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VfGH: § 10 WiEReG war verfassungswidrig

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

WiEReG: §§ 10, 10a

DSG: § 1

EMRK: Art 8

Abstract

Wie schon der EuGH in der Rs Luxembourg Business Registers durfte sich nun auch der VfGH mit der grundrechtlichen Konformität der öffentlichen Einsicht in das Register für wirtschaftliche Eigentümer auseinandersetzen. Eine Person hatte die Einschränkung der öffentlichen Einsicht nach § 10a WiEReG beantragt, was ihr aber weder von der Registerbehörde noch durch das BVwG gewährt wurde. Bei der Behandlung der dagegen erhobenen Entscheidungsbeschwerde entstanden beim VfGH Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von § 10 WiEReG, weswegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde.

VfGH 5. 12. 2023, G 265/2023-9

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) ist wirtschaftlicher Eigentümer mehrerer Rechtsträger einer Unternehmensgruppe, die Produkte der passiven Sicherheit für die Automobilindustrie betreibt. Da die Gruppe in verschiedenen Ländern tätig ist, in denen auch kriminelle und terroristische Organisationen aktiv sind, beantragte der Bf eine Einschränkung der öffentlichen Einsicht in das Wirtschaftliche Eigentümer Register (WiERe). Dieser Antrag nach § 10a WiEReG wurde von der Registerbehörde abgewiesen, wogegen der Bf Beschwerde an das BVwG erhob. Das BVwG wies die Beschwerde mit der Begründung ab, dass bereits deswegen keine schutzwürdigen Interessen vorliegen, weil die Daten des Bf auch aus dem Firmenbuch ersichtlich seien (BVwG 5. 10. 2022, W204 2259811-1/4E).

Gegen das Erk des BVwG brachte der Bf eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH aufgrund der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ein. Bei der Behandlung der Beschwerde entstanden beim VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in § 10 WiEReG normierten öffentlichen Einsicht, weswegen der VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren einleitete (VfGH 16. 6. 2023, E 3129/2022-20). Erwogen wurde durch den VfGH insb ein Verstoß gegen § 1 DSG iVm Art 8 EMRK. Gestützt wurden diese Bedenken ua durch die erst einige Monate zuvor erfolgte Aufhebung der unionsrechtlichen Grundlage für die öffentliche Einsicht in der 5. Geldwäsche-RL (Art 1 Z 15 lit c RL 2018/843/EU) durch den EuGH (EuGH 22. 11. 2022, C-37/20 ua, Luxembourg Business Registers). Der EuGH hatte die in der 5. Geldwäsche-RL vorgesehene öffentliche Einsicht in das Register wegen eines Verstoßes gegen die im Primärrecht verankerten Art 7 und 8 GRC für ungültig erklärt.

Der Eingriff in Art 1 DSG iVm Art 8 EMRK durch § 10 WiEReG könnte dem VfGH zufolge zwar dem öffentlichen Ziel der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dienen. Der VfGH zweifelt aber, ob die öffentliche Einsicht durch jedermann erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen. Das Höchstgericht erklärt im Prüfungsbeschluss, dass im Gesetzesprüfungsverfahren insb darauf einzugehen sein werde, inwieweit sich § 10 WiEReG von der für gültig erklärten unionsrechtlichen Vorgabe unterscheidet.

Entscheidung des VfGH

In dem zum Gesetzesprüfungsverfahren ergangenen Erk (VfGH 5. 12. 2023, G 265/2023) gibt der VfGH zunächst seine bereits im Prüfungsbeschluss erläuterten Bedenken wieder, dass § 10 WiEReG gegen § 1 DSG iVm Art 8 EMRK verstoßen könnte. Hinsichtlich des Eingriffs und der grundsätzlichen Rechtfertigungsmöglichkeiten verweist der VfGH auf seinen Prüfungsbeschluss. Zur Unterscheidung zwischen § 10 WiEReG und der durch den EuGH aufgehobenen unionsrechtlichen Grundlage in der 5. Geldwäsche-RL erkennt der VfGH, dass nur minimale Unterschiede bestehen. Die 5. Geldwäsche-RL sieht vor, dass zumindest Vor- und Nachname, Geburtsmonat- und -jahr, Staatsbürgerschaft und Wohnsitzland sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses des wirtschaftlichen Eigentümers einsehbar sein müssen, während die österreichische Umsetzung in § 10 WiEReG die genannten Merkmale zzgl des genauen Geburtsdatums verlangt. Die Anforderungen für die Einschränkung der Einsicht, die im vorliegenden Fall durch das BVwG verwehrt wurde, sind hingegen mit der 5. Geldwäsche-RL vergleichbar und daher nicht geeignet, das Ergebnis zu verändern.

Im Hinblick darauf bleibt der VfGH bei der im Prüfungsbeschluss dargelegten Auffassung, dass § 10 WiEReG gegen § 1 DSG iVm Art 8 EMRK verstößt. Da § 10 WiEReG in der Zwischenzeit durch den Gesetzgeber novelliert wurde (siehe BGBl I 2023/97), beschränkt sich der VfGH auf die Feststellung, dass § 10 WiEReG aF verfassungswidrig war. Im Anschluss an das Erk im Gesetzesprüfungsverfahren hebt der VfGH auch das Erk des BVwG wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes auf (siehe VfGH 6. 12. 2023, E 3129/2022-24).

Conclusio

Angesichts der Ende 2022 erfolgten Aufhebung der unionsrechtlichen Grundlage für die öffentliche Einsicht ist die Entscheidung des VfGH zu § 10 WiEReG nicht überraschend. Die Ungültigerklärung der RL erfolgte zwar aufgrund eines Verstoßes gegen Art 7 und 8 GRC, diese haben aber einen ähnlichen (wenn auch nicht identen) Schutzbereich wie Art 8 EMRK und § 1 DSG. Der VfGH erkennt, dass die allgemeine öffentliche Einsicht in das WiERe einen Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz gem § 1 DSG iVm Art 8 EMRK darstellt. Die öffentliche Einsicht ist nach Ansicht des VfGH zwar geeignet, aber nicht erforderlich, um Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen. Anders als im Prüfungsbeschluss angekündigt, hat der VfGH in seiner recht knappen Würdigung im Gesetzesprüfungsverfahren keinen Vergleich mit der öffentlichen Einsicht in andere Register (zB Firmenbuch) gezogen, in denen oft ähnliche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (siehe auch Stöger, Registertransparenz in bewegten Zeiten, NZ 2024, 1 mwN). Ob die verfassungsrechtlichen Überlegungen auch auf andere Register übertragen werden können, bleibt daher fraglich.

Der Gesetzgeber ist der Aufhebung durch den VfGH zuvorgekommen und hat im neuen § 10 WiEReG (BGBl I 2023/97) eine öffentliche Einsicht nur mehr bei berechtigtem Interesse vorgesehen. Die Einsicht für Verwaltungsbehörden (§ 12 WiEReG) und für Verpflichtete iSd § 9 WiEReG (zB Kredit- und Finanzinstitute) bleibt im Übrigen unangetastet, diese hält der VfGH auch für unbedenklich (siehe Rz 59 des Prüfungsbeschlusses).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35224 vom 26.03.2024