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EStG 1988: § 27 Abs 3, § 97 Abs 2
Abstract
Der Antragsteller (ASt) beantragte im vorliegenden Fall die Aufhebung des § 27 Abs 3 EStG, weil er sich in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt erachtete. Dabei trat er in Form eines Individualantrags an den VfGH heran, weil er einen Umweg über die Stellung eines Antrages nach § 97 Abs 2 EStG als für unzumutbar erachtete. Der VfGH teilt die Überlegungen des ASt zur Zulässigkeit des Individualantrags nicht und wies diesen mit Beschluss zurück.
Sachverhalt
Der Antragsteller (ASt) hat mit Valuta 16. 5. 2024 750 Aktien verkauft. Da hierbei Kursgewinne entstanden sind, wurde KESt (27,5 %) iHv insgesamt 3.170,30 € von der depotführenden Stelle einbehalten und abgeführt. Der ASt hat sich durch die Anwendbarkeit des § 27 Abs 3 iVm § 27a Abs 1 Z 2 EStG als in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachtet und begehrte die Anfechtung des § 27 Abs 3 EStG in einem Verfahren vor dem VfGH. Konkret sah er das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums als verletzt an, weil sich daraus eine Besteuerung von nominalen Wertsteigerungen ergäbe, die – insb aufgrund inflationärer Entwicklungen – nicht einem realen Zuwachs an Leistungsfähigkeit gleiche. Darüber hinaus erachtete er das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, weil „[d]ie endfällige Besteuerung eines Kapitalertrages zu einer höheren Steuerbelastung als bei der Besteuerung einer jährlich ausbezahlten Dividende[führe]“. Damit würden wirtschaftlich übereinstimmende Vorgänge unterschiedlich besteuert werden. Hierbei wählte der ASt die Möglichkeit des Individualantrags gem Art 140 Abs 1 Z 1 lit c B-VG. Er erblickte nämlich keinen zumutbaren Weg, die behauptete Verfassungswidrigkeit auf einem anderen Weg geltend zu machen: Eine Möglichkeit, den Vorgang der Besteuerung im Wege der von der depotführenden Stelle einzubehaltenden KESt zu beeinflussen oder einen Bescheid zu erwirken sei nicht möglich. Letzteres insb, weil die Antragstellung gem § 97 Abs 2 EStG mangels Geltendmachung des Verlustausgleichs nicht möglich sei. Auch andere Umwege, etwa in Form der Option zur Regelbesteuerung nach § 27a Abs 5 EStG wären aufgrund „enorme[r] finanzielle[r] Einbuße“ unzumutbar. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, worin sie sowohl die Zulässigkeit als auch den Inhalt des Begehrens in Zweifel stellte.
Entscheidung des VfGH
Der VfGH wies den Antrag aufgrund von Unzulässigkeit zurück.
Nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit c B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, durch die der ASt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für den ASt wirksam geworden ist. Voraussetzung für die Antragstellung ist insb, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des ASt unmittelbar eingreift, was nur anzunehmen ist, wenn Interessen des ASt aktuell beeinträchtigt werden und kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Der Rechtsansicht des ASt im vorliegenden Fall, dass keine Möglichkeit zur Verfügung stünde, die Einbehaltung der KESt zu beeinflussen oder darüber einen Bescheid zu erhalten, teilt das Höchstgericht nicht. Die Möglichkeit der Antragstellung auf Veranlagung der der KESt unterliegenden Einkünfte zum besonderen Steuersatz besteht jedenfalls. Innerhalb der Veranlagung kann die auf die betreffenden Einkünfte entfallende Steuer – infolge behaupteter Verfassungswidrigkeit – mit Null angesetzt werden, um einen Bescheid zu erwirkten. Die dadurch erwirkte bescheidmäßige Steuerfestsetzung ist zumutbar. Daraus ergibt sich wiederum die Möglichkeit, ein Erk des BFG zu erwirken sowie allenfalls innerhalb des Verfahrens vor dem BFG eine Antragstellung an den VfGH anzuregen.
Conclusio
Der VfGH hält in seiner stRsp seit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 ua fest, dass die Antragslegitimation nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit c B-VG nur dann Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze gewährt als ein anderer Weg dazu nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.803/1988, 15.343/1998, 16.867/2003). In einem „weitestgehend wortgleichen Antrag desselben Antragstellers“ (damals VfGH 5. 6. 2014, G 8/2014) hat der VfGH bereits 2014 geklärt, dass keine Umwegsunzumutbarkeit in einer derartigen Konstellation vorliegt, weil ein Antrag auf Veranlagung der Einkünfte nach § 97 Abs 2 EStG gestellt werden kann.
Inhaltlich wurde damit weiterhin nicht geklärt, ob § 27 Abs 3 EStG – wie vom ASt behauptet – das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG; Art 1 1. ZPEMRK) und das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art 7 Abs 1 B-VG) verletzt. Eine Verfassungswidrigkeit der Besteuerung realisierter Wertsteigerungen scheint allerdings unwahrscheinlich: Zwar müssen Steuern nach Art 5 StGG in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse stehen und nicht unverhältnismäßig sein (Korinek in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht [5. Lfg 2002] Art 5 StGG, Rz 41); allerdings kommt eine Endbesteuerung von 27,5 % nicht einem „konfiskatorischen Charakter“ gleich (vgl hingegen VfGH 1. 7. 1983, B 385/82). Auch die Anwendung des Gleichheitssatzes scheint hier nicht zu anderen Ergebnissen zu führen: Es ist schlicht nicht erkennbar, wie die Besteuerung der realisierten Wertsteigerung eines Kapitalertrags zu einer höheren Steuerbelastung als bei der Besteuerung einer jährlich ausbezahlten Dividende führt. Sollte ein gleich gelagerter Fall tatsächlich inhaltlich durch den VfGH entschieden werden, ist die Wahrscheinlichkeit der Aufhebung des § 27 Abs 3 EStG damit wohl gering.