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Vorsteuerberichtigung aufgrund von Insolvenz im Rahmen der Anzahlungsbesteuerung

Bearbeiter: Markus Mittendorfer

UStG: § 16 Abs 1, Abs 3 Z 2, § 19 Abs 2 Z 1 lit a

MwStSyst-RL: Art 90, Art 185

Abstract

Die Revisionswerberin – eine Kommanditgesellschaft – beauftragte eine Kapitalgesellschaft mit der Errichtung einer Wohnhausanlage, wobei eine Anzahlung vereinbart und letztlich auch – inklusive der darauf entfallenden Umsatzsteuer – geleistet wurde. Während aufrechter Leistungserbringung wurde die Leistungserbringerin allerdings insolvent. Der VwGH war folglich berufen, über das Schicksal des Vorsteuerabzuges aus einer Anzahlungsrechnung zu entscheiden, welcher zum Teil auf tatsächlich nicht erbrachte Bauleistungen entfallen ist.

VwGH 8. 9. 2020, Ra 2020/15/0102-3

Sachverhalt

Mit 27. 5. 2009 beauftragte die revisionswerbende Kommanditgesellschaft – mittels Bauvertrags – die R GmbH als Generalunternehmerin mit der Errichtung einer Wohnhausanlage. Dabei wurde – unter der Voraussetzung der Beibringung einer Bankgarantie – optional die Vorauszahlung des gesamten Werklohns gegen Gewährung eines Sondernachlasses vereinbart. Die Revisionswerberin bezahlte daraufhin den mit Anzahlungsrechnung in Rechnung gestellten Werklohn, wobei die Zahlung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer durch Überrechnung eines Umsatzsteuerguthabens derselben erfolgte. In weiterer Folge machte die Revisionswerberin Vorsteuern in der Höhe der bezahlten Umsatzsteuer geltend. Während aufrechter Leistungsausführung wurde über die R GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Masseverwalter trat in weiterer Folge gem § 21 IO vom Bauwerkvertrag zurück, weshalb die weitere Ausführung des Vertrages unterblieb und eine Berichtigung der Umsatzsteuer gem § 16 Abs 1 Z 1 UStG erfolgte. Aus der Berichtigung ergab sich ein Rückzahlungsanspruch an die Insolvenzmasse betreffend des in der Anzahlung enthaltenen Umsatzsteuerbetrages, der die tatsächlich erbrachten Bauleistungen überstieg. Dieser Rückzahlungsanspruch wurde im Zuge der Verrechnung mit Konkursforderungen vom Finanzamt beglichen. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde daraufhin der Vorsteuerabzug lediglich im Ausmaß der bis zum Vertragsrücktritt tatsächlich erbrachten Leistungen anerkannt.

Entscheidung des VwGH

Strittig war im vorliegenden Fall das Schicksal des Vorsteuerabzuges aus der Anzahlungsrechnung, soweit er nicht auf tatsächlich erbrachte Bauleistungen entfällt. In diesem Zusammenhang verweist der VwGH auf zwei wesentliche Urteile des EuGH, die sich beide im Kern der Frage widmen, ob ein Vorsteuerabzug, den der Empfänger für eine Anzahlung vorgenommen hat, berichtigt werden muss, wenn die Lieferung schlussendlich nicht bewirkt und die Vorauszahlung auch nicht zurückgezahlt wird. In der Rs FIRIN (EuGH 13. 3. 2014, C-107/13, FIRIN) äußerte sich der EuGH zunächst dahingehend, dass eine Berichtigung grds unabhängig von einer etwaigen Rückzahlung der Vorauszahlung zu erfolgen hat. In der Rs Kollroß und Wirtl (EuGH 31. 3. 2018, C-660/16 und C-661/16, Kollroß und Wirtl) präzisierte der Gerichtshof seine Rsp und stellte fest, dass eine national vorgesehene Voraussetzung, wonach die Vorsteuerberichtigung die Rückzahlung der Voraussetzung verlangt, unionsrechtlich dennoch zulässig ist. Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage ist die Rückgewährung der Anzahlung nach österreichischem Recht keine Voraussetzung für die Vorsteuerberichtigung. Die Voraussetzungen für die Vorsteuerberichtigung nach § 16 Abs 3 Z 2 UStG sind im vorliegenden Fall daher jedenfalls erfüllt. Zudem weist der VwGH daraufhin, dass die Revisionswerberin aufgrund der Geltendmachung der Bankgarantie ohnehin den Nettobetrag ihrer Anzahlung zurückerhielt.

