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VfGH zum Hälftesteuersatz bei Waldnutzung in Folge höherer Gewalt

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

EStG: § 12 Abs 7, § 37 Abs 6

Abstract

Der VfGH hatte sich mit der steuerlichen Begünstigung für vorzeitige Abholzung in Folge höherer Gewalt auseinanderzusetzen. Wird für das stehende Holz kein Bestandsvergleich vorgenommen und der Wald in Folge höherer Gewalt genutzt, kommt es zur plötzlichen Aufdeckung stiller Reserven, die sich oft über Jahrzehnte angesammelt haben und deswegen gem § 12 Abs 7 EStG und § 37 Abs 6 EStG steuerlich begünstigt behandelt werden. Neben der Übertragung eines Teils der stillen Reserven können die nicht übertragenen Reserven zum Hälftesteuersatz besteuert werden. Das BFG hatte Bedenken geäußert, ob die Bestimmung mit dem Gleichheitssatz und dem Legalitätsprinzip vereinbar ist.

VfGH 18. 9. 2024, G 3317/2023-9

Sachverhalt

Ein buchführungspflichtiger Forstwirt hatte in den Jahren 2005 bis 2011 Gewinne aus Holzeinschlag geltend gemacht. Rund die Hälfte des Holzeinschlags wurde durch den Steuerpflichtigen als Waldnutzung in Folge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung) erklärt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Steuerpflichtige einen Teil der aufgedeckten stillen Reserven gem § 12 Abs 7 EStG übertragen hätte können und der Rest zum Hälftesteuersatz gem § 37 Abs 6 EStG besteuert worden wäre. Die Abgabenbehörde erkannte die Steuerbegünstigungen im konkreten Fall allerdings nicht an, weil der für den Holzeinschlag ausschlaggebende Mistelbefall bei den Eichen ein betriebstypisches Risiko darstelle. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde durch die Behörde mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen und im Anschluss an das BFG im Jahr 2014 vorgelegt.

Dem BFG kamen im Zuge der Behandlung der Beschwerde Bedenken auf, ob Teile der §§ 12 und 37 EStG idF BGBl I 2004/180 gesetzeskonform sind, weswegen es ein Gesetzesprüfungsverfahren vor dem VfGH beantragte (BFG 30. 11. 2023, RN/7100001/2023). Vorgebracht wurde ua, dass der Hälftesteuersatz gem § 37 Abs 1 dritter Teilstrich (seit dem BGBl I 2010/111: zweiter Teilstrich) iVm § 37 Abs 6 EStG eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von forstwirtschaftlichen Betrieben gegenüber anderen Betrieben bewirke. So hätten landwirtschaftliche Betriebe keine Möglichkeit eine vergleichbare Begünstigung in Anspruch zu nehmen. Die Bundesregierung trat den Bedenken des BFG ausführlich entgegen.

Entscheidung des VfGH

Da der Hauptantrag des BFG zu eng gefasst war, weist der VfGH diesen als unzulässig zurück und befasst sich in der Sache nur mit dem ersten Eventualantrag, wonach die Teile zu den Waldnutzungen in Folge höherer Gewalt in § 37 Abs 6 EStG sowie der gesamte § 12 Abs 7 EStG aufzuheben sind.

Der VfGH erkennt keine unsachliche Ungleichbehandlung von forstwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Betrieben, weil zweitere typischerweise kürzere Produktionszeiten hätten und Schadensfälle in der Regel auch nicht zu einem Überertrag führen. Der VfGH erinnert an seine ständige Rsp, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist eine Tarifermäßigung vorzusehen, wenn verschärfende Progressionseffekte durch eine zwangslaufende Zusammenballung von Einkünften entsteht (VfSlg 18.396/2008, 11.316/1987). Müssen Betriebe, die das stehende Holz nicht gem § 6 Z 2 lit b EStG in den Bestandsvergleich aufgenommen haben, schadhaftes Holz aufgrund eines Elementarereignisses veräußern, werden Erträge aufgedeckt, die über einen außerordentlich langen Zeitraum angewachsen sein können, oft sogar über 80 bis 120 Jahre. Es kommt daher zu einer überproportionalen Besteuerung zu einem Zeitpunkt, in dem die Ertragskraft des forstwirtschaftlichen Betriebs durch das Schadensereignis erheblich gemindert ist. Kommt es bei landwirtschaftlichen Betrieben (zB Obstbau, Weinbau) zu vergleichbaren Schäden, führen diese in der Regel zu keinen ungeplanten Verwertungserlösen. Allfällige Versicherungserlöse betreffen meist auch nur den Ernteschaden eines Jahres und keine Erträge, die sich über einen vergleichbar langen Zeitraum angesammelt haben.

