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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
UStG 1994: § 1, § 6 Abs 1 Z 9 lit a, § 12 Abs 3 Z 1, § 12 Abs 10
MwStSyst-RL: Art 2, Art 16, Art 19, Art 184, Art 188, Art 267
Abstract
Der VwGH legt dem EuGH mehrere Fragen iZm den umsatzsteuerlichen Folgen einer nicht dem UmgrStG unterliegenden Einbringung von Grundstücken aus einem Einzelunternehmen in eine Ein-Mann-GmbH vor. Insb stellten sich die Fragen, ob bei Fehlen einer Gegenleistung für die Einlage überhaupt ein steuerbarer Umsatz vorliegt und ob Art 19 MwStSyst-RL einer steuerbaren Gesamtvermögensübertragung im Wege stehen könnte.
VwGH 28. 5. 2025, Ro 2024/13/0020
Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Revisionswerber (Rw) wollte im Jahr 2007 mehrere bebaute Liegenschaften gem Art III UmgrStG in die R GmbH einbringen. Die Einbringung erfolgte ohne Gewährung neuer Anteile, weil der Rw alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der R GmbH war. Die Einbringung der Grundstücke wurde vom Rw als nicht steuerbar gem § 22 Abs 3 UmgrStG beurteilt.
Aus Sicht des Finanzamtes lagen die Voraussetzungen für die Anwendung des UmgrStG aber nicht vor, weil die Tätigkeit des Rw nicht als gewerbliche Vermietung (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) sondern als Vermögensverwaltung (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) anzusehen war. Diese Einschätzung wurde im Vorverfahren vom VwGH bestätigt (VwGH 24. 8. 2023, Ra 2023/13/0059). Somit war aus Sicht des Finanzamtes das UmgrStG nicht anwendbar und die Übertragung der Grundstücke an die R GmbH umsatzsteuerbar und gem § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG unecht umsatzsteuerbefreit. Für die Liegenschaft wurde bei der Anschaffung VSt-Abzug geltend gemacht, weswegen die unecht steuerbefreite Einlage gem § 12 Abs 10 UStG zu einer Vorsteuerberichtigung führte. Demgegenüber wertete das BFG die Einbringung des Grundstückes als nicht steuerbar, weil mangels Gegenleistung (keine Gewährung neuer Anteile) keine Entgeltlichkeit vorlag. Allerdings hätten sich durch die Einbringung auf Ebene des Einzelunternehmens des Rw die maßgeblichen Verhältnisse für den Vorsteuerabzug geändert, weshalb auch aus Sicht des BFG eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen wäre.
Der Rw brachte im Wesentlichen vor, dass die Einbringung der Grundstücke auch bei Unanwendbarkeit des UmgrStG unter keinen Tatbestand des UStG falle. Eine Vorsteuerberichtigung würde nicht ausgelöst, weil sich die Verhältnisse nicht geändert hätten. Die Grundstücke werden von der R GmbH weiterhin umsatzsteuerpflichtig vermietet. Zudem liege eine nichtsteuerbare Übertragung eines Gesamtvermögens iSd Art 19 MwStSyst-RL vor, sodass auch aus diesem Grund keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen sei.
