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VfGH weist „Klimaklage“ aus prozessualen Gründen zurück

Bearbeiter: Stefanie Gombotz, LL.M. (WU)

UStG 1994: § 6 (1) Z 3 lit d

MineralölsteuerG 1995: § 4 (1) Z 1

In einer bereits mit Spannung erwarteten Entscheidung über einen Individualantrag zur Normprüfung des § 6 (1) Z 3 lit d UStG 1994 und § 4 (11) Z 1 MinderalölsteuerG 1995 hat der VfGH ausschließlich die Frage der Zulässigkeit des Individualantrags, gestützt auf Art 140 (1) Z 1 lit c B-VG sowie Art 139 (1) Z 3 B-VG, behandelt. Der Individualantrag bezog sich insb auf die USt-Befreiung des grenzüberschreitenden Luftverkehrs (§ 6 [1] Z 3 lit d UStG 1994) sowie die Mineralölsteuer (kurz MöSt)-Befreiung für Luftfahrtbetriebsstoff (§ 4 [11] Z 1 MineralölsteuerG 1995). Der Antrag war in Ermangelung der Antragslegitimation zurückzuweisen.

VfGH 30. 9. 2020, G 144-145/2020-13, V 332/2020-13

Sachverhalt

Die Antragsteller wandten sich mit einem Individualantrag auf Normprüfung an den VfGH und stützten ihr Antragsvorbringen auf Gründe des Umweltschutzes, mit dem Ziel, die Aufhebung der steuerlichen Begünstigung von Luftverkehrsunternehmen im UStG 1994 und im MineralölsteuerG 1995 zu bewirken. Diese steuerlichen Begünstigungen würden in einer unsachlichen Bevorzugung des Flugverkehrs resultieren und im Gegensatz dazu das deutlich weniger klimaschädliche Verkehrsmittel Bahn benachteiligen. Dadurch werde implizit klimaschädliches Verhalten begünstigt. Die Antragsteller beriefen sich in ihrem Vorbringen auf Art 2 (Recht auf Leben) und Art 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) EMRK sowie die dazu korrespondierenden Art 2 (Recht auf Leben) und Art 7 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) GRC und die daraus ableitbaren Schutzpflichten des Staates.

Entscheidung des VfGH

Grundvoraussetzungen zur Zulässigkeit eines Individualantrages auf Prüfung über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen (VO; Art 139 (1) Z 3 B-VG) bzw auf Verfassungswidrigkeit von Gesetzen (Art 140 (1) Z 1 lit c B-VG) sind der Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit/Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, und das Wirksamwerden der VO/des Gesetzes ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für diese Person. Da der Individualantrag einen subsidiären Rechtsbehelf darstellt, darf es zur Rechtsdurchsetzung keinen anderen zumutbaren Weg geben. Darüber hinaus, so stellt der VfGH klar, muss es sich um einen tatsächlichen Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsstellers handeln, der bereits in der VO oder dem Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist. Eine potentielle Beeinträchtigung ist nicht ausreichend. Auch muss der Antragsteller für jede angefochtene Vorschrift ausführen, aus welchen Gründen diese aufgehoben werden soll. Unterlässt der Antragsteller es, die Anfechtung der Vorschriften zu begründen oder beschränkt er sich dabei nur auf einen Teil der Vorschriften, wie im vorliegenden Vorbringen geschehen, werden die nicht behandelten Vorschriften vom VfGH nicht berücksichtigt und sind zurückzuweisen. Dies betrifft § 10 (3) Z 9 UStG 1994 sowie § 4 (2) Z 5, § 5 (2) Z 3 lit a (gemeint wohl § 5 [3a]), § 12 (1) Z 1, § 12 (2), § 12 (4), § 15 (3), § 52 (2) Z 4 lit d, § 54 (3), § 64c (1) und (2), § 64i (1) und (2) und § 64r MineralölsteuerG 1995.

Zur Unmittelbarkeit des Eingriffs in die Rechte der Antragsteller verweisen diese darauf, dass die Eigenschaft als Normadressat keine zwingende Voraussetzung für die unmittelbare Betroffenheit sei (vgl VfSlg 13.038/1992, 19.892/2014). Obgleich sie also selbst Nichtunternehmer iSd UStG 1994 sind, sind sie durch den Zweck des UStG 1994, die Eigenschaft der USt als Verbrauchsteuer, unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen. Selbiges gelte für das MineralölsteuerG 1995. Sowohl bei der USt als auch der MöSt trage letztendlich der Konsument als Verbraucher die Steuerlast. Rein technische Gründe seien dafür verantwortlich, dass der Steuerschuldner der Unternehmer bzw der Inhaber des Steuerlagers sei. Durch die die Klimaschädlichkeit fördernde Steuerbegünstigung würden vermehrt Extremwetterereignisse und Hitzeperioden entstehen, welche zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Antragsteller führen.

Der VfGH verweist in seinen Ausführungen zur Unmittelbarkeit auf die Vielfältigkeit möglicher Einflussfaktoren für die Beurteilung, inwieweit die den Steuerschuldner treffende Abgabenlast auf den Verbraucher tatsächlich überwälzbar ist. Umsatzsteuerliche oder verbrauchsteuerliche gesetzliche Regelungen führen beim Verbraucher auch dann nicht zu einer Rechtsverletzung, wenn die Abgabenlast auf ebendiesen überwälzt werden würde (vgl VfSlg 8292/1978). Es gäbe zwar Fälle, in welchen auch Rechtspersonen in Ermangelung der Eigenschaft als unmittelbare Normadressaten als solche angesehen wurden, dies aber jedenfalls immer im Zusammenhang mit einem Eingriff in deren Rechtssphäre. Ein solcher Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller ist schon durch die Nichtnutzung der Leistung von Luftfahrtunternehmen (für die die steuerlichen Begünstigungen gelten) ausgeschlossen (vgl VfSlg 14.716/1996, 15.665/1999). Das Vorbringen der Antragsteller vermag die Unmittelbarkeit der Rechtsverletzung bzw die Eigenschaft als Normadressaten nicht zu begründen. Auf die Prüfung weiterer Antragsvoraussetzungen kann deshalb verzichtet werden. Der Antrag war folglich vom VfGH zurückzuweisen.

Conclusio

Der VfGH bekräftigt abermals die strengen Voraussetzungen der Antragslegitimation des Individualantrags auf Normprüfung (vgl VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003; VfGH 30. 11. 2017, V 102/2017). Durch den Verzicht der Antragsteller auf die von der steuerlichen Begünstigung erfassten Verkehrsmittel (aus Gründen des Umweltschutzes) kann in Ermangelung eines Eingriffs in deren Rechtssphäre keine Eigenschaft als Normadressat der Antragsteller begründet werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29961 vom 20.11.2020