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Vorsteuerproblematik bei Errichtung von Bankgebäuden durch Konzerngesellschaften

Bearbeiter: Robin Damberger

BAO: § 22

UStG: § 6 Abs 1 Z 16, § 2 Abs 2 Z 2

Abstract

Die Enkelgesellschaft einer österreichischen Bank-AG errichtete ein Bankgebäude. Das Bankgebäude wurde von der Enkelgesellschaft anschließend mittels Leasingvereinbarung an die Großmuttergesellschaft vermietet. Strittig im Verfahren vor dem VwGH war, ob der Enkelgesellschaft für die Errichtung des Bankgebäudes ein Vorsteuerabzug zusteht. Der VwGH hob die Entscheidung des BFG gem § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Für den VwGH wurde durch das BFG nicht ausreichend geprüft, ob im vorliegenden Sachverhalt Missbrauch iSd § 22 BAO oder eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt.

VwGH vom 15. 5. 2020, Ra 2018/15/0113

Sachverhalt

Die Enkelgesellschaft einer österreichischen Bank-AG (Großmuttergesellschaft) war im Leasinggeschäft tätig. Die Bank-AG räumte ihrer Enkelgesellschaft (GmbH) ein Baurecht für ein Grundstück ein. Darauf errichtete die Enkelgesellschaft ein Bankgebäude, welches wiederum von der Großmuttergesellschaft mit einem Leasingvertrag gemietet wurde. Die Enkelgesellschaft bildete gemeinsam mit ihrer Muttergesellschaft (Tochtergesellschaft der Bank-AG) eine umsatzsteuerliche Organschaft, wobei die Muttergesellschaft als Organträgerin auftrat. Für die Vermietung des Bankgebäudes übte die Enkelgesellschaft die Option des § 6 Abs 2 UStG aus und verrechnete die Vermietung an die Großmuttergesellschaft mit Umsatzsteuer. In ihrer Funktion als Organträgerin machte die Muttergesellschaft den Vorsteuerabzug für die Errichtung des Bankgebäudes geltend. Der Vorsteuerabzug betrifft die umsatzsteuerliche Rechtslage im Zeitraum 2005 bis 2010 vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012. Das zuständige Finanzamt verweigerte allerdings den Vorsteuerabzug. Einerseits ging das Finanzamt von einer missbräuchlichen Gestaltung iSd § 22 BAO aus, weil das UStG keinen Vorsteuerabzug für Gebäude, die wie im vorliegenden Fall für Bankgeschäfte verwendet werden, vorsieht. Andererseits ging das Finanzamt davon aus, dass die Großmuttergesellschaft auch Teil der Organschaft zwischen der Mutter- und Enkelgesellschaft ist, womit umsatzsteuerlich unbeachtliche Innenumsätze vorliegen würden. In der Konsequenz würde daher gem § 12 Abs 3 UStG ebenfalls kein Vorsteuerabzug für die Errichtung des Bankgebäudes zustehen. Gegen die rechtliche Beurteilung des Finanzamts brachte die Tochtergesellschaft Beschwerde ein. Das BFG gab der Beschwerde der Tochtergesellschaft folge, wogegen das Finanzamt Amtsrevision einlegte.

Entscheidung des VwGH

Im vorliegenden Revisionsfall war strittig, ob der Muttergesellschaft als Organträgerin der Enkelgesellschaft der Vorsteuerabzug für das Bankgebäude zusteht. Der VwGH folgte der Ansicht des BFG, wonach es im streitgegenständlichen Fall bloß zu einem „Steueraufschub durch Staffelung der Mehrwertsteuerentrichtung“ kommt, nicht. Das BFG verwies dabei auf das Urteil des EuGH in der Rs Weald Leasing (EuGH vom 22. Oktober 2010, C-103/09) im Zusammenhang mit beweglichen Gegenständen, wonach nicht jede steuerschonende Gestaltung automatisch missbräuchlich ist. Ein Steuerpflichtiger hat demnach grundsätzlich das Recht, jene Gestaltung zu wählen, die seine Steuerschuld in Grenzen hält. Davon umfasst sind jedoch nicht rein künstliche Gestaltungen. Im vorliegenden Sachverhalt lag ein Immobilienleasing und die damit im Zusammenhang stehende Optionsmöglichkeit gem § 6 Abs 2 UStG idF vor dem 1 StabG 2012 zur nach § 6 Abs 1 Z 16 UStG unecht steuerfreien Vermietung vor. Laut Berechnung des Finanzamtes entstand durch die vorliegende Leasinggestaltung ein Steuervorteil aufgrund des Vorsteuerabzugs von bis zu 850.000 €. Für den VwGH ist nicht nachvollziehbar, warum eine nahezu 100%ige Enkelgesellschaft, die über keine eigenen Arbeitskräfte verfügt, mit dem Bau und der Vermietung des Gebäudes beauftragt wurde. Der VwGH bemängelte daher die mangelnde Auseinandersetzung des BFG mit der Frage, ob ausreichend gewichtige außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung bestehen, welche gegen die Anwendbarkeit von § 22 BAO sprechen würden. Der VwGH bemängelt zudem auch die nicht ausreichende Prüfung der Leistungsbeziehungen zwischen der Großmuttergesellschaft zur Mutter- und Enkelgesellschaft. Die Prüfung der Leistungsbeziehungen ist für die Beurteilung des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft notwendig. Daher blieb für den VwGH die Frage offen, ob auch die Großmuttergesellschaft Teil der Organschaft ist, was ebenfalls zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs für die Errichtung des Bankgebäudes führen würde. Der VwGH hob daher das Erkenntnis wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften gem § 42 Abs 2 Z 3 VwGG auf.

Conclusio

Im Hinblick auf die Beurteilung von § 22 BAO wurde für den VwGH durch das BFG nicht ausreichend geprüft, ob ausreichende außersteuerlichen Gründe für die gewählte Leasinggestaltung vorliegen. Außerdem wurde für den VwGH durch das BFG nicht ausreichend geklärt, ob sowohl die Großmutter- als auch Muttergesellschaft Teil derselben umsatzsteuerlichen Organschaft sind. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist die geänderte Rechtslage durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 noch nicht anwendbar. Für Miet- und Pachtverhältnisse, die nach dem 31. August 2012 beginnen, darf auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 16 UStG gem § 6 Abs 2 UStG nur verzichtet werden, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, für die der Vorsteuerabzug nicht zusteht. Da Bankgeschäfte gem § 6 Abs 1 Z 8 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, stünde nach aktueller Rechtslage die Option zur Steuerpflicht gem § 6 Abs 2 UStG für den vorliegenden Sachverhalt nicht mehr zur Verfügung und der Vorsteuerabzug für die Errichtung des Bankgebäudes wäre gem § 12 Abs 3 UStG ausgeschlossen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29582 vom 26.08.2020