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BAO: §§ 20, 279, 299
Abstract
Im Fall von verdeckten Ausschüttungen kommt es zur Haftung der gewinnausschüttenden Körperschaft für die KESt. Es liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, ob diese geltend gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt. Das BFG hat eine solche Ermessensentscheidung im Fall eines Beschwerdeverfahrens eigenständig (neu) zu üben und sich nicht auf eine bloße Kontrolle der behördlichen Ermessensübung zu beschränken. Eine direkte Inanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge hat nur „ausnahmsweise“ zu erfolgen.
VwGH 15. 3. 2023, Ra 2021/15/0093
Sachverhalt
Im Rahmen einer Außenprüfung bei einer GmbH betreffend die Jahre 2006 bis 2008 wurden Zuflüsse an den Gesellschaftergeschäftsführer festgestellt, die als verdeckte Ausschüttungen zu werten und daher der KESt zu unterwerfen waren. Die steuerliche Vertretung der GmbH „beantragte“ noch im Rahmen der Prüfung, die KESt direkt dem Gesellschaftergeschäftsführer vorzuschreiben. Dementgegen erließ das FA im Jahr 2010 im Anschluss an die Außenprüfung an die GmbH gerichtete Bescheide betreffend die Haftung und Zahlung der KESt. Gegen diese Bescheide erhob die GmbH (damals noch) Berufung wegen wesentlicher Mängel (es sei ua nicht erkennbar gewesen, für wen die GmbH als Haftende in Anspruch genommen werden soll). Das FA hob hieraufhin die angefochtenen Bescheide gem § 299 BAO ersatzlos auf. Erst ca zweieinhalb Monate später erließ das FA neuerlich an die GmbH gerichtete Haftungsbescheide. Gegen diese erhob die GmbH erneut (noch) Berufung. Das BFG gab der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und hob die Bescheide ersatzlos auf. Begründend führte es aus, dass durch die Aufhebung der vorherigen Haftungsbescheide gem § 299 BAO deren ersatzlose Behebung vorgenommen und bereits eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen wurde und somit die nunmehr bekämpften Haftungsbescheide wegen bereits entschiedener Sache nicht mehr hätten ergehen dürfen. Unabhängig davon kam das BFG zum Ergebnis, dass auch das Auswahlermessen dahingehend zu üben ist, die KESt dem Gesellschaftergeschäftsführer als Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben, was einer Inanspruchnahme der GmbH entgegensteht. Für das BFG war dabei entscheidend, dass im Zuge der Außenprüfung sogar der Antrag gestellt wurde, die KESt „dem Gesellschafter vorzuschreiben“. Gegen dieses Erkenntnis wurde teilweise – nämlich nur betreffend jene Kapitalertragszuflüsse in den Zeiträumen September bis Dezember 2007 und 2008 – außerordentliche Amtsrevision erhoben.
Entscheidung des VwGH
Durch Aufhebung der ursprünglichen Haftungsbescheide gem § 299 BAO wurde – entgegen der Annahme des BFG – keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen. Vielmehr erfolgte lediglich eine Aufhebung der Bescheide aus Verfahrensgründen, weil die aufgehobenen Bescheide völlig unbestimmt waren. Diese Behebung konnte daher keine Sperrwirkung für den Erlass späterer Haftungsvorschreibungen auslösen, weshalb eine solche der Geltendmachung der revisionsgegenständlichen Haftung nicht entgegengehalten werden kann.
Nach der Rsp des VwGH liegt es im Fall einer verdeckten Ausschüttung im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (vgl VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/15/0046; VwGH 30. 6. 2015, 2012/15/0165). Die KESt ist dabei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge gem § 95 EStG (direkt) in Anspruch genommen. Das BFG ist im gegenständlichen Fall daher zu Unrecht von einem grundsätzlich vorrangigen Heranziehen des Empfängers der Kapitalerträge und einer nachrangigen Inanspruchnahme der ausschüttenden Körperschaft ausgegangen (vgl auch VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0063). Wendet sich eine gewinnausschüttende Körperschaft gegen ihre Inanspruchnahme im Haftungsweg für die KESt aus verdeckten Ausschüttungen und macht dazu eine unrichtige Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde geltend, so liegt es am BFG, zu den diesbezüglichen Ermessensparametern erforderlichenfalls ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage iSd § 279 BAO zu entscheiden, ob gem § 95 EStG die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht werden kann. Gem Art 130 Abs 3 B-VG kommt dem BFG dabei insofern eine besondere Position zu, als ihm auch in Ermessensfragen volle Kognition eingeräumt ist (vgl VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0063). Dem bloßen Umstand, dass ein „Antrag“ der steuerlichen Vertretung einer Gesellschaft vorlag, dem Gesellschafter die KESt direkt vorzuschreiben, kann dabei für sich alleine – entgegen der Auffassung des BFG – keine entscheidende Bedeutung zukommen. Überdies hat das BFG aufgrund seiner vollen Ermessenskognitionsbefugnis das Ermessen im (eigenen) Entscheidungszeitpunkt neu zu üben und sich nicht lediglich auf die Kontrolle der Richtigkeit der seinerzeitigen Ermessensübung des FA zu beschränken. Die im Entscheidungszeitpunkt infolge Verjährung bereits fehlende Durchsetzbarkeit einer (sonst alternativ denkbaren) Direktvorschreibung der KESt an den Empfänger der Kapitalerträge (Gesellschaftergeschäftsführer) hätte berücksichtig werden müssen. Dies ist ein maßgeblicher Ermessensgesichtspunkt für ein Festhalten an der Haftungsinanspruchnahme der GmbH, mit dem sich das BFG hätte auseinandersetzen müssen. Das angefochtene Erkenntnis war daher (im erwähnten Anfechtungsumfang) aufzuheben.
Conclusio
§ 299 Abs 2 BAO statuiert ein Verbindungsgebot. Demnach sind Aufhebungsbescheid und der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid grundsätzlich zu verbinden (vgl Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 299 BAO Rz 15; Ritz/Koran, BAO7 Tz 44 f). Da im gegenständlichen Fall keine Verbindung zwischen dem Aufhebungsbescheid und den neuerlichen Haftungsbescheiden vorgenommen wurde, ging das BFG von einer bereits entschiedenen Sache aus. Das BFG übersah dabei jedoch, dass aufgrund der Unbestimmtheit der ursprünglichen Haftungsbescheide mit deren Aufhebung noch gar nicht in der Sache der KESt-Haftung für einen konkreten Schuldner und einen bestimmten Betrag abschließend entschieden werden konnte. Erst die neuen Haftungsbescheide betreffen diese „Sache“ (erstmals), weshalb das Verbindungsgebot hier keine Sperrwirkung auslöst. Auch in der Ermessensübung übersieht das BFG, dass primär der Schuldner und nur ausnahmsweise der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch zu nehmen ist (vgl VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/15/0046; siehe auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch § 95 Tz 2). Für eine solche ausnahmsweise direkte Inanspruchnahme des Empfängers kann es – wie auch vom VwGH festgestellt – nicht allein entscheidend sein, dass der Schuldner diese beantragt hat. Zu einer Vorschreibung an den Steuerschuldner wird es bspw nur dann kommen, wenn es für die abzugspflichtige Gesellschaft trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt (vgl VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/15/0046; verweisend auf Achatz, ÖStZ 1989, 252 [256 f]). Auch die Unterlassung einer eigenständigen Ermessensübung im Entscheidungszeitpunkt unterstreicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses. Das BFG wird also erneut zu entscheiden und dabei eigenständig Ermessen zu üben haben.