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Abstract
Bereits mehrfach hat der VwGH § 188 InvFG aufgrund von Unionsrechtswidrigkeiten in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt (VwGH 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0027; 11. 9. 2020, Ra 2020/13/0006). Auch der EuGH hat im Bereich der steuerlichen Behandlung von ausländischen Investmentfonds bereits Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit festgestellt (EuGH 10. 4. 2014, C-190/12, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, ECLI:EU:C:2014:249). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob ein formell einer österreichischen Körperschaft vergleichbarer US-amerikanischer Investmentfonds transparent behandelt werden darf oder muss, wenn es sich dabei materiell um einen – in Österreich jedenfalls als transparent behandelten – OGAW (Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) handelt. MaW stellt sich die Frage, womit ein ausländischer Investmentfonds verglichen werden muss – einer österreichischen Körperschaft allgemein oder doch mit einem ähnlichen innerstaatlichen Konstrukt. Da der VwGH Zweifel über die Auslegung der Bestimmung hegt, hat er ein Vorabentscheidungsverfahren gem Art 267 AEUV eingeleitet.
VwGH 20. 9. 2023, EU 2023/0005-1 (Ro 2022/13/0014).
Sachverhalt
Die mitbeteiligte Partei ist eine im Jahr 2001 errichtete, in den USA ansässige Investmentgesellschaft. Es handelt sich dabei um eine „Series“, ein eigenständiges Teilvermögen eines „Trusts“. Dieser ist selbst eine juristische Person und zivilrechtlicher Eigentümer des Teilvermögens. Wirtschaftliche Eigentümerin des Teilvermögens ist hingegen die mitbeteiligte Partei. Die in- und ausländischen Einkünfte der „Series“ – inklusive realisierter Wertsteigerungen – sind in den USA steuerpflichtig. Eine Durchgriffsbesteuerung findet nur bei Ausschüttung an die Anteilinhaber statt. „Series“ unterliegen in den USA allgemein einer Steuerbegünstigung, wenn sie mindestens 90 % der steuerpflichtigen Einkünfte ausschütten. Nach Einstufung durch das BFG handelt es sich bei der mitbeteiligten Partei um einen frei handelbaren Publikumsfonds. Die Tätigkeit entspricht derjenigen eines inländischen österreichischen Investmentfonds und damit einem „Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ („OGAW“) iSd RL (EU) 65/2009.
Aufgrund von Portfoliobeteiligungen an österreichischen AGs wurden 2013 Dividenden iHv EUR 387.679 an die mitbeteiligte Partei ausgeschüttet. Die AGs behielten die 25%ige KESt ein und führten sie ans FA ab. Nach dem DBA Ö-USA wurde die KESt auf 15 % reduziert. Daraufhin stellte die Mitbeteiligte gem § 21 Abs 1 Z 1a KStG einen Antrag auf Rückerstattung der restlichen Quellensteuer, die vom FA abgewiesen worden ist. Das BFG stellte im zweiten Rechtsgang (vgl VwGH 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003) die formelle Vergleichbarkeit der Mitbeteiligten mit einer österreichischen Gesellschaft fest und erkannte in der – in § 188 InvFG normierten – Verhinderung der Zurechnung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.
Entscheidung des VwGH
Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, die gem § 1 Abs 3 KStG mit inländischen juristischen Personen vergleichbar und keine OGAW sind, können nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG einen Antrag auf Rückerstattung der KESt stellen.
Nach § 2 Abs 2 InvFG dürfen österreichische OGAW ausschließlich als Sondervermögen errichtet werden. Dieses Sondervermögen ist nach § 46 InvFG den Anteilsinhabern zuzurechnen (zwingende Durchgriffsbesteuerung gem § 186 InvFG), ihm steht keine Rechtspersönlichkeit zu. § 188 InvFG stellt klar, dass § 186 leg cit auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden ist. Das soll auch dann gelten, wenn sie nach einem Typenvergleich als einer inländischen Körperschaft vergleichbar eingestuft werden. Inländische Körperschaften werden hingegen nur nach der Rechtsform beurteilt.
In bisherigen Fällen (VwGH 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0027; 11. 9. 2020, Ra 2020/13/0006) hat der VwGH bereits eine ungerechtfertigte Einschränkung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit des § 188 InvFG in jenen Sachverhaltskonstellationen erkannt, in denen ausländische Körperschaften nach ihrem Zweck und ihrer Geschäftstätigkeit im Inland ebenfalls als Körperschaft tätig hätten werden können und deshalb nicht von § 186 InvFG erfasst wären.
Im streitgegenständlichen Sachverhalt hingegen würde die „Series“ innerstaatlich als Investmentfonds und damit als OGAW eingestuft werden, welches zwingend der transparenten Investmentfondsbesteuerung gem § 186 InvFG unterliegt. Nach § 2 Abs 2 iVm 46 InvFG hätte sie nur als Sondervermögen iSd § 2 Abs 2 iVm § 46 InvFG errichtet werden können, wodurch eine KESt-Rückerstattung oder -Anrechnung nicht in Frage gekommen wäre.
