News

VfGH einmal mehr zum Energiekrisenbeitrag-Strom

Bearbeiter: Kilian Posch

Energiekrisenbeitrag-StromG (EKBSG) idF BGBl I 2023/64: §§ 1–11

Abstract

Das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) führte in Österreich in Reaktion auf die Energiekrise eine Abgabe für die Produzenten von im Inland erzeugten Strom aus fossilen als auch aus erneuerbaren Quellen ein (siehe § 1 EKBSG). Durch diesen „Energiekostenbeitrag-Strom“ („EKB-S“) wurde für den verfahrensrelevanten Zeitraum von 1. 7.–31. 12. 2023 gem § 3 EKBSG der über 120,00 €/MWh hinausgehende Markterlös zu 90 % abgeschöpft. Im vorliegenden Fall musste der VfGH die Verfassungsmäßigkeit des EKB-S erstmals in einem Zeitraum beurteilen, der vollständig nach dem Außerkrafttreten der anfangs dem EKBSG als Grundlage dienenden EU-VO 2022/1845 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise („Notfallmaßnahmen-VO“) liegt. Der VfGH teilte die Einwände der beschwerdeführenden Partei (Bf) jedoch wie bereits in seiner früheren Entscheidung (VfGH 11. 12. 2024, E 1757/2024) nicht – er ließ allerdings die Verfassungsmäßigkeit des EKBSG für spätere Zeiträume offen.

VfGH 27. 2. 2025, E 3571/2024

Sachverhalt

Die Bf ist Stromerzeugerin im Bereich der Windenergie und entrichtete den selbstbemessenen EKB-S für den Zeitraum zwischen 1. 7. und 31. 12. 2023. Daraufhin beantragte sie jedoch bei der Behörde innerhalb der dafür vorgesehen Monatsfrist gem § 201 Abs 3 BAO, den EKB-S stattdessen auf 0 € festzusetzen und die bereits überwiesene Abgabe zurückzuzahlen. Dies begründete sie mit der Verfassungswidrigkeit des EKBSG. Nach der Abweisung des Antrags und der erfolglosen Beschwerde vor dem BFG machte die Bf in der folgenden Erkenntnisbeschwerde insb den Verstoß gegen das aus dem Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG) abgeleitete Leistungsfähigkeitsprinzip in Form des objektiven Nettoprinzips geltend, weil der EKB-S nicht auf den realisierten Gewinn, sondern auf den Erlös abstellt. Warum nicht – wie beim ebenfalls auf die EU-Notfallmaßnahmen-VO zurückgehenden Energiekostenbeitrag („EKB-F“) – vergangene Gewinne maßgebend sind, erschließe sich nicht. Auch die in § 4 Abs 2 vorgesehene Absetzbarkeit von begünstigten Investitionen sei nicht ausreichend, zumal nur 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten bis zu einem Höchstbetrag von 36 €/MWh berücksichtigt werden können. Ferner verletze das EKBSG Kompetenzrecht, weil der EKB-S eine Angelegenheit des Elektrizitätswesens gem Art 12 B-VG und keine öffentliche Abgabe gem Art 10 Abs 1 Z 4 B-VG sei.

Im Übrigen berief sich die Bf ua auch auf die Verletzung des Vertrauensschutzes, auf die Ungeeignetheit der Maßnahme zur Reduktion des Strompreises und auf die gleichheitswidrige Außerachtlassung der Stromhändler. Diesen Beschwerdegründen wurde aber bereits in einer vorangegangenen Entscheidung zum EKB-S (VfGH 11. 12. 2024, E 1757/2024) nicht Folge geleistet. Sie werden daher in weiterer Folge nicht behandelt (zum früheren Erkenntnis siehe Posch, VfGH bestätigt Verfassungsmäßigkeit des Energiekrisenbeitrag-Strom, LexisNexis Rechtsnews 36635 vom 17. 4. 2025, lexis360.at).

Entscheidung des VfGH

Zunächst hält der VfGH fest, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, eine Belastung von Mehrerlösen vorzusehen, um Mittel zur Finanzierung von Unterstützungsleistungen für Stromendkunden zu lukrieren. Der EKB-S ist zur Erfüllung dieses Zwecks auch nicht ungeeignet. Für die sachliche Rechtfertigung ist auch von Bedeutung, dass die gesetzliche Obergrenze höher ist als der Erlös, den Stromerzeuger ihren Investitionserwartungen vor der Krise zugrunde legen konnten. Die Deckung der notwendigen Betriebs- und Investitionskosten ist somit gesichert. Für die Rechtfertigung einer solchen Abschöpfung des Erlöses nach Art des EKB-S ist aber maßgeblich, dass die Regelung nur für einen „angemessenen, begrenzten Zeitraum“ vorgesehen ist (bereits VfGH 11. 12. 2024, E 1757/2024, Rz 37). In Anbetracht des Ziels der Abgabe und des vorgesehenen Zeitraums der Notfallmaßnahmen-VO spricht der VfGH aus, dass der hier strittige Zeitraum nach Außerkrafttreten der EU-VO als angemessen begrenzter Zeitraum zu betrachten ist. Auch steht die weitere Geltung des EKBSG „nicht außer Verhältnis zu den administrativen Vorkehrungen, die die Implementierung eines zur Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen alternativen, zeitlich begrenzten Instrumentes erfordert hätte“ (VfGH 27. 2. 2025, E 3571/2024, Rz 33).

