News

VwGH: „Angeld“ als Stillhalterprämie bei Optionsverträgen

Bearbeiter: Philipp Scharizer

EStG idF vor dem BBG 2011: § 30 Abs 1 Z 2 und Abs 4

EStG idF des BBG 2011: § 27 Abs 3 und 4

Abstract

Der VwGH erkannte, dass es bei Spekulationsgeschäften vor dem BBG 2011 auf den Abwicklungszeitpunkt ankommt. Das Schuldverhältnis eines Optionsvertrages wurde mit dem Erlöschen der Hauptverpflichtung abgewickelt, indem es zur Glattstellung durch das Ziehen einer Option oder durch den Verfall kommt. Ferner wertete der VwGH das Angeld als Stillhalterprämie des Optionsgebers.

VwGH vom 20. 10. 2022, Ra 2022/13/0017

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte (Optionsgeber) schloss am 17. 7. 2011 mit der P GmbH (Optionsnehmerin) einen Optionsvertrag über den Kauf einer Liegenschaft zum Kaufpreis von EUR 1,387 Mio ab. Die Optionsnehmerin konnte bis zum 31 .8. 2011 die Option ausüben. Durch das Zahlen eines Angelds iHv EUR 50.000 verlängerte sich die Option bis zum 30. 9. 2011. Im Fall einer Ziehung der Option wurde das Angeld dem Kaufpreis angerechnet. Bei Verfall der Option blieb das Angeld bei dem Mitbeteiligten. Am 2. 9. 2011 kam es zu einer Verlängerung der Laufzeit des Optionsvertrages bis zum 31. 10. 2011. Am 28. 10. 2011 wurde ein weiterer Optionsvertrag über die gleiche Liegenschaft abgeschlossen und ein Angeld iHv EUR 200.000 vereinbart. Für das Angeld mussten lediglich EUR 150.000 bezahlt werden, weil die bereits bezahlten EUR 50.000 angerechnet werden konnten. Der Optionsnehmerin wurde das Recht eingeräumt, die Liegenschaft bis zum 20. 1. 2013 um einen Kaufpreis von EUR 1,587 Mio erwerben zu können. Im Fall einer Ausübung konnte die Optionsnehmerin das bezahlte Angeld mit dem Kaufpreis gegenrechnen. Eine Rückzahlung des Angelds bei keiner Ziehung der Option war nicht vorgesehen. Der Mitbeteiligte war über die an ihn bezahlten Beträge voll verfügungsberechtigt. Das FA wertete die Einräumung einer Option als steuerpflichtige Stillhalterprämie iSd § 30 Abs 1 Z 2 EStG idF vor dem BBG 2011, deren Zufluss im Jahr 2013 erfolgte. Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde, weil es sich seiner Ansicht nach um ein Angeld iSd § 908 ABGB handelte und demnach keine Stillhalterprämie (Optionsprämie) vorlag. Weiters sei die Einräumung des Optionsrechts ausdrücklich unentgeltlich erfolgt. Das BFG gab der Beschwerde statt und hob den Bescheid des FA auf (BFG 27. 7. 2021, RV/7100525/2014). Das BFG ließ eine ordentliche Revision nicht zu. Das FA brachte folglich eine außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ein, welche der VwGH aufgrund fehlender Rsp zuließ.

Entscheidung des VwGH

Gem § 30 Abs 1 Z 2 EStG idF vor dem BBG 2011 waren innerhalb von einem Jahr abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebener Optionen als Spekulationsgeschäfte zu klassifizieren. Wurde das Wirtschaftsgut oder die rechtliche Stellung aus einem Geschäft iSd Z 2 unentgeltlich erworben, so war auf den Anschaffungszeitpunkt oder den Eröffnungszeitpunkt des Geschäftes beim Rechtsvorgänger abzustellen. Durch das BBG 2011 (BGBl I 2010/111) kam es zu einer Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen. § 27 Abs 4 EStG umfasste nun auch Einkünfte aus Derivaten, Stillhalterprämien sowie Einkünfte aus sonstigen Abwicklungen bei Termingeschäften. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 124b Z 184 EStG galt für vor dem 1. 4. 2012 entgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs 3 und 4 EStG – idF nach dem BBG 2011 – weiterhin jede Veräußerung oder sonstige Abwicklung (bspw Glattstellung oder Differenzausgleich) als Spekulationsgeschäft des § 30 Abs 1 EStG idF vor dem BBG 2011.