Nach stRsp des EuGH verbietet Art 63 AEUV Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem anderen MS oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (zB 21. 6. 2018, C-480/16, Fidelity Funds, ECLI:EU:C:2018:480). In einem Urteil (10. 4. 2014, C-190/12, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, ECLI:EU:C:2014:249) hat der EuGH entschieden, dass sich ein Investmentfonds mit Sitz in den USA bezüglich Steuerbefreiungen in einer vergleichbaren Situation wie ein Investmentfonds mit Sitz in Polen befindet, weswegen eine Ungleichbehandlung eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt. Im Hinblick auf die österreichische Rechtslage stellt sich für den VwGH nun die Frage, ob eine Einschränkung von § 188 InvFG nicht sogar zu einer ungerechtfertigten Besserstellung bestimmter ausländischer Gesellschaften führen würde. Weiters muss geklärt werden, ob sich ausländische Investmentfonds, die materiell einem OGAW entsprechen, in objektiv vergleichbaren Situationen wie inländische Körperschaften befinden, die nicht die Kriterien eines OGAW erfüllen. Die behauptete Ungleichbehandlung betrifft nämlich einen Vergleich mit inländischen Körperschaften, die Vermögen nach dem Kriterium der Risikostreuung anlegen, aber keine OGAW sind und deshalb im Inland tätig werden dürfen.
Der VwGH äußert weitere Zweifel an der objektiven Vergleichbarkeit aufgrund von Zweck und Rechtsentwicklung des § 186 InvFG. Zweck des § 186 InvFG zielt nach Auffassung des VwGH eindeutig auf eine Gleichbehandlung von nationalen und ausländischen Investmentfonds ab. Von Anfang an war das Konzept der österreichischen Investmentfondsbesteuerung eng mit dem Aufsichtsrecht, welches Fonds nur als transparente Gebilde vorsah, verknüpft. Das für den vorliegenden Fall noch nicht einschlägige Alternative-Investmentfonds-Manager-Gesetz („AIFMG“, BGBl I 2013/135) lässt mittlerweile die Errichtung gewisser Publikums-AIF auch als Körperschaft zu. Die zeitgleichen Anpassungen in §§ 186 und 188 InvFG sorgten für eine Verhinderung der Abschirmwirkung, die im Zuge des neuen Gesetzes möglicherweise entstanden wären – nur mehr die aufsichtsrechtliche Einstufung, nicht die Rechtsform, ist relevant. Selbst wenn eine objektive Vergleichbarkeit als gegeben angesehen werden würde, wäre aber wohl eine sachliche Rechtfertigung gegeben: In Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company hat der EuGH festgestellt, dass eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung in der Verhinderung von Verhaltensweisen gesehen werden kann, die das Recht auf Steuerhoheit eines MS für in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten gefährden. Diese Gefährdung kann insbesondere darin gesehen werden, dass Anteilsinhaber durch die Schaffung eines ausländischen Investmentfonds Bestimmungen eines DBA umgehen können.
Die unionsrechtliche Rechtslage ist für den VwGH allerdings nicht derart offenkundig, dass kein Raum für vernünftige Zweifel übrig bleibt (EuGH 4. 10. 2018, C-416/17, Kommission/Französische Republik, ECLI:EU:C:2018:811, Rn 110). Entsprechend sieht sich der VwGH veranlasst, den EuGH gem Art 267 AEUV um Vorabentscheidung anzusuchen.
Conclusio
Im Gegensatz zu bisherigen Fällen (VwGH 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0027; 11. 9. 2020, Ra 2020/13/0006) hat der VwGH im vorliegenden Fall nicht selbst über die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des § 188 InvFG entschieden, sondern die Rechtsfrage dem EuGH vorgelegt. Dies mag auch daran liegen, dass der VwGH – im Vergleich zu den genannten Fällen – diesmal offenbar keine Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit oder zumindest eine sachliche Rechtfertigung für eine allfällige Beschränkung erkannt hätte.
Die Zweifel des VwGH an der Unionsrechtswidrigkeit sind durchaus nachvollziehbar: Der amerikanische Investmentfonds ist nach der auf einer EU-Richtlinie (RL [EU] 65/2009) beruhenden Einordnung materiell ein OGAW und wäre demnach auch als rein österreichischer Investmentfonds von einer KESt-Rückerstattung iSd § 21 Abs 1 Z 1a KStG ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Fonds innerstaatlich mit einer Körperschaft vergleichbar ist, mag daran nichts ändern. Der VwGH sprach im vorangegangenen Erkenntnis (VwGH 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003) lediglich aus, dass in einem ersten Schritt die Vergleichbarkeit iSd § 1 Abs 3 KStG zu prüfen ist und sich die Frage der Anwendung des § 188 InvFG erst in Folge stellt. Damit scheint selbst bei objektiver Vergleichbarkeit kein Grund ersichtlich, weshalb hier eine unzulässige Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen soll – es liegt keine Besserstellung innerstaatlicher Investmentfonds vor und die Gleichbehandlung von OGAW ist offensichtlich unionsrechtlich gedeckt.
Insgesamt muss sich hier noch die Frage gestellt werden, für welchen Zeitraum diese Rechtsfragen überhaupt Bedeutung haben. Die Bestimmungen des AIFMG sowie die damit eingeführten Begleitbestimmungen (BGBl I 2013/135, ab 22. Juli 2013) waren im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar – nach heutiger Rechtslage würde gem § 188 iVm § 186 Abs 7 InvFG iVm § 2 Abs 1 Z 1 AIFMG jedenfalls eine rechtsformunabhängige Durchgriffsbesteuerung erfolgen. Ob diese unionsrechtswidrig ist, kann bezweifelt werden.