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Vollbeendigung eines Vereins während eines Passivprozesses

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VerG 2002: § 27

Gemäß § 27 VerG 2002 endet die Rechtspersönlichkeit eines Vereins mit der Eintragung seiner Auflösung im Vereinsregister. Ist eine Abwicklung erforderlich, verliert der Verein seine Rechtsfähigkeit erst mit Eintragung ihrer Beendigung.

Aufgrund der gleichgelagerten Interessenlage ist auch bei der Vollbeendigung des Vereins während eines gegen ihn geführten Passivprozesses entsprechend der Judikatur zu Kapitalgesellschaften das Verfahren auf Begehren des Kl fortzusetzen ist. Wünscht der Kl dagegen keine Fortsetzung, ist die Klage zurückzuweisen und dass bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

OGH 29. 4. 2025, 9 Ob 12/25t

Entscheidung

Richtig ist, dass in der E 8 Ob 8/95, ZIK 1996, 32, davon ausgegangen wurde, dass es nicht genügt, wenn das einzige potentielle Aktivum der gelöschten Gesellschaft ein allenfalls ersiegter Prozesskostenersatzanspruch gegen die kl P ist. Darauf kommt es aber einerseits nicht an. Andererseits wurde bereits in dieser Entscheidung die Rsp zu Kapitalgesellschaften (8 Ob 6/94, RdW 1995, 139) auf einen Verein übertragen.

Seit der E des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f, ARD 4988/30/98, wird in stRsp davon ausgegangen, dass eine vollbeendete Kapitalgesellschaft grds nicht mehr parteifähig ist, es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK unvereinbar ist, wenn die Bekl durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kl keinen Einfluss hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kl rite verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Wird eine Kapitalgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses gelöscht, ist das Verfahren auf Begehren des Kl fortzusetzen. Strebt der Kl hingegen die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, ist die Klage zurückzuweisen, das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären und die Kosten nach § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben (vgl auch RS0110979).

Diese Erwägungen sind nach der E 8 ObA 72/07g auch dann beachtlich, wenn es sich bei der Bekl um eine im Firmenbuch gelöschte Kommanditgesellschaft handelt, deren (einziger) Komplementär und (einziger) Kommanditist natürliche Personen sind. Dies wurde damit begründet, dass schon im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK auch für die damals bekl KEG der Grundgedanke zu übernehmen sei, dass aus der Löschung der bekl Gesellschaft während des Verfahrens die Vermutung der Vermögenslosigkeit nicht abgeleitet werden könne. Der Umstand, dass der Kl die Möglichkeit habe, die persönlich haftenden Gesellschafter gesondert zu klagen, reiche nicht aus, die dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK entspringende Schutzwürdigkeit des Kl zu verneinen.

In den E 6 Ob 287/02b, RdW 2003/442, und 7 Ob 187/07m (jeweils mwH) ging der OGH davon aus, dass dieselben Grundsätze auch auf Vereine anwendbar seien, wobei jeweils Sachverhalte zu beurteilen waren, die mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind.

Auch in der Lit wird zur Frage der Vollbeendigung eines Vereins während eines anhängigen Passivprozesses von der Übertragbarkeit der Rsp zu Kapitalgesellschaften auch auf Vereine ausgegangen (Futterknecht/Glanzer in ecolex 2011, 1108 [1109 f]; Hargassner, Handbuch für Vereinsfunktionäre4 [2021], S 129; Achrainer in Schopper/Weilinger, VereinsG [Stand 1. 10. 2018, rdb.at] § 27, Rz 16; Höhne/Jöchl/Lummerstofer, Das Recht der Vereine6 [2020], S 565).

Auch der erk Senat vertritt die Rechtsauffassung, dass aufgrund der gleichgelagerten Interessenlage auch bei der Vollbeendigung des Vereins während eines gegen ihn geführten Passivprozesses entsprechend der Judikatur zu Kapitalgesellschaften das Verfahren auf Begehren des Kl fortzusetzen ist. Wünscht der Kl dagegen keine Fortsetzung, ist die Klage zurückzuweisen und dass bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

Der Revisionsrekurs verweist dagegen letztlich nur darauf, dass nach Ansicht des Bekl das Verfahren gegen eine andere Person, der die strittigen Rechte während des Verfahrens übertragen wurden, geführt werden könnte. Demgegenüber ist die Kl davon ausgegangen, dass diese Übertragung unwirksam ist.

Einem Kl in einem Verfahren gegen eine aufgelöste Gesellschaft den in einem „dazu ungeeigneten Zwischenverfahren“ zu erbringenden Beweis zu ersparen, dass die aufgelöste Gesellschaft nicht vermögenslos und daher nicht vollbeendet ist, war aber nach der E des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f, ARD 4988/30/98, gerade ein wesentliches Argument für die dem Kl eingeräumte Wahlmöglichkeit.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36873 vom 27.06.2025