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VwGH: Aufwendung für Energetiker als außergewöhnliche Belastungen

Bearbeiter: Philipp Scharizer

EStG 1988: §§ 34 Abs 1 und 3

Abstract

Der VwGH erkannte, dass für die Geltendmachung von homöopathischen Präparaten als außergewöhnliche Belastungen eine Verordnung durch eine qualifizierte Person von Nöten ist. Ein Bioenergetiker mit Gewerbezulassung erfüllt diese Kriterien nicht.

VwGH 30. 3. 2022, Ro 2020/13/0008

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei machte für das streitgegenständliche Jahr 2016 außergewöhnliche Belastungen iZm Krankheitskosten geltend. Die Krankheitskosten waren angesichts einer Krebserkrankung entstanden. Das Finanzamt (FA) ließ nur einen Teil der geltend gemachten Aufwendungen zum Abzug zu. Aufwendungen für ätherische Öle und Nahrungsergänzungsmittel, die durch einen Bioenergetiker mit Gewerbeberechtigung verschrieben wurden, wurden dagegen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Als Begründung führte das FA an, dass für diese Aufwendungen keine ärztliche Verordnung vorliegt. Ferner begründete das FA, dass diese verschriebenen Öle in keinem unmittelbaren und kausalen Zusammenhang mit der Krebserkrankung standen und dass ein Bioenergetiker weder eine medizinische Behandlung durchführen noch eine ärztliche Verordnung ausstellen könne. Durch die Anwendung dieser Öle versprach der Hersteller dem Konsumenten eine schönere Haut sowie eine emotionale Ausgeglichenheit und ein tieferes spirituelles Bewusstsein. Der alternative Behandlungsplan durch die ätherischen Öle und Nahrungsergänzungsmittel stellte die einzige Alternative, aufgrund des Fehlens einer konventionellen Behandlung, zur Milderung der Nebenwirkung der Chemotherapie für die mitbeteiligte Partei dar. Die mitbeteiligte Partei brach im Jahr 2017 die schulmedizinische Behandlung ab und begann eine homöopathische Behandlung. Seitdem hat sich der Gesundheitszustand der mitbeteiligten Partei wesentlich verbessert. Das BFG erkannte die außergewöhnlichen Belastungen iZm der alternativen Behandlung an, weil die Inanspruchnahme der komplementärmedizinischen Behandlungen alternativlos für die mitbeteiligte Partei war. Das BFG ließ eine ordentliche Revision aufgrund der fehlenden Rsp zu. Von Seiten des FA wurde eine Amtsrevision gegen dieses Erkenntnis eingebracht.

Entscheidung des VwGH

Gem § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Eine Belastung muss, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, gem § 34 Abs 1 Z 1—3 EStG außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs 3 EStG dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Eine Zwangläufigkeit ist gegeben, wenn die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich erforderlich sind. Jedoch stellen nicht alle Maßnahmen, die der Steigerung des Wohlbefindens dienen, eine außergewöhnliche Belastung dar (vgl VwGH 11. 2. 2016, 2013/13/0064). Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation. Ob außergewöhnliche Belastungen vorliegen, hängt von der medizinischen Notwendigkeit ab. Wenn die Maßnahme somit durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger erforderlich ist, liegt eine außergewöhnliche Belastung gem § 34 Abs 1 EStG vor (vgl VwGH 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0039; VwGH 28. 10. 2004, 2001/15/0164).

Im streitgegenständlichen Fall dienen die besagten Maßnahmen der mitbeteiligten Partei zur Hilfestellung, um eine körperliche oder energetische Ausgewogenheit erreichen zu können. Ein Bioenergetiker ist jedoch im Gegensatz zu einem Physiotherapeuten nicht berechtigt eine medizinische Verordnung auszustellen (vgl zu Empfehlungen und Therapieplänen eines Physiotherapeuten VwGH 4. 9. 2014, 2012/15/0136). Zudem ist ein Bioenergetiker nicht in der Lage, die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme zu beurteilen, wenn ihm die entsprechende Ausbildung dafür fehlt. Nach Ansicht des VwGH war der durch den Bioenergetiker verordnete Therapieplan keine notwendige und zwangsläufige Maßnahme. Insofern sind die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen. Der VwGH hob das angefochtene Erkenntnis des BFG wegen Verkennung der Rechtslage auf.

Conclusio

In der Lehre wird heute die Priorität schulmedizinischer Methoden nicht mehr vertreten (vlg Kittl, Alternativmedizinische Behandlung als außergewöhnliche Belastung? SWK 2015, 446). Auch Aufwendungen für Maßnahmen der Alternativmedizin sind daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. In der vorliegenden Entscheidung wird jedoch darauf abgestellt, ob die Maßnahmen zwangsläufig und notwendig sind. Um die Notwendigkeit und die Zwangsläufigkeit feststellen zu können, wird eine qualifizierte Befähigung benötigt (die zB bei einem Arzt oder einem Physiotherapeuten vorliegt).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32573 vom 24.05.2022