Gem ErläutRV zum AbgÄG 2011 (BGBl I 2011/76) galten Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs 3 und 4 EStG, die zwischen 30. 9. 2011 und 1. 4. 2012 entgeltlich erworben wurden, stets als spekulationsverfangen. Im streitgegenständigen Fall räumte der Mitbeteiligte mittels Optionsvertrag vom 28. 10. 2011 der P GmbH das Recht ein, die Liegenschaft bis zum 20. 1. 2013 zu einem bestimmten Preis anzukaufen. Dafür wurde ein Angeld bezahlt. Die Option stellt somit ein vertragliches Schuldverhältnis dar (vgl VwGH 20. 10. 2010, 2007/13/0059; 24. 10. 2019, Ro 2019/15/0177). Grundsätzlich stellt Angeld ein Beweis- und Sicherungsmittel eines verbindlichen Vertrags dar, das bei Vertragsschluss gegeben wird. Erfolgt die Zahlung erst nach Vertragsschluss, besteht die Funktion nur mehr in der Erfüllungssicherung. Die Klassifikation als Angeld scheidet hier aus, weil ein Kaufvertrag – mangels Ausübung der Option – nicht zustande gekommen ist. Weiters berechtigte die Zahlung die Optionsnehmerin lediglich zum Ankauf der Liegenschaft und führte nicht zu einer Verpflichtung. Insoweit konnte der gezahlte Betrag kein Mittel zur Erfüllungssicherung sein. Auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise lässt erkennen, dass es sich beim Entgelt um eine Stillhalterprämie für das Optionsrecht zum Ankauf einer Liegenschaft handelt. Die Übergangsbestimmung gem § 124b Z 184 EStG bezieht sich auf den „entgeltlichen Erwerb“ eines Wirtschaftsgutes oder Derivats, welcher auf Seiten des Mitbeteiligten nicht vorliegt. Der Mitbeteiligte räumt der P GmbH nämlich ein Gestaltungsrecht gegen Entgelt ein und demnach könnte allenfalls auf Seiten der GmbH ein Wirtschaftsgut vorliegen (vgl VwGH 28. 5. 2009, 2007/15/0200; 24. 2. 2016, 2013/13/0012).

Um die Abgrenzung der Anwendbarkeit der Regelungen zu treffen, ist bei einem Stillhalter auf das Datum des Abschlusses der Derivatposition abzustellen. Bei § 30 Abs 2 Z 2 EStG idF vor dem BBG 2011 ist der Verfall einer Option als „Abwicklung“ anzusehen. § 27 Abs 4 EStG idF BBG 27 stellt hier insb auf die Abwicklung durch die Glattstellung ab. Auch Stillhalterprämien an sich sollten von § 27 Abs 4 EStG erfasst sein. Dieser Umstand ist von Bedeutung, wenn es zu keiner Optionsausübung und auch zu keinem Differenzausgleich kommt.

Der VwGH erkannte, dass es im Streitfall zu einer Abwicklung einer Option gekommen war. Das Schuldverhältnis ist mit dem Erlöschen der Hauptverpflichtung abgewickelt geworden. Der Verfall der Option ist somit ebenfalls als (sonstige) Abwicklung der Option anzusehen. Mit § 30 Abs 4 EStG idF vor dem BBG 2011 wurde das Abflussprinzip des § 19 Abs 2 EStG durchbrochen. Das Erzielen des Veräußerungserlöses von Spekulationsgeschäften orientiere sich im Sinne der damaligen RL am „Veräußerungsgeschäfte“. Bei streitgegenständigen Optionsgeschäften ist der Steuertatbestand aber nicht die „Veräußerung“, sondern die „Abwicklung“. Der VwGH erkannte, dass das BFG verkannt hat, dass die Einnahmen aus diesem Spekulationsgeschäft erst im Jahr der Abwicklung (Verfall der Option), also im Jahr 2013, zu berücksichtigen sind, und hob das Erkenntnis des BFG folglich auf.

Conclusio

Der VwGH klärte nun die Frage, ob der Verzicht bzw die Veräußerung von Optionsrechten des Altbestandes als Spekulationsgeschäft iSd § 30 EStG idF vor dem BBG 2011 gelten. Diese Frage stellte sich aufgrund des geänderten Besteuerungsregimes für Derivate infolge des BBG 2011 und des AbgÄG 2011. Nach der Rsp des VwGH erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften eine Annäherung an die Regelung im betrieblichen Bereich. Hier kommt es zu einem Durchbruch des Abflussprinzips gem § 19 Abs 2 EStG. Demnach ist der steuerliche Zuflusszeitpunkt bei Einkünften aus Spekulationsgeschäften nicht der Tag der monetären Transaktion, sondern wenn es zur Abwicklung (durch Glattstellung oder einem Differenzausgleich) kommt. Demnach liegt eine Abwicklung vor, wenn – wie im streitgegenständigen Fall – die Option verfällt oder die Option gezogen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33480 vom 03.01.2023