Ebenfalls in der Rs Kollroß und Wirtl hielt der EuGH fest, dass in Fällen, in denen mangels eines steuerpflichtigen Umsatzes unberechtigt Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wurde, nur dem die Leistung erbringenden Unternehmer ein Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträgen gegen die Steuerbehörden zukommt und der Leistungsempfänger dahingegen eine Klage gegen den Leistungserbringer erheben muss, um von diesem eine Erstattung zu erlangen. In bestimmten Fällen – wie etwa der Zahlungsunfähigkeit des die Leistung erbringenden Unternehmers – kann der Leistungsempfänger aber seinen Antrag auf Erstattung auch unmittelbar an die Steuerbehörden richten. Dem VwGH zufolge wird ein unmittelbarer Anspruch des Leistungsempfängers gegenüber den Steuerbehörden auf Mehrwertsteuererstattung iSd EuGH-Rsp dann nicht angenommen, wenn die Mehrwertsteuer nicht an die Behörden abgeführt worden ist. Denn den Steuerbehörden darf kein Schaden entstehen. Ein Rückzahlungsanspruch ist demnach ausgeschlossen, sofern die Mehrwertsteuer nicht abgeführt wurde. Dies muss auch für Rückvergütungen infolge der Berichtigung der Umsatzsteuer gelten. Im gegenständlichen Fall wurde vom Masseverwalter eine Berichtigung der Umsatzsteuer gem § 16 Abs 1 Z 1 UStG vorgenommen, woraus ein Rückforderungsanspruch gegenüber der Abgabenbehörde erwuchs. Das Finanzamt nahm daraufhin eine Rückgewähr der Umsatzsteuer vor. Würde eine Vorsteuerberichtigung unterbleiben, wäre ein Steuerausfall der Abgabenbehörde die Folge. Denn im Ergebnis ist die Anzahlung im Ausmaß des die erbrachten Leistungen übersteigenden Teils letztlich nicht der Umsatzsteuer unterzogen worden, weshalb der Vorsteuerabzug der Revisionswerberin aufgrund der Anzahlung zu berichtigen ist. Die Revision war daher als unbegründet abzuweisen.

Conclusio

Nach § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG entsteht die Steuerschuld bei Anzahlungen – unabhängig von der Leistungsausführung – in jenem Zeitpunkt, in dem die Anzahlung vereinnahmt wurde. Die Änderung der Bemessungsgrundlage findet sich in § 16 UStG (vgl Art 90 und Art 185 MwStSyst-RL) und umfasst sowohl die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages beim Leistungserbringer als auch die spiegelbildliche Vorsteuerkorrektur beim Leistungsempfänger. § 16 Abs 3 Z 2 UStG stellt in diesem Zusammenhang auf die Anzahlungsbesteuerung gem § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG ab und verlangt immer dann eine Korrektur, wenn für eine vereinbarte Leistung ein Entgelt entrichtet, diese Leistung jedoch in weiterer Folge nicht ausgeführt wird. Die Entscheidung des VwGH überrascht sohin nicht. Aufgrund des Nichteintritts des Masseverwalters in den Bauwerksvertrag nach § 21 IO unterblieb die weitere Leistungsausführung der R GmbH, weshalb die aufgrund von § 19 Abs 2 Z 2 UStG entstandene Steuerschuld zu korrigieren war. Spiegelbildlich dazu musste der beim Leistungsempfänger vorgenommene Vorsteuerabzug berichtigt werden. Dies gilt im Falle der Anzahlung auch dann, wenn die Vorauszahlung nicht zurückgezahlt wird. Denn im Gegensatz zur deutschen Rechtslage ist die Rückgewährung der Anzahlung nach österreichischem Recht keine Voraussetzung für die Vorsteuerberichtigung.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33453 vom 28.12.2022