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Abstract
Der VwGH entschied, dass es bei zu geringer Entrichtung mehrerer Abgabenerhöhungen nicht zu einer aliquoten Strafbefreiung kommt. Des Weiteren bewertete der VwGH, dass eine Abgabenerhöhung im Rahmen einer Selbstanzeige auch für Finanzvergehen vor 2014 zulässig ist.
VwGH 3. 6. 2020, Ra 2019/16/0125
Sachverhalt
Nach einer durchgeführten Umwandlung auf den Alleingesellschafter wurde von Seiten des FA eine BP angekündigt. Als Prüfungsbeginn wurde der 4. 12. 2017 vereinbart. Der Bf reichte am 30. 11. 2017 eine Selbstanzeige für unrichtige Est- und USt-Jahreserklärungen, aufgrund nicht erklärter Mieteinnahmen für die Jahre von 2009 bis 2015, beim FA ein. Das FA setzte die Abgabenerhöhung mit Bescheid fest, wogegen der Bf Beschwerde erhob. Das BFG führte als Bmgl für eine Abgabenerhöhung die nach Jahren aufgeschlüsselten Mehrbeträge an ESt und USt für die betroffenen Jahre an. Von dieser Summe der Mehrbeträge wurde eine Abgabenerhöhung iHv 20 % errechnet. Der Bf erhob gegen die Erkenntnis des BFG eine außerordentliche Revision. Er sah sich in seinem Recht verletzt, da die Abgabenerhöhung auch für Zeiträume vor Einführung des § 29 Abs 6 FinStrG vorgeschrieben wurde.
Entscheidung des VwGH
Wer sich eines Finanzvergehens schuldig macht, wird gem § 29 Abs 1 FinStrG insoweit straffrei, als er seine Verfehlung in einer Selbstanzeige darlegt. Diese Straffreiheit tritt erst durch die Entrichtung der durch die Behörde festzusetzenden Abgabenerhöhung iSd § 29 Abs 6 FinStrG ein. Die Abgabenerhöhung ist ein Nebenanspruch iSd § 3 Abs 2 lit a BAO. Der Bf brachte vor, dass die Abgabenerhöhung erst mit der FinStrG-Novelle 2010 eingeführt worden sei und deswegen keine Nebenansprüche rückwirkend entstehen können. Dem hielt der der VwGH entgegen, dass nach der seit 30. 9. 2014 geltenden Fassung des § 29 Abs 6 FinStrG, die Abgabenerhöhung erst durch die Erstattung der Selbstanzeige, einem Verhalten nach der Tat, ausgelöst wird. Im streitgegenständigen Fall wurde die Selbstanzeige erst nach dem 30. 9. 2014 eingebracht, weshalb § 29 Abs 6 anzuwenden ist.
Des Weiteren setzte sich der VwGH mit der Frage auseinander, ob bei einer nicht vollständigen Entrichtung eine strafbefreiende Wirkung eintritt. Im vorliegenden Fall wurden nacheinander unrichtige Jahreserklärungen für mehrere Veranlagungsjahre abgegeben und dadurch mehrere realkonkurrierende Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Die Abgabe jeder unrichtigen Jahreserklärung zu einer Steuerart bildet für sich eine selbständige Tat iSd § 21 Abs 1 FinStrG. Wenn auch eine Selbstanzeige mehrere Finanzvergehen betreffen mag, ist die strafbefreiende Wirkung für jedes Finanzvergehen einzeln zu prüfen.
Die gemeinsame Vorschreibung mehrerer Abgabenerhöhungen in Form eines Sammelbescheides ist nach Ansicht des VwGH zulässig. Die Abgabenerhöhung berechnet sich in diesem Fall aus der Summe der Mehrbeträge für die in der Selbstanzeige enthaltenen Finanzvergehen. Jedoch wird die Zuordnung der einzelnen Mehrbeträge als Nebenanspruch zu einer konkreten Abgabe durch die gemeinsame Verrechnung nicht berührt.
Auch wenn die Lastschriften der Abgabenerhöhungen allenfalls in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen sind, erfolgt die Verrechnung von Zahlungen nach § 214 BAO. Wird ein geringerer Betrag als die mit Sammelbescheid vorgeschriebene Summe der Abgabenerhöhungen entrichtet, ist aufgrund der Verrechnungsvorschrift des § 214 Abs 1 zweiter Satz BAO die Zahlung auf die früher verbuchte Abgabenerhöhung zu verrechnen. Es kommt somit nicht zu einer aliquoten Strafbefreiung aller Finanzvergehen, sondern zu einer vollständigen Strafbefreiung der Finanzvergehen hinsichtlich derer die Abgabenerhöhung entrichtet wird. Keine Strafbefreiung tritt für jene Finanzvergehen ein, hinsichtlich derer aus der Zahlung kein Betrag zur Entrichtung verbleibt.
Daraus folgt, dass bei einer Selbstanzeige, die mehrere Jahre bzw mehrere Abgabenarten umfasst, für jede einzelne Abgabe eine Abgabenerhöhung festzusetzen ist. Diese Festsetzungen können gemeinsam in einem Sammelbescheid erfolgen, doch ist dann jede Abgabenerhöhung gesondert im Spruch auszuweisen.
Der VwGH hob das Erkenntnis des BFG auf, da dieses die einzelnen Abgabenerhöhungen nicht im Spruch aufschlüsselte.
Conclusio
Abgabenerhöhungen sind auch für Vergehen vorzuschreiben, die vor 2014 begangen wurden. Anspruchsbegründend ist nämlich nicht die Tatbegehung, sondern die Einbringung der Selbstanzeige.
Wird ein geringer Betrag als die tatsächlichen Abgabenerhöhungen entrichtet, so tritt bei mehreren gemeinsam vorgeschriebenen Abgabenerhöhungen keine aliquote Strafbefreiung ein, sondern der Betrag wird zuerst mit den früher verbuchten Abgabenerhöhungen verrechnet.
Mehrere Jahre bzw mehrere Abgabenarten betreffende Abgabenerhöhungen sind in Form eines Sammelbescheides möglich, jedoch muss für jede einzelne Abgabe eine Abgabenerhöhung festgesetzt und gesondert im Spruch ausgewiesen werden.