung ein konkretes Kreditangebot einer Bank, welchem eine ausführliche Bonitätsprüfung zugrunde liegt, sehr wohl einen angemessenen Preisvergleich darstellen kann. (Rz 118)
Immaterielle Werte
Kapitel 1.3.4 behandelt verrechnungspreisrelevante Aspekte zu immateriellen Werten. Hier wurden die wesentlichen Weiterentwicklungen des Kapitel VI OECD-VPL implementiert, dazu zählen ua das DEMPE Konzept (Rz 141ff, regelt die Zuordnung der Erträge aus der Nutzung oder Übertragung von immateriellen Werten), sowie das nach OECD-Vorgaben optionale Hard-to-value Intabgibles Konzept (Rz 154ff).11 HTVI’s sind Immaterielle Werte, deren Wert aus ex-ante Sicht schwer zu identifizieren ist. Für diese behält sich die österreichische Finanzverwaltung vor, auch ex-post Ergebnisse als Indizienbeweise für die Beurteilung der Fremdüblichkeit heranzuziehen. (Rz 137ff)
Arbeitskräfteüberlassung
Erstmals wurde auch die konzerninterne grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung in den VPR behandelt. Als Verrechnungspreismethoden für „echte Arbeitskräfteüberlassung“ (dh Passivleistung) werden die Preisvergleichs- und Kostenaufschlagsmethode genannt. Die Frage, ob und welcher Gewinnaufschlag bei Passivleistungen fremdüblich ist, wird offen gelassen. Es wird darauf hingewiesen, dass aus Sicht des übernehmenden Unternehmens der Aufwand zu berücksichtigen ist, der bei Personal mit denselben Fähigkeiten am lokalen Arbeitsmarkt anfallen würde. Dies kann uU so verstanden werden, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung der Preisvergleich am lokalen Arbeitsmarkt eine Art Schrankenwirkung für die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode und den anzuwendenden Gewinnaufschlag haben könnte. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass bei Arbeitskräfteüberlassung aus einem Hochlohnland in ein Niedriglohnland maximal die Vollkosten verrechnet werden sollten, im umgekehrten Fall jedoch ein Gewinnaufschlag anzusetzen wäre.
Betriebsstätten
Hinsichtlich der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte entschied sich die österreichische Finanzverwaltung für die sog Variante „AOA light“: demnach soll der von der OECD entwickelte „Authorized OECD Approach“ im Rahmen des österreichischen DBA-Netzwerks insoweit Anwendung finden soll, als dieser durch Art 7 OECD-MA idF vor 2010 gedeckt ist (Rz 9f und 279ff). Diese eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion durch die österreichische Finanzverwaltung ergibt sich auch aus dem Vorbehalt Österreichs, weiterhin Art 7 OECD-MA idF vor 2010 anzuwenden (Rz 280). Es wird anerkannt, dass aus der unterschiedlichen Umsetzung des AOA innerhalb der Staatengemeinschaft Besteuerungskonflikte auftreten können – diese seien gemäß Rz 282 im Wege des Verständigungsverfahrens zu lösen.
Conclusio
Nach einer turbulenten Transfer Pricing-Dekade und substantieller Weiterentwicklungen auf OECD-Ebene haben die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien naturgemäß beträchtlich an Umfang zugelegt. In ähnlichem Maße haben die Anforderungen an grenzüberschreitend tätige österreichische Unternehmen zugenommen. Daher sollten bestehende Verrechnungspreismodelle in Hinblick auf die die jüngsten Änderungen analysiert und gegebenenfalls aktualisiert werden. Insbesondere auch für Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des VPDG fallen, sind vor allem die formalen Obliegenheiten massiv gestiegen: sie sollten zeitnah prüfen, ob die Vorgaben der VPR 2021 erfüllt werden und entsprechende Dokumentationsprozesse aufbauen.
Die finale Version ist hier abrufbar: https://findok.bmf.gv.at/findok/resources/pdf/450cc0c6-d106-4f65-ba18-e3d0d33d2227/80297.1.1.pdf
Vgl Rosenberger in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger (Hrsg), Internationales Steuerrecht2 (2018) Grundlagen sowie Bendlinger/Kofler in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger (Hrsg), Internationales Steuerrecht2 (2018) Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen mwN.
Insb aus der Offenlegungspflicht gem §119 BAO und der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten gem §115 BAO.
VPDG-DV, BGBl. II Nr. 419/2016.
So müssen laut Rz 407 die Anforderungen zeitnah erfüllt werden; dies bedeute, dass die Dokumentation grundsätzlich zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls bzw. auf jeden Fall spätestens zum Zeitpunkt der Erstellung und Einreichung der Steuererklärung für das Wirtschaftsjahr, in dem der Geschäftsvorfall stattfand, erstellt werden muss. Diese Regelung ist jedenfalls strenger als jene des §8 Abs 2 VPDG, wonach das Master- und das Local File ab dem Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung dem zuständigen Finanzamt auf dessen Ersuchen innerhalb von 30 Tagen zu übermitteln ist.
dBMF, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise - Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG („VWG VP“), IV B 5 - S 1341/19/10017 :001), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2021-07-14-verwaltungsgrundsaetze-verrechnungspreise.pdf?__blob=publicationFile&v=4
In Rz des Begutachtungsentwurfs hieß es: „Dabei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Einschätzung des genauen Marktwerts der Dienstleistungen möglich ist und festgestellt werden kann, ob auch ein fremder Dritter jene Gegenleistung zu erbringen bereit gewesen wäre, welche vom verbundenen Unternehmen geleistet wurde“. Dieser Passus wurde ersatzlos gestrichen.
10.108rev OECD-TPG 2017.
Z 6.188 OECD-VPL; ein Überblick über jene Länder, die das optionale HTVI-Konzept implementiert haben, findet sich hier: https://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/transfer-pricing-country-profiles.htm#htvi-approach