Zur Ansicht der Bf, die Abgabe verstoße gegen das objektive Nettoprinzip, erklärt der VfGH, dass der Gesetzgeber nicht daran gebunden ist, die Leistungsfähigkeit nach dem objektiven Nettoprinzip auszurichten. Eine Abkehr von diesem Prinzip ist nur dann gesondert sachlich zu begründen, wenn der einfache Gesetzgeber ebenjenes – wie im EStG – zuerst verankert hat. Im EKBSG kann der Gesetzgeber aber die Leistungsfähigkeit genauso nach den Überschusserlösen jenseits der Markterwartung ermitteln. In Anbetracht des begrenzten zeitlichen Rahmens ist es auch nicht unsachlich, wenn sich der Gesetzgeber an einer einheitlichen Obergrenze, unabhängig von jeglichen Produktionstechnologien, orientiert. Ebenso wenig ist der begrenzte Absetzbetrag für Investitionen gem § 4 EKBSG verfassungswidrig, zumal die Obergrenze ohnehin über den zu erwartenden Erlösen liegt.

Im Hinblick auf die behauptete Kompetenzrechtsverletzung führt der VfGH aus, dass der Gesetzgeber mit einer Abgabe auch andere als fiskalische Zwecke verfolgen kann. Keine Abgabe iSd Kompetenzrechts liegt nur bei Missbrauch der Abgabenform vor, wenn das Gesetz so umfassend in eine andere Materie hineinwirkt, dass es nach seinem Zweck und der Regelungsdichte zugleich auch als Regelung der fremden Materie gewertet werden muss (mit Verweis auf VfGH 12. 3. 1985, G2/85). Ein solcher Missbrauch der Abgabenform ist im EKBSG nicht zu erkennen.

Eine von der Bf behauptete Verletzung verfassungsrechtlich gewährter Rechte konnte der VfGH sohin nicht feststellen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Conclusio

Einmal mehr hatte sich der VfGH in diesem Fall mit der umstrittenen Gestaltung der sog „Übergewinnsteuern“ als Reaktion auf die Energiekrise in Europa auseinanderzusetzen. Im Ergebnis bestätigte der VfGH sein vorhergehendes Erkenntnis (VfGH 11. 12. 2024, E 1757/2024) und die Entscheidung des BFG (BFG 16. 2. 2024, RV/7100521/2024), in denen die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bf ebenso wenig geteilt wurden (siehe dazu bereits Posch, VfGH bestätigt Verfassungsmäßigkeit des Energiekrisenbeitrag-Strom, LexisNexis Rechtsnews 36635 vom 17. 4. 2025, lexis360.at; Posch, BFG hält Energiekrisenbeitrag-Strom für verfassungsrechtlich unbedenklich, LexisNexis Rechtsnews 35333 vom 22. 4. 2024, lexis360.at). Dem vorliegenden Erkenntnis des VfGH ist nun jedoch erstmals zu entnehmen, dass das EKBSG auch vollständig ohne „Schutzschirm“ des höherrangigen Unionsrechts den Vorgaben des österreichischen Verfassungsrechts entspricht. Gleichzeitig erteilt der VfGH dem Gesetz seinen Sanctus aber nicht generell: Vielmehr betont er, dass auf den Markterlös als Bemessungsgrundlage in dieser pauschalen Form und zum Zweck der finanziellen Unterstützung an Stromendkunden nur in einem angemessenen und begrenzten Zeitrahmen abgestellt werden darf. Der VfGH scheint den EKB-S somit weiterhin als Kriseninstrument zu verstehen.

Dieses Verständnis als Kriseninstrument dürfte der Gesetzgeber nun überstrapazieren, wenn er in der aktuellen Fassung des § 3 Abs 1 Z 2 EKBSG den EKB-S bis zum 1. 4. 2030 – sogar mit weiter verminderten Obergrenzen gem Abs 2 Z 3 leg cit und einer Abschöpfungsquote von 95 %, jedoch mit einem höheren Absetzbetrag für begünstigte Investitionen gem § 4 EKBSG – fortschreibt. Zwar sind die verringerten Obergrenzen als Reaktion auf die gefallenen Strompreise nachvollziehbar, doch geht somit auch der Charakter einer Krisenmaßnahme verloren. Da der VfGH im Hinblick auf den EKB-S einen angemessenen und begrenzten Zeitraum verlangt, ist eine weitere Erkenntnisbeschwerde für spätere Zeiträume wohl nur eine Frage der Zeit.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36934 vom 14.07.2025