Der VfGH teilt auch nicht die Bedenken des BFG, dass die Progressionsermäßigung zu einer unsachlichen Begünstigung gegenüber der laufenden Besteuerung des stehenden Holzes führt, weil die im selben Jahr angefallen stillen Reserven gem § 12 EStG übertragen werden können und darüber hinaus mangels Zusammenballung kein Bedarf für eine Progressionsermäßigung besteht. Der Hauptvorteil der Nichtansetzung des stehenden Holzes liegt dem VfGH zufolge auch nicht in der Halbsatzbesteuerung bei Kalamitätsnutzung, sondern im hohen Aufwand, den die laufende Bewertung des stehenden Holzes nach sich zieht.

Ebenso wenig überzeugen den VfGH die Bedenken hinsichtlich des Determinierungsgrades der Regelungen. Die Regelung entspricht den Vorgaben des Art 18 B-VG. Der Inhalt des Begriffs „höhere Gewalt“ ist bestimmbar, weil es sich um ein von außen kommendes Ereignis handeln muss, das keine typische Betriebsgefahr darstellt. Auch die Regelungen zur Nachweisführung, ob höhere Gewalt vorliegt, sind ausreichend determiniert. Die vom BFG behauptete Verfassungswidrigkeit liegt daher nicht vor.

Conclusio

Obwohl die Entscheidung des VfGH die Begünstigung in der Fassung von vor knapp 15 Jahren betrifft, ist sie auf die heutige Rechtslage übertragbar, in der im Wesentlichen nur die Übertragungsmöglichkeit der stillen Reserven gem § 12 Abs 7 EStG von 50 % auf 70 % erweitert wurde (im Detail siehe Adametz, Waldnutzungen infolge höherer Gewalt, ÖStZ 2021, 553). Betont werden muss außerdem, dass die Begünstigung nur dann angewendet werden kann, wenn das stehende Holz nicht laufend in den Bestandsvergleich miteinbezogen wird, weil es im Fall des laufenden Teilwertansatzes in der Regel nicht zu einer Akkumulierung von stillen Reserven kommt.

Die Entscheidung des VfGH zeigt, dass die steuerliche Situation forstwirtschaftliche Betriebe bei Schadensereignissen nicht mit jener von landwirtschaftlichen Betrieben verglichen werden kann, weil landwirtschaftliche Schäden in der Regel nicht zur Aufdeckung stiller Reserven führen. Das bedeutet nicht, dass die Regelung nicht kritikwürdig ist. Gerade die nicht pauschalisierten forstwirtschaftliche Großbetriebe unterliegen schon unter gewöhnlichen Umständen der höchsten oder zweithöchsten Progressionsstufe, sodass die Halbsatzbegünstigung zu einer Ermäßigung weit über die zusätzliche Progression hinaus führt (siehe bereits Doralt, Besondere Waldnutzung“ – eine überholte Begünstigung, RdW 2002, 756). Systematisch sinnvoller wäre daher wohl – auch mit Blick auf die anderen Tatbestände des § 37 EStG – eine Verteilungsbegünstigung (vgl Fraberger/Papst in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18 [2016] § 37 Rz 117). Diese Bedenken rechtspolitischer Natur reichen aber nicht für eine verfassungsrechtliche Aufhebung der steuerlichen Begünstigung für Waldnutzungen infolge höherer Gewalt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36090 vom 15.11.2024