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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Veräußert der Versicherungsnehmer die versicherte Sache, tritt an seiner Stelle der Erwerber gem § 69 Abs 1 VersVG in die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis ein. § 70 VersVG räumt jedoch sowohl dem Erwerber (§ 70 Abs 2 VersVG) als auch dem Versicherer (§ 70 Abs 1 VersVG) ein Kündigungsrecht ein, weil dem Versicherer der ihm aufgezwungene Versicherungsnehmer bedenklich erscheinen kann, während der Erwerber der versicherten Sache möglicherweise einen anderen Versicherer vorzieht oder keinen Versicherungsschutz mehr wünscht. Die wesentliche Grundlage für das Kündigungsrecht des Erwerbers (und des Versicherers) liegt in der Sanierung der ursprünglichen Einschränkung der Willensfreiheit.
Unter Veräußerung der versicherten Sache iSd § 69 VersVG ist jede Eigentumsübertragung durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge zu verstehen. Auch eine Schenkung ist als Veräußerung iSd § 69 VersVG anzusehen.
Der Erwerb im Weg der Gesamtrechtsnachfolge fällt hingegen nicht unter § 69 VersVG, weil dieser dadurch gekennzeichnet ist, dass der „Erwerber“ von Gesetzes wegen in Pausch und Bogen in sämtliche Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers unverändert eintritt.
Es sprechen besseren Argumente dafür, ein Kündigungsrecht des Erben analog zu § 70 Abs 2 VersVG zu verneinen, weil die Wertungen und der Zweck der §§ 69, 70 VersVG nicht die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen: Eine analoge Anwendung scheitert daran, dass die Interessenbewertung in den §§ 69, 70 Abs 2 VersVG auf die Situation bei der Einzelrechtsnachfolge zugeschnitten ist, während bei der Gesamtrechtsnachfolge eine andere Interessenlage besteht. Der Grund für die Ablehnung des Analogieschlusses liegt im Wesen der erbrechtlichen Universalsukzession. Jeder muss damit rechnen, im Erbweg unfreiwillig einen neuen Vertragspartner zu erhalten. Das ist zwingender Ausfluss der Erbfolge. Damit ist auch nicht einsichtig, warum gerade derjenige, der im Erbweg Eigentümer einer versicherten Sache wird, durch das Kündigungsrecht analog zu § 70 Abs 2 VersVG privilegiert werden sollte.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall erwarb die Kl zunächst im Jahr 2022 mit Übergabsvertrag den Hälfteanteil ihrer Mutter an der Liegenschaft. Dabei handelt es sich unstrittig um eine Veräußerung der versicherten Sache iSd § 69 VersVG. Das Kündigungsrecht nach § 70 Abs 2 VersVG setzt jedoch nach der Rsp den Erwerb von mehr als 50 % der Anteile an einer Liegenschaft voraus (RS0113297). Dieser Erwerbsvorgang allein kann daher kein Kündigungsrecht der Kl gem § 70 Abs 2 VersVG begründen, was von ihr auch nicht bestritten wird.
Den anderen Hälfteanteil der Liegenschaft erwarb die Kl im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach ihrem Vater im Jahr 2023 durch „Erbschaftskauf“ von der Mutter und „Erbübereinkommen“ mit ihren Schwestern; bei beiden Erwerbsvorgängen handelt es sich um Akte der Gesamtrechtsnachfolge (vgl RS0025410 bzw RS0008347 [insb T6]), die ausgehend vom Wortlaut des § 70 Abs 2 VersVG ein Kündigungsrecht nicht begründen können.
Entscheidung
Richtig ist, dass sowohl der Vertragsübergang nach § 69 VersVG als auch das Kündigungsrecht gem § 70 Abs 2 VersVG dem Schutz des Erwerbers dienen. Dieser soll einerseits bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der versicherten Sache in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen, er soll aber andererseits die Möglichkeit haben, den Versicherungsschutz zu beenden, wenn er ihn nicht wünscht.
Die Interessenlage beim Erwerb durch erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolger ist hingegen mit jener bei der Einzelrechtsnachfolge nicht vergleichbar:
Der Einzelrechtsnachfolger erwirbt regelmäßig nur jene Sache(n), auf deren Erwerb der Parteiwille gerichtet war. Darauf bezogene Vertragsverhältnisse, die zwischen dem Veräußerer und einer dritten Person bestehen, gehen hingegen nicht ohne Weiteres auf den Erwerber über; vielmehr bedarf dies der Zustimmung des Dritten (vgl Dehn in U. Torggler, UGB³ § 38 Rz 2; W. Brugger in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 38 Rz 1; Neumayr in KBB7 §§ 1405, 1406 ABGB Rz 5; Hagenmüller in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1406 ABGB Rz 27). Wenn der Gesetzgeber davon für Versicherungsverträge im Interesse des Erwerbers eine Ausnahme macht und bei Veräußerung der versicherten Sache zu seinem Schutz einen Vertragsübergang angeordnet, so ist es konsequent, wenn er ihm auch die Möglichkeit einräumt, diesen Schutz zu beenden.
Bei der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe hingegen ex lege in sämtliche vererblichen Rechtspositionen des Erblassers ein. Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 69 VersVG ist der Übergang des Versicherungsvertrags im Erbweg keine Maßnahme, die dem Schutz des Erben dient und aus diesem Grund zu seiner Disposition gestellt werden könnte, sondern eine Rechtsfolge des sich uno actu vollziehenden Nachfolgens in sämtliche vererblichen Rechte und Pflichten des Erblassers (Schauer, VR 1993, 210 [214]).
Eine analoge Anwendung scheitert somit daran, dass die in den §§ 69, 70 Abs 2 VersVG enthaltene Interessenbewertung auf die Situation bei der Einzelrechtsnachfolge zugeschnitten ist, während bei der Gesamtrechtsnachfolge eine andere Interessenlage besteht (Schauer, VersVG3 309). Der Grund für die Ablehnung des Analogieschlusses liegt im Wesen der erbrechtlichen Universalsukzession.
Entgegen Fenyves (Erbenhaftung 335) kann man eben nicht die zwingende Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge gleichzeitig als Umstand ansehen, der ein rechtserhebliches Auflösungsinteresse begründet (zutreffend Kralik, ÖJZ 1983, 474 [475]). Im Übrigen gesteht Fenyves selbst zu, dass der Unterschied in der rechtstechnischen Konstruktion des Eintritts prima vista gegen eine Analogie spricht: Der Erwerber soll nämlich nicht durch eine zu seinem Schutz gedachte Maßnahme (§ 69 VersVG) in das Zwangskorsett eines ungewollten Vertrags gedrängt werden, weshalb § 70 VersVG ihm ein Kündigungsrecht einräume. Demgegenüber trete der Erbe in den Versicherungsvertrag ein, weil er, wolle er Erbe sein, in die Rechtsstellung des Erblassers kraft der Universalsukzession eintreten müsse, ohne dass dieser Eintritt primär zu seinem Schutz gedacht sein müsse (Fenyves, Erbenhaftung 333).
Zusammengefasst sprechen daher die besseren Argumente dafür, ein Kündigungsrecht des Erben analog zu § 70 Abs 2 VersVG zu verneinen, weil die Wertungen und der Zweck der §§ 69, 70 VersVG nicht die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt (hier: Erwerb der versicherten Sache im Weg der Gesamtrechtsnachfolge) übersehen, sondern diesen vielmehr bewusst nicht geregelt.