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Steuerabkommen Liechtenstein: Art 5, Art 14
Abstract
Die Mitteilung an die liechtensteinische Zahlstelle gem Art 5 Steuerabkommen Liechtenstein ist eine Voraussetzung für die Einmalzahlung nach Art 8 des Abkommens. Ist die Mittelung mit einem Willensmangel behaftet, so erfolgt die Einmalzahlung rechtsgrundlos und kann vom Abgabenpflichtigen zurückverlangt werden.
VfGH 8. 6. 2020, E 1492/2019
Sachverhalt und Vorverfahren
Der in Österreich ansässige Bf ist in Liechtenstein im öffentlichen Dienst beschäftigt. Zur Abwicklung seiner Bezüge verfügt er über ein Gehaltskonto bei einer liechtensteinischen Bank. Am 28. Mai 2014 führte die Bank eine Einmalzahlung iHv € 30.099,66 zur Nachversteuerung von Zinserträgen gem Art 8 Steuerabkommen Liechtenstein (BGBl III 301/2013) an die zuständige österreichische Finanzbehörde ab. Am 20. August 2014 beantragte der Bf beim zuständigen Finanzamt die Rückerstattung der Einmalzahlung. Zur Begründung brachte er vor, dass es sich bei dem Konto um ein Gehaltskonto handelte, dessen Bezüge er stets offengelegt habe und die demnach besteuert worden wären. Die liechtensteinische Bank habe die Einmalzahlung nur durchgeführt, da er auf dem ihm vorgelegten von der Bank vorgelegten Formular irrtümlicherweise die Option „Einmalzahlung“ anstatt der Option „Offenlegung“ angekreuzt habe. Gegen die Abweisung des Rückerstattungsantrages brachte der Bf eine Beschwerde beim BFG ein. Das BFG wies die Beschwerde ab, da die Einmalzahlung nicht rechtsgrundlos erfolgte, sondern auf der irrtümlichen Verweigerung der Offenlegung beruhte. Diese müsse der Bf gegen sich gelten lassen.
Entscheidung des VfGH
Gem Art 14 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein hat die „betroffene Person“ (ein Steuerpflichtiger der in den Anwendungsbereich des Abkommens fällt) einen Anspruch auf Rückerstattung der Einmalzahlung, wenn die Zahlung ohne rechtlichen Grund erfolgte. Laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erfolgt die Zahlung ohne rechtlichen Grund, wenn die im Abkommen geregelten Voraussetzungen für die Erhebung der Einmalzahlung nicht vorliegen (vgl ErläutRV 2151 BlgNR 24. GP 15).
Art 5 Abs 1 Steuerabkommen Liechtenstein bestimmt, dass eine betroffene Person, die bei einer liechtensteinischen Bank zum 31. 12. 2011 und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens ein Konto unterhält, der Bank schriftlich bekanntzugeben hat, ob das Konto gem Art 10 Steuerabkommen Liechtenstein durch freiwillige Meldung offengelegt werden soll. Erfolgt keine Ermächtigung zur freiwilligen Meldung, so muss die Bank die Einmalzahlung nach Art 8 Steuerabkommen Liechtenstein erheben und an die österreichische Finanzverwaltung abführen. Eine Einmalzahlung erfolgt gem Art 5 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein auch für den Fall, dass die betroffene Person bis zum 31. 5. 2014 keine schriftliche Mitteilung abgegeben hat. Nach Ansicht des VfGH ist die Abgabe der Willenserklärung gem Art 5 Abs 1 Steuerabkommen Liechtenstein in jenen Fällen, in denen eine solche an die Bank übermittelt wurde, eine Voraussetzung für Einbehaltung und Abfuhr der Einmalzahlung.
Als Willenserklärung ist die Mitteilung nach Art 5 Abs 1 Steuerabkommen Liechtenstein nur gültig, wenn sie nicht mit einem Willensmangel behaftet ist. Die BAO enthält zwar keine ausdrückliche Regelung zu Willensmängel, jedoch ist § 871 ABGB nach hM auch im Steuerrecht anzuwenden. Unterläuft dem Abgabenpflichtige bei Abgabe der Erklärung nach Art 5 Abs 1 Steuerabkommen Liechtenstein ein Irrtum, der nach § 871 ABGB beachtlich ist, so bindet ihn die Erklärung nicht. Liegt keine Erklärung vor, erfolgt die Einhebung der Einmalzahlung rechtsgrundlos und ist gem Art 14 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein zurückzuzahlen.
Unter den Umständen des vorliegenden Falles – va in Anbetracht der Höhe der Einmalzahlung in Relation zu den erzielten Kapitaleinkünften – hätte der Bank, als verständiger Erklärungsempfängerin auffallen müssen, dass der Erklärung des Bf eine Willensmangel anhaftete. Indem das BFG die Relevanz eines Willensmangels für das Vorliegen eines Rückerstattungsanspruchs gem Art 14 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein von vornherein verneinte, entschied es willkürlich, weshalb der VfGH das Erkenntnis wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz aufhob.
Conclusio
Unterläuft dem Abgabenpflichtigen bei der Ausübung einer steuerlichen Option ein Irrtum, so ist dieser in den Grenzen des § 871 ABGB berücksichtigungswürdig (vgl Ritz, BAO6 (2017) § 85 Rz 1). Daher muss die entscheidende Behörde Feststellungen zum Vorliegen eines Willensmangels treffen, wenn der Abgabenpflichtige einen Irrtum einwendet.
Anders als in den Fällen des Art 5 Abs 3 Steuerabkommen Liechtenstein, in denen die Einmalzahlung mangels Vorliegen einer Mitteilung erfolgt, ist die Erklärung des Abgabenpflichtigen in Art 5 Abs 1 leg cit eine konstitutive Voraussetzung für die Einhebung der Einmalzahlung. Liegt keine mangelfreie Willenserklärung des Abgabenpflichtigen vor, erfolgt die Einmalzahlung ohne Rechtsgrund und ist gem Art 14 Abs 3 Steuerabkommen zurückzuzahlen.