Vorlagefragen des VwGH
Der VwGH legt dem EuGH gem Art 267 AEUV vier Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der Gerichtshof will (sinngemäß) wissen:
1. | ob die Einbringung von steuerpflichtig vermieteten, bebauten Liegenschaften in eine GmbH ohne Gewährung von Anteilen als Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt nach Art 2 Abs 1 lit a MwStSyst-RL zu beurteilen ist; |
2. | falls dem nicht so ist, ob durch die Einbringung eine Entnahme („Eigenverbrauch“) auf Ebene des Einzelunternehmens nach Art 16 Abs 1 MwStSyst-RL bewirkt wird; |
3. | ob Art 19 MwStSyst-RL einer Einschränkung der nicht steuerbaren Übertragung von Gesamt- oder Teilvermögen nur auf Umgründungen entgegensteht; und |
4. | falls dem so ist, ob Art 19 MwStSyst-RL unmittelbar angewandt werden kann, wenn die Einschränkung auf Umgründungen vor dem Beitritt zur EU eingeführt wurde. |
Mit den ersten beiden Fragen will der VwGH wissen, ob durch die Einbringung der Grundstücke überhaupt ein steuerbarer Umsatz bewirkt wird. Im nationalen Recht wird diese Einbringung entweder als Leistung gegen Entgelt in Form von zusätzlichen Gesellschaftsanteilen (oder allenfalls einer Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile) oder – bei Nichtvorliegen eines derartigen Entgelts – als vorangehende steuerbare Entnahme des Gegenstands aus dem Unternehmen beurteilt (vgl Ruppe/Achatz, UStG6 § 1 Tz 82/3 [Stand 1. 5. 2024]). In der Rsp des EuGH ist die Frage der Steuerbarkeit solcher Einbringungen jedoch noch nicht abschließend geklärt. So könnte aus der Rsp des EuGH sowohl die Steuerbarkeit der Einbringung einer Liegenschaft in eine Gesellschaft als Lieferung gegen Entgelt (EuGH 1. 3. 2012, C-280/10, Polski Trawertyn, Rn 32; 13. 3. 2014, C-204/13, Malburg, Rn 35; 8. 5. 2024, C-241/23, Dyrektor Izby administracji Skarbowej w Warszawie) als auch eine steuerbare Entnahme der Liegenschaften aus dem Unternehmen des Rw (zB EuGH 11. 5. 2017, C-36/16, Posnania Investment, Rn 37 ff; 25. 4. 2024, C-207/23, Finanzamt X) abgeleitet werden. Steuerpflichtig wäre der Umsatz aufgrund der Steuerbefreiung für Grundstücksumsätze in beiden Fällen nicht. Aus anderen Entscheidungen des EuGH könnte hingegen geschlossen werden, dass die Einlage in eine Gesellschaft als nicht steuerbarer Vorgang nicht der Mehrwertsteuer unterliegt (EuGH 26. 6. 2003, C-442/01, KapHag, Rn 39 f; 8. 9. 2022, C-98/21, Finanzamt R, Rn 53).
Die dritte Vorlagefrage widmet sich dem mitgliedstaatlichen Wahlrecht in Art 19 MwStSyst-RL. Nach Ansicht des Rw ist das Wahlrecht zur Nicht-Steuerbarkeit vom österreichischen Gesetzgeber „ganz oder gar nicht“, also entweder für alle Übertragungen von Gesamt- und Teilvermögen oder für gar keine Übertragungen auszuüben (so auch EuGH 27. 11. 2003, C-497/01, Zita Modes, Rn 31). Eine Einschränkung nur auf Umgründungen ist unzulässig. Der VwGH sieht jedoch in der mehrfachen Verwendung des Wortes „oder“ in Art 19 Abs 1 MwStSyst-RL durchaus auch die Möglichkeit, den Richtlinienwortlaut so zu verstehen, dass auch nur einzelne der alternativ genannten Fälle (Gesamt oder Teilvermögen; Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft) als nicht steuerbare Lieferung behandelt werden können.
Die vierte Frage behandelt die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 19 Abs 1 MwStSyst-RL. Dass eine Richtlinienbestimmung den Mitgliedstaaten eine Wahlmöglichkeit eröffnet, schließt deren unmittelbare Anwendung noch nicht zwangsläufig aus (EuGH 17. 7. 2008, C-226/07, Flughafen Köln/Bonn, Rn 30 f; 26. 4. 2012, C-621/10 und C-129/11, Balkan and Sea Properties und Provadinvest, Rn 57). Der Gesetzgeber könnte jedoch seinen Ermessensspielraum bei der Ausübung des Optionsrechts überschritten haben, wodurch eine unmittelbare Anwendung der MwStSyst-RL möglich wird (EuGH 12. 9. 2024, C-243/23, Drebers, Rn 90 f). Zudem stammt die Einschränkung der Nicht-Steuerbarkeit auf Einbringungen nach § 22 Abs 3 UmgrStG bereits aus der Zeit vor dem Beitritt Österreichs zur EU. Daher könnte eine Gebundenheit des Gesetzgebers an die MwStSyst-RL auch aus diesem Grund ausgeschlossen sein (siehe aber EuGH 13. 11. 1990, C-106/89, Marleasing, Rn 8).
Conclusio
Die Vereinbarkeit der österreichischen Umsetzung des mitgliedstaatlichen Wahlrechts gem Art 19 MwStSyst-RL, wonach die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens nur im Zuge von Umgründungen als nicht steuerbare Lieferung behandelt wird, mit dem Unionsrecht wird in der Lit unter Berufung auf die Rsp des EuGH in der Rs Zita Modes seit Längerem kritisch hinterfragt (siehe zB Spies, Unternehmenskauf in der Umsatzsteuer, in Aschauer et al [Hrsg], Kauf und Verkauf von Unternehmen [2022] 107; Zaman, ÖStZ 2024, 707). Sollte der EuGH die Einschränkung auf Umgründungen als nicht zulässig erachten, hätte dies weitreichende Folgen. Insb wäre die entgeltliche Übertragung eines Unternehmens (im Rahmen eines Asset-Deals) sowie die unentgeltliche Übertragung unter Lebenden nicht mehr steuerbar (siehe zB Urnik/Steinhauser, Umsatzsteuerliche Behandlung von Unternehmensübertragungen, SWK 2024, 710 [711 f]). Für die Steuerpflichtigen wäre diese Änderung nur mit Vorteilen verbunden (insb würde etwa auch keine Vorsteuerberichtigung anfallen; siehe dazu wiederum Spies, Unternehmenskauf 112 f).
Der VwGH weist in einem obiter dictum noch darauf hin, dass bei der Option zur Steuerpflicht nach § 6 Abs 2 UStG durch den Rw die Einlage der Liegenschaften nach nationalem Recht steuerpflichtig gewesen wäre. Daher hätte es dann keiner Vorsteuerberichtigung bedurft. Selbst im Fall einer unentgeltlichen Übertragung wäre der Rw berechtigt gewesen, der R GmbH gem § 12 Abs 15 UStG den für die Entnahme geschuldeten Steuerbetrag gesondert in Rechnung zu stellen. Die R GmbH wäre dann zum Vorsteuerabzug für diese Eingangsleistungen berechtigt gewesen. Dieser Lösungsweg ist aber nur möglich, falls der EuGH die Steuerbarkeit der Unternehmensübertragung bejaht.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Option zur Steuerpflicht gem § 6 Abs 2 UStG bis zur Rechtskraft des Bescheides ausgeübt werden kann (UStR 2000 Rz 793; so auch Melhardt/Tumpel, UStG3 [2021] § 6 Rz 325; Ruppe/Achatz, UStG6 § 6 Tz 249/10 [Stand 1. 5. 2024]). Unter „Rechtskraft“ ist im Allgemeinen die formelle Rechtskraft gemeint, worunter eine Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln verstanden wird (siehe bspw Ritz, taxlex 2015, 204 [204] mwN). Dabei ist auch davon auszugehen, dass Bescheide erst nach Erledigung gegen sie gerichteter Bescheidbeschwerden rechtskräftig werden (siehe Ritz, taxlex 2015, 204 [206]). Insofern steht dem Rw nach Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Einbringung iSd Art III UmgrStG im fortgesetzten Verfahren wohl weiterhin die Möglichkeit offen, die Vorsteuerberichtigung durch nachträgliche Ausübung der Option gem § 6 Abs 2 UStG zu vermeiden.