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VwGH: Abrechnungsbescheid und Aufrechnung iZm Kostenersatzanspruch des Finanzamts

Bearbeiter: Michael Hubmann

BAO: §§ 214, 215, 216

ABGB: § 1438

Abstract

Wird eine Einzahlung auf das Abgabenkonto ohne spezielle Verwendungswidmung getätigt, so ist diese – selbst wenn der Zweck der Zahlung eindeutig betragsmäßig feststellbar ist – gem § 214 Abs 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen. Es ergibt sich hieraus keine nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung, die seitens des FA zu berichtigen wäre. Zivilrechtliche Ansprüche, welche keine Abgaben darstellen, können nicht als Lastschriften auf dem Abgabenkonto verbucht werden, sind aber einer Aufrechnung mit allfälligem Guthaben auf dem Abgabenkonto zugänglich.

VwGH 23. 11. 2022, Ra 2021/15/0016

Sachverhalt

Das FA hatte auf dem Grundstück einer mitbeteiligten Partei ein Pfandrecht über 1.626.968,61 € vorgemerkt, wofür Gebühren iHv 19.586 € angefallen sind. Da die Mitbeteiligte das Grundstück veräußern wollte, forderte das FA die Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuld und Kostenersatz für die Gebühr, woraufhin ein Betrag iHv 1.646.554,61 € ohne Angabe eines besonderen Verwendungszwecks auf das Abgabenkonto der Mitbeteiligten eingezahlt wurde. Da das Abgabenkonto anschließend im Rahmen einer Umbuchung mit einem Betrag iHv 19.586 € belastet wurde, stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gem § 216 BAO. Das FA stellte hieraufhin bescheidmäßig fest, dass die Verrechnung rechtmäßig erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Verbuchung der Einzahlung war auf dem Konto der Mitbeteiligten ein Betrag iHv 5.584,48 € an aushaftenden Abgaben verbucht, die nicht von der Pfandrechtsvormerkung betroffen gewesen seien. Nach Berücksichtigung der Einzahlung sei daher auf dem Abgabenkonto ein Guthaben iHv 14.001,72 € verblieben. Durch die Umbuchung des Betrages iHv 19.586 € sei auf dem Abgabenkonto wieder der Betrag iHv 5.584,48 € aushaftend gewesen. Da der Überweisung keine Aufteilung beigefügt war, sei die Gesamtsumme zur Gänze auf dem Abgabenkonto zu verbuchen gewesen. Mit der Umbuchung sei der Betrag korrekt in die Pfandrechtsablöse und den Kostenersatz für die Gebühren zu teilen gewesen, indem der am Abgabenkonto gebuchte Betrag iHv 19.586 € belastet und vom FA vereinnahmt worden sei. Nach Erhebung einer Beschwerde seitens der Mitbeteiligten sprach das BFG aus, dass die Umbuchung zu Unrecht erfolgt war. Zivilrechtliche Ansprüche, wie hier Grundbuchskosten, welche keine Abgaben darstellen, können nicht als Lastschriften auf dem Abgabenkonto verbucht werden. Hiergegen wurde außerordentliche Amtsrevision erhoben.

Entscheidung des VwGH

Das FA machte geltend, dass es zur Umbuchung deshalb berechtigt und sogar verpflichtet gewesen sei, weil es eine der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechende Buchung von Amts wegen richtig zu stellen gehabt habe. Dabei übersah es aber, dass die Einzahlung iHv 1.646.554,61 € auf das Abgabenkonto der Mitbeteiligten eine Zahlung ohne spezielle Verwendungswidmung darstellte, die folglich gem § 214 Abs 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen war. Eine nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung lag daher nicht vor. Auch eine unmittelbare Verwendung des auf dem Abgabenkonto verbleibenden Guthabens iSd § 215 Abs 1 oder Abs 2 BAO war nicht möglich, weil es sich bei den Grundbuchskosten um keine Abgabenschuldigkeiten handelte. Die revisionsgegenständlichen Grundbuchskosten stellten auch keine Vollstreckungskosten iSd § 26 AbgEO dar, weil die Pfandrechtsvormerkung nicht in einem abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren vorgenommen wurde (vgl Liebig, Die Abgabenexekutionsordnung2 § 26 AbgEO Rz 14). Gem § 1438 ABGB kann aber eine Aufrechnung von Forderungen erfolgen, wenn diese richtig, gleichartig und so beschaffen sind, dass eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden kann. Auch die Abgabenbehörden des Bundes sind berechtigt, eine Forderung des Bundes gegenüber einem Abgabepflichtigen aus Abgabenguthaben gegen den Bund gem § 1438 ABGB aufzurechnen (vgl VwGH 12. 11. 1990, 88/15/0064; vgl auch Stoll, BAO Rz 2481 f). Überdies räumt auch der durch das AbgÄG 2020 (BGBl I 2019/91) in § 214 BAO eingeführte Abs 9 eine Aufrechnungsmöglichkeit ein. Diese Bestimmung solle die „Zulässigkeit einer bescheidmäßigen Aufrechnungserklärung“ in Fällen normieren, in denen einer Forderung einer Abgabenbehörde eine Gegenforderung des Schuldners gegenübersteht (vgl IA 983/A 26. GP 52). Für die Aufrechnung war vor der Erlassung des AbgÄG 2020 ein Bescheid nicht erforderlich. Auch seit dem Inkrafttreten des § 214 Abs 9 BAO ist eine Aufrechnung weiterhin ohne die Erlassung eines Bescheides möglich (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 214 Rz 41; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 214 Rz 59). Zu den Aufrechnungsvoraussetzungen gehört, dass ein Guthaben des Abgabepflichtigen auf seinem Abgabenkonto besteht, mit dem aufgerechnet werden kann, und dass das FA eine – zumindest konkludente – Aufrechnungserklärung abgibt. Im gegenständlichen Fall bestand jedenfalls ein Guthaben iHv 14.001,72 €. Mit diesem hätte – unter den Bedingungen des § 1438 ABGB – grundsätzlich eine Aufrechnung der Schuld erfolgen können. Ob (bereits) in der Umbuchung der Abgabenschuld vom Abgabenkonto der Mitbeteiligten eine konkludente Aufrechnungserklärung zu erblicken ist (vgl Dullinger in Rummel, ABGB3 § 1438 Rz 12; Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar § 1438 Rz 13), kann im Revisionsfall dahinstehen, weil die Revision gar nicht geltend macht, dass das FA eine Aufrechnung iSd § 1438 ABGB vornehmen wollte, sondern nur – unzutreffenderweise – in der Verbuchung der kompletten Saldozahlung iHv 1.646.554,61 € auf dem Abgabenkonto eine nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung erblickte. Die Revision war daher abzuweisen.

Conclusio

Das FA übersah im gegenständlichen Fall, dass die Einzahlung auf das Abgabenkonto eine Zahlung ohne spezielle Verwendungswidmung darstellte und folglich gemäß der Grundregel des § 214 Abs 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten (bei gleicher Fälligkeit auf die früher verbuchten) Schuldigkeiten zu verrechnen ist (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 214 Rz 1). Es lag nie eine nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung vor, die seitens des FA berichtigt werden hätte müssen. Die Grundbuchskosten hätten demgegenüber jedoch, zumindest im Ausmaß des vorhandenen Guthabens, mit diesem iSd § 1438 ABGB aufgerechnet werden können. Ungeachtet des § 214 Abs 9 BAO ist eine Aufrechnung auch weiterhin ohne die Erlassung eines Bescheides möglich (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 214 Rz 41; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 214 Rz 59).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33652 vom 09